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BSG Beschluss vom 18.09.1991 - 6 BKa 8/91

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichterstatter. Ernennung. absoluter Revisionsgrund. nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Es stellt keinen absoluten Revisionsgrund dar, wenn im Berufungsverfahren ein Berufsrichter als Berichterstatter tätig geworden ist, ohne dazu vom Vorsitzenden des Senats ernannt worden zu sein.

 

Normenkette

ZPO § 551 Nr. 1; SGG § 160a

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 19.12.1990; Aktenzeichen L 5 Ka 2632/89)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 15.11.1989; Aktenzeichen S 14a Ka 2376/88)

 

Gründe

Streitig sind Kürzungen des Honorars aus RVO-Abrechnungen in den Quartalen I und II/1987. Mit seiner Klage und der Berufung hat der Kläger keinen Erfolg gehabt. Er rügt mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die Revision sei nach § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zuzulassen.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Der Kläger rügt, im Berufungsverfahren sei Richter am Landessozialgericht Dr. R. als Berichterstatter tätig gewesen, dieser sei aber nicht in der erforderlichen Form vom Vorsitzenden ernannt worden. Insoweit hat der Kläger nicht dargelegt, daß das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Der Kläger weist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in BSGE 2, 197, 198 f hin. Danach ist die Übertragung der Aufgaben aus den §§ 104, 106 bis 108 SGG nach § 155 SGG auf einen Berufsrichter des Senats für die einzelne Streitsache in den Akten dieser Sache schriftlich festzulegen. Ob an dieser Entscheidung festzuhalten wäre, bleibt dahingestellt. Es fehlt jedenfalls im vorliegenden Fall eine ausreichende Darlegung zur Wirkung des behaupteten Mangels auf das angefochtene Urteil. Dafür genügt nicht die allgemeine Äußerung des Klägers, die Ernennung eines Berufsrichters (gemeint: das Tätigwerden eines nichternannten Berichterstatters) habe Auswirkungen auf die Entscheidung gehabt. Wenn der Berichterstatter, wie der Kläger vorbringt, in der mündlichen Verhandlung durchblicken ließ, daß seiner Auffassung nach die Berufung begründet sei, folgt daraus nicht, daß das Urteil auf dem Tätigwerden des nichternannten Berichterstatters beruhen kann.

Die Meinung, bei Verstößen gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) sei die Auswirkung auf die Entscheidung in der Sache selbst zu vermuten, hat der Kläger nicht näher begründet. Sie trifft nicht zu. Insbesondere sind die in § 202 SGG iVm § 551 Zivilprozeßordnung (ZPO) aufgeführten absoluten Revisionsgründe keiner Ergänzung zugänglich (Albers in Baumbach, Komm zur ZPO, 47. Aufl § 551 Anm 9).

Ein Fall der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts - § 551 Nr 1 ZPO - ist nicht gegeben. Die vorschriftsmäßige Besetzung bezieht sich auf das erkennende Gericht, dh auf die letzte mündliche Verhandlung, im schriftlichen Verfahren auf die dem Urteil zugrundeliegende letzte Beratung. Darunter fallen hingegen nicht die vorbereitenden Maßnahmen - insbesondere die Maßnahmen nach §§ 104, 106 bis 108 SGG - (vgl Thomas-Putzo, Komm zur ZPO § 551 Anm 2 Nr 1; BGH NJW 1986, 2115; BGH MDR 1968, 314). Der Berichterstatter hat nach den Vorschriften des SGG in der mündlichen Verhandlung keine besondere Funktion.

Der Kläger rügt ferner eine Verletzung der §§ 128 Abs 2, 62 SGG: Das LSG habe Bezug genommen auf seine Entscheidung vom gleichen Tag zum Aktenzeichen L 5 Ka 2144/88, in der es dargelegt habe, daß die von der Beklagten vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand statistischer Werte rechtens sei; auf diese Parallelentscheidung sei er aber nicht hingewiesen worden. Den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs hat der Kläger indessen nicht ausreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Kläger macht nicht etwa geltend, das LSG sei überraschend von der Rechtmäßigkeit der statistischen Methode ausgegangen. Möglicherweise will er vorbringen, daß sich das LSG mit dem Hinweis auf die Entscheidung vom selben Tag in der Sache L 5 Ka 2144/88 auf neue Gründe für diese Rechtmäßigkeit stützt, zu denen er sich nicht habe äußern können. Der Beschwerdeführer muß aber jedenfalls darlegen, welches zur Beeinflussung der Entscheidung des LSG geeignete zusätzliche Vorbringen ihm durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden sei (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Nach seiner Beschwerdebegründung hätte der Kläger bei einem entsprechenden Hinweis des LSG dargelegt, daß in seinem Fall die Fachgruppe der Orthopäden gerade nicht als Vergleichsgruppe geeignet sei. Aus der Beschwerdebegründung geht aber nicht hervor, warum dem Kläger dieses Vorbringen durch das Verschweigen der Parallelentscheidung abgeschnitten worden sein soll. Die Ausführungen des Klägers in der Beschwerdebegründung laufen auf die Frage hinaus, ob und inwieweit die ihm entgegengehaltene Vergleichsgruppe überhaupt von statistischer Signifikanz bzw - bezogen auf den Kläger - homogen sei. Die Ausführungen betreffen die Bildung der Vergleichsgruppe im Fall des Klägers und nicht die prinzipielle Zulässigkeit der statistischen Methode.

Der Kläger rügt, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage, ob von einer homogenen Vergleichsgruppe auch dann noch gesprochen werden kann, wenn hinsichtlich einzelner Leistungen, die die Überschreitungen im Bereich der Leistungsgruppe wesentlich verursachten, feststeht, daß eine Reihe von Fachkollegen die entsprechenden Ziffern gar nicht abrechnen. Der Beschwerdeführer muß zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache indessen darlegen, daß das BSG bei Zulassung der Revision über die bezeichnete Rechtsfrage zu entscheiden haben würde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung enthält keinen Hinweis darauf, daß und warum im vorliegenden Rechtsstreit aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG über die Behandlung von "Nullfällen" (Ärzte der Vergleichsgruppe haben eine oder mehrere einzelne Leistungen des zu vergleichenden Bereichs ihrer Art nach überhaupt nicht erbracht) zu entscheiden wäre. In der Beschwerdebegründung wird zum anhängigen Rechtsstreit lediglich dargelegt, daß einige Ärzte der Fachgruppe bestimmte Ziffern nicht abrechnen. Tatsächliche Feststellungen des LSG dazu nennt der Kläger nicht, er legt auch nicht dar, warum das BSG ohne solche Feststellungen über die Rechtsfrage entscheiden könnte. Im übrigen hat das LSG zu den vom Kläger angeführten Ziffern 553, 555 und 557 BMÄ sogar festgestellt, daß die entsprechenden Leistungen des Klägers zu seinen Gunsten voll berücksichtigt worden seien. Es fehlt ferner eine detaillierte Darlegung dazu, ob beim Kläger die Abrechnung der genannten Ziffern die Überschreitungen im Bereich der Leistungsgruppe (welcher?) im Sinn der genannten Rechtsfrage wesentlich verursacht hat.

Schließlich rügt der Kläger das Fehlen von Entscheidungsgründen zur Nichtberücksichtigung mehrerer anerkannter Praxisbesonderheiten. Der Verfahrensmangel des Fehlens von Entscheidungsgründen gemäß § 136 Abs 1 Nr 6 SGG liegt vor, wenn zu einem entscheidungserheblichen Streitpunkt die Erwägungen, die das Gericht zum Urteilsausspruch geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind (BSG SozR 1500 § 136 Nr 10). Dies mag gegeben sein, wenn das Gericht zu einer von einem Beteiligten aufgeworfenen, eingehend dargelegten und für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage in den Urteilsgründen nicht Stellung genommen hat (BSG SozR Nr 9 zu § 136 SGG; dazu kritisch Peters/ Sautter/Wolff, Komm zum SGG, § 136 Anm 6). Das hat aber der Kläger nicht gerügt. Seine Rüge geht dahin, es fehle eine Äußerung zu der entscheidenden Frage, wie die Praxisbesonderheiten honorarmäßig zu Buch schlügen bzw zu berücksichtigen seien. Damit sieht der Kläger den Verfahrensmangel schon dann als gegeben an, wenn die Begründung hinsichtlich eines Vorbringens unvollständig ist. Das trifft aber nicht zu (vgl BSG SozR Nr 9 zu § 136 SGG).

Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG (analog) gestützt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1649873

NZA 1992, 426

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