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BSG Urteil vom 28.02.1980 - 8b RKg 5/79

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Leitsatz (amtlich)

Sind Vater und Mutter für ein Kind anspruchsberechtigt (BKGG § 3 Abs 3) und bestimmt das Vormundschaftsgericht einen von ihnen zum Bezugsberechtigten, so wird der Wechsel in der Rangfolge erst wirksam, wenn der Beschluß des Vormundschaftsgerichts allen Beteiligten bekannt geworden ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine vormundschaftsgerichtliche Berechtigtenbestimmung zwischen Vater und Mutter eines Kindes gemäß BKGG § 3 Abs 4 kann keine weitergehenden Wirkungen haben als die Bestimmung durch die Eltern selbst.

2. Eine Änderung der Rangfolge ist grundsätzlich nur für die Zukunft möglich; eine rückwirkende Neugestaltung kann allenfalls möglich sein, wenn bisher keine Regelung getroffen war.

3. Rechtskräftige Entscheidungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit können im sozialgerichtlichen Verfahren nicht auf sachliche Richtigkeit überprüft werden.

 

Normenkette

BKGG § 3 Abs. 3-4, § 10

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Entscheidung vom 03.11.1978; Aktenzeichen S 10 Kg 11/77)

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für sein nichteheliches Kind M S (M.) für die Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 30. April 1977 volles Drittkindergeld zusteht.

Der Kläger ist Steuerinspektor im Dienst des beklagten Landes Rheinland-Pfalz. Er ist Vater zweier ehelicher, 1959 und 1964 geborener Kinder und des 1970 geborenen M., dessen Vaterschaft er anerkannt hat. Bis einschließlich September 1975 gewährte ihm der Beklagte auch für M. entsprechend der Übergangsregelung des § 45 Abs 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Kindergeld. Ab 1. Oktober 1975 wurde diese Zahlung an ihn eingestellt und für M. Erst-Kindergeld an dessen Mutter (Beigeladene zu 2), der die elterliche Gewalt und die alleinige Personensorge zusteht, gezahlt.

Am 30. Oktober 1975 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm das Kindergeld für M. erneut zu zahlen und beantragte gleichzeitig beim Vormundschaftsgericht, ihn zum Bezugsberechtigten für das Kindergeld für M. zu bestimmen; die Mutter erhalte für M. lediglich 50,-- DM monatliches Kindergeld, während er als Bezugsberechtigter 120,-- DM monatlich erhalten würde. Mit Beschluß vom 22. Dezember 1976 erkannte das Oberlandesgericht Düsseldorf auf die weitere Beschwerde des Klägers, mit Wirkung ab 1. Januar 1976 sei das Kindergeld für M. dem Kläger zu gewähren.

Der Beklagte gewährte daraufhin dem Kläger mit Bescheid vom 2. März 1977 rückwirkend ab 1. Januar 1976 zusätzlich Kindergeld in Höhe von 70,-- DM monatlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1977 wurde dem Kläger 70,-- DM Kindergeld bereits ab 1. Oktober 1975 bewilligt; ab 1. Mai 1977 werde ihm das volle Drittkindergeld ausgezahlt, nachdem die Kindergeldzahlung an die Mutter von M. eingestellt worden sei. Bis dahin sei sie vorrangig zum Kindergeldbezug für M. berechtigt.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Speyer abgewiesen (Urteil vom 3. November 1978) und mit Beschluß vom 20. Februar 1979 die Revision zugelassen.

Der Kläger hat Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts. Er sei mit dem Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf ab 1. Januar 1976 zum Bezugsberechtigten für das Drittkindergeld bestimmt worden. Dieses betrage 120,-- DM monatlich. Deshalb habe er Anspruch auf die Auszahlung des vollen Betrages ohne Kürzung um das an die Kindesmutter gezahlte Kindergeld.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 3. November 1978 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 2. März 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1977 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm weiteres Kindergeld für die Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 30. April 1977 in Höhe von 19 x 50,-- DM = 950,-- DM zu zahlen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben keine Anträge gestellt.

Alle Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.

Der Beklagte hat dem Kläger mit dem insoweit bindenden Bescheid vom 2. März 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1977 für sein nichteheliches (drittes) Kind M. für die streitige Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 30. April 1977 Kindergeld in Höhe von 70,-- DM monatlich zuerkannt. Einen weitergehenden Anspruch für die streitige Zeit hat der Kläger nicht.

Nach § 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 4 BKGG haben für M. sowohl dessen Mutter als auch der Kläger Anspruch auf Kindergeld. Da für jedes Kind jedoch nur einer Person Kindergeld gewährt wird (§ 3 Abs 1 BKGG), ist in den Absätzen 2 bis 4 des § 3 BKGG die Rangfolge der Bezugsberechtigten geregelt, wenn mehrere Personen die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.

Erfüllen, wie hier, für ein Kind Vater und Mutter die Anspruchsvoraussetzungen, so wird das Kindergeld demjenigen gewährt, den sie zum Berechtigten bestimmen. Solange sie diese Bestimmung nicht getroffen haben, wird das Kindergeld demjenigen gewährt, der das Kind überwiegend unterhält; es wird jedoch der Mutter gewährt, wenn ihr die Sorge für die Person des Kindes allein zusteht (§ 3 Abs 3 BKGG). Die Mutter von M., die Beigeladene zu 2), und der Kläger haben keine Bestimmung in diesem Sinne getroffen. Die Beigeladene zu 2), der das alleinige Sorgerecht zusteht, wäre daher bezugsberechtigt. M. wäre ihr erstes Kind, für das sie einen Kindergeldanspruch von 50,-- DM monatlich hätte (§ 10 BKGG). Mit seinem Beschluß vom 22. Dezember 1976 hat das Vormundschaftsgericht (Oberlandesgericht Düsseldorf als weitere Beschwerdeinstanz) in diese gesetzlich geregelte Rangfolge eingegriffen. Nach § 3 Abs 4 Satz 2 BKGG kann das Vormundschaftsgericht in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Antrag bestimmen, daß das Kindergeld ganz oder teilweise einer anderen Person gewährt wird, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Hierauf gestützt hat das Vormundschaftsgericht entschieden, daß das Kindergeld für M. ab 1. Januar 1876 dem Kläger zu gewähren sei. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und daher gegenüber allen Beteiligten, zumal gegenüber denjenigen, die am Verfahren beteiligt waren, nämlich dem Kläger und der Beigeladenen zu 2), aber auch gegenüber den Stellen, die das Kindergeld zu zahlen haben, verbindlich. Eine nochmalige Überprüfung dieses Beschlusses auf seine sachliche Richtigkeit ist daher im Verfahren über den Kindergeldanspruch selbst nicht möglich, soweit seine Rechtskraft reicht. Eine Bestimmung des Berechtigten durch das Vormundschaftsgericht im Verhältnis zwischen Vater und Mutter (§ 3 Abs 3 BKGG) kann keine weitergehenden Wirkungen haben, als die Bestimmung der Eltern selbst. Die vormundschaftsgerichtliche Bestimmung ersetzt lediglich die einverständliche Bestimmung des Berechtigten durch die Eltern. Solange aber die Eltern keinen Berechtigten bestimmt haben, wird das Kindergeld der Mutter gewährt, wenn ihr die alleinige Personensorge zusteht. Das war hier die Beigeladene zu 2). Der Wortlaut des Gesetzes "solange..." läßt keinen Zweifel daran, daß mangels einer Bestimmung des Bezugsberechtigten die allein sorgeberechtigte Mutter bezugsberechtigt ist.

Wird eine Bestimmung des Bezugsberechtigten getroffen, sei es durch die Eltern, sei es, wie hier, durch das Vormundschaftsgericht, so kann sie einen Wechsel der Rangfolge erst bewirken, wenn sie allen Beteiligten bekannt geworden ist. Wird die Bestimmung von Vater und Mutter einvernehmlich getroffen, bleibt die gesetzliche Rangfolge des § 3 Abs 3 Satz 2, 2, Halbsatz solange wirksam. Denn solange dem leistungspflichtigen Träger ein Wechsel in der Rangfolge nicht bekannt ist, ist er verpflichtet, entsprechend der gesetzlichen Rangfolge das Kindergeld zu gewähren, weil diese vorrangig ist. Nichts anderes gilt, wenn die "Bestimmung" durch das Vormundschaftsgericht geschieht. Die leistungspflichtigen Stellen sind an dem Verfahren des Vormundschaftsgerichts ebensowenig beteiligt wie bei der "Bestimmung" durch die Eltern selbst. Die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts hat ihnen gegenüber deshalb keine weitergehende Wirkung. Sind mehrere Stellen von dem Wechsel der Bezugsberechtigung betroffen, wie hier das für die Beigeladene zu 2) zuständige Arbeitsamt O und der für den Kläger zuständige Beklagte, wird der Wechsel erst wirksam, wenn alle diese Stellen von ihm Kenntnis erlangt haben. Mit der Bestimmung des Bezugsberechtigten werden die Rechtsverhältnisse zwischen allen Beteiligten neu gestaltet. Eine solche Neugestaltung ist schon nach dem Gesetzeswortlaut nur für die Zukunft möglich. Eine rückwirkende Gestaltung derartiger Rechtsverhältnisse kann allenfalls möglich sein, wenn sie bis dahin ungeregelt waren. Das ist aber gerade hier nicht der Fall.

Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beigeladenen zu 1) ist der Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf dem Arbeitsamt Oberhausen erst am 2. März 1977 durch den Beklagten mitgeteilt worden. In diesem Zeitpunkt war das Kindergeld der Beigeladenen zu 2) aber bereits für März und April gezahlt worden.

Aus dem Beschluß des Vormundschaftsgerichts kann der Kläger schon deshalb keinen Leistungsanspruch herleiten, weil der Leistungspflichtige an diesem Verfahren nicht beteiligt war. Über die Leistung selbst entscheiden allein die nach dem BKGG zuständigen Stellen. Das ist für den Kläger der Beklagte (§ 45 Abs 1 Satz 1a BKGG). Der Leistungsanspruch des Klägers besteht nur ihm gegenüber. Der Beschluß des Vormundschaftsgerichts bindet ihn daher bezüglich des Leistungsanspruchs selbst nicht. Die Formulierung des Beschlusses "ist... dem Antragsteller... zu gewähren" folgt dem Gesetzestext des § 3 BKGG. Dort wird zwischen Personen unterschieden, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen und solchen, denen das Kindergeld zu gewähren ist. Das entspricht der Gesetzessystematik, wonach mehrere Personen die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen können, jedoch nur einer Person das Kindergeld gewährt wird. Nur diese ist bezugsberechtigt nach der in den Abs 2 - 4 geregelten Rangfolge, hat also einen Leistungsanspruch. Mit der Bestimmung des Bezugsberechtigten wird daher nur die Rangfolge geregelt. Der Leistungsanspruch selbst richtet sich aber allein nach den insoweit einschlägigen Regelungen des BKGG.

Soweit das Vormundschaftsgericht daher den Kläger bereits ab 1. Januar 1976 zum Bezugsberechtigten bestimmt hat, ist damit keine rückwirkende Änderung der Rangfolge zwischen ihm und der Beigeladenen zu 2) eingetreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1981, 84

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