Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenarztrecht. Einheitlicher Bemessungsmaßstab. Versorgungsbereich. Begriff. Medizinischer Begriff. Rechtsbegriff
Orientierungssatz
Bei dem Begriff des Versorgungsbereichs in der Präambel zu Kapitel D des EBM-Ä handelt es sich nicht um einen medizinischen Begriff, sondern um einen Rechtsbegriff, dessen Auslegung nicht der Beweiserhebung durch Sachverständige zugänglich ist.
Normenkette
SGB 5 § 87 Abs. 1; EBM-Ä Kap D; SGG §§ 103, 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Umstritten ist die Berichtigung von Honoraranforderungen für Anästhesieleistungen.
Die Kläger sind als Augenärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie nehmen an dem zwischen der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossenen Strukturvertrag zur Förderung ambulanter krankenhausersetzender Operationen teil. Bei den von ihnen ambulant durchgeführten Katarakt-Operationen ziehen sie eine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Anästhesistin, die nicht am Strukturvertrag teilnimmt, hinzu. Im Rahmen der Operation führt die Anästhesistin zunächst eine intravenöse Narkose und eine Maskennarkose durch. In der Wirkung dieser Narkosen nehmen die Kläger weitere Anästhesiemaßnahmen vor. Die Anästhesistin rechnet ihre Leistungen gegenüber der Beklagten ab.
Die Beklagte setzte von der Honoraranforderung der Kläger für das Quartal I/2000 die von ihnen erbrachten und abgerechneten Anästhesieleistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, nach einer Regelung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) sei bei mehreren Anästhesien bzw Narkoseverfahren nur die höchstbewertete Leistung abrechenbar. Das seien die von der Anästhesistin erbrachten Leistungen, sodass die der Kläger nicht honoriert werden könnten. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Honorarzahlung verurteilt. Mit der Vergütung der Leistungen nach dem Strukturvertrag seien alle im Zusammenhang mit den ambulanten Operationen stehenden Leistungen abgegolten (§ 7 Abs 4 des Strukturvertrages). Daher habe die nicht am Strukturvertrag teilnehmende Anästhesistin keinen Anspruch auf Vergütung ihrer Leistungen gegen die Beklagte, während die der Kläger zu vergüten seien. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. Dezember 2003). § 7 Abs 4 des Strukturvertrages schließe nicht die Abrechnung persönlich erbrachter Leistungen anderer Vertragsärzte aus, die diese im Zusammenhang mit ambulanten Operationen durchgeführt hätten. Damit greife die Regelung des EBM-Ä ein, nach der bei primärer Anwendung mehrerer Anästhesie- und/oder Narkoseverfahren nebeneinander nur die höchstbewertete Leistung berechnungsfähig sei, sofern die unterschiedlichen Verfahren die Analgesie in demselben Versorgungsbereich zum Ziel hätten. Die von der Anästhesistin erbrachten Leistungen seien höher bewertet als die der Kläger und dienten auch demselben Versorgungsbereich.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügen das Vorliegen eines Verfahrensfehlers.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Kläger ist zurückzuweisen.
Soweit sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen, ist sie unzulässig. Die Begründung der Beschwerde entspricht nicht den gesetzlich vorgegebenen Anforderungen. Hinsichtlich der Verfahrensrüge ist sie unbegründet.
Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss gemäß den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist.
Der Beschwerdebegründung ist schon keine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu entnehmen, aus der sich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben könnte. Aber selbst wenn man zu Gunsten der Kläger unterstellt, sie sähen die Klärung des allgemeinen Rechtsverhältnisses zwischen den an dem Strukturvertrag teilnehmenden Ärzten, der KÄV und solchen Vertragsärzten, die nicht an dem Strukturvertrag teilnehmen, als Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung an (Zusammenfassung der Begründung auf S 6), führt dies nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde. Das Berufungsurteil ist - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - nicht auf die Anwendung von Vorschriften des Strukturvertrages, sondern vielmehr auf Bestimmungen des EBM-Ä und damit von Bundesrecht gestützt. Unabhängig davon, dass es sich bei dem Strukturvertrag um Landesrecht und damit um grundsätzlich nicht revisibles Recht (§ 162 SGG) handelt, hätte daher bereits für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit aufgezeigt werden müssen, inwiefern Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Strukturvertrag sich auf die Entscheidung des Rechtsstreits auswirken können. Ausführungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung nicht, sodass sie insoweit unzulässig ist.
Die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet. Sie machen geltend, sie hätten zu der Frage, dass die von ihnen erbrachten Anästhesieleistungen und die der von ihnen hinzugezogenen Anästhesistin nicht demselben Versorgungsbereich zuzuordnen seien, Beweis durch Erhebung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Ungeachtet dessen, dass sie nicht aufgezeigt haben, dass ihr Beweisantrag auch noch zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrechterhalten worden ist, liegt ein Verfahrensfehler des LSG durch die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens schon deshalb nicht vor, weil es sich bei dem Begriff des Versorgungsbereichs in der Präambel zu Kapitel D des EBM-Ä nicht um einen medizinischen Begriff, sondern um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Auslegung nicht der Beweiserhebung durch Sachverständige zugänglich ist.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.
Fundstellen