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BSG Beschluss vom 02.07.1998 - B 13 RJ 187/97 B

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Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 11.06.1997; Aktenzeichen L 19 Ar 17/97)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juni 1997 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Urteil vom 11. Juni 1997 hat das Landessozialgericht (LSG) festgestellt, daß der Rechtsstreit L 19 Ar 257/95 erledigt ist. In den Entscheidungsgründen hat es hierzu im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerde des Klägers gegen Punkt II des gerichtlichen Vergleichs sei als Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens anzusehen. Über das im Berufungsverfahren L 19 Ar 257/95 ursprüngliche streitige Rechtsschutzbegehren (auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente) dürfe der Senat nicht mehr entscheiden, da dieser Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 28. November 1996 bzw die im Zusammenhang damit von den Beteiligten in Ziffer II der Vergleichsvereinbarung übereinstimmend abgegebene Erklärung seine Erledigung gefunden habe. Bedenken gegen die Wirksamkeit der beiderseitigen Erledigterklärungen bestünden nicht. Der Senat habe dahingestellt sein lassen können, ob die im Rahmen des Vergleichs übereinstimmend erfolgte Erledigterklärung als eigener und nicht an die Formerfordernisse des § 162 Abs 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) gebundener Beendigungsgrund für den Rechtsstreit L 19 Ar 257/95 in Betracht komme; denn die am 28. November 1996 aufgenommene Niederschrift genüge den Protokollierungsanforderungen der §§ 159 ff ZPO, so daß gegen die Wirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs keine Bedenken bestünden. Hinweise dafür, daß der Kläger durch eine vom erkennenden Gericht ausgehende Täuschung zum Vergleichsabschluß bzw zu der gleichzeitig abgegebenen Erledigterklärung veranlaßt worden wäre, seien weder festgestellt noch ersichtlich, weshalb dahinstehen könne, ob und wann derart beeinflußte Prozeßhandlungen als unwirksam gelten müßten. Sie könnten grundsätzlich nicht widerrufen werden. Die Anfechtungsgründe des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) – Irrtum, arglistige Täuschung und Drohung – fänden auf die genannten Prozeßhandlungen keine Anwendung. Der Kläger könne daher nicht geltend machen, daß er den gerichtlichen Vergleich nicht habe abschließen bzw die Erledigterklärung nicht habe abgeben wollen; insoweit handele es sich um einen unbeachtlichen Erklärungsirrtum. Im übrigen seien auch sonst keinerlei Anhaltspunkte hervorgetreten, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 1996 durch „arglistige Täuschung” des Beklagtenvertreters zum Abschluß des gerichtlichen Vergleichs veranlaßt worden sei. Der Kläger habe seine Zustimmung zum gerichtlichen Vergleich gerade nicht von der „Richtigkeit” der Einlassung des Beklagtenvertreters im Termin abhängig gemacht.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und selbst Antrag auf Prozeßkostenhilfe gestellt.

Auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum 6. Oktober 1997 verlängert worden. Nach erfolgter Akteneinsicht hat der Prozeßbevollmächtigte mit Schreiben vom 19. September 1997 (eingegangen am selben Tag) angezeigt, daß er die Vertretung niederlege.

Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe ist unbegründet.

Offenbleiben kann, ob der Kläger noch Anspruch auf Rechtsschutz bei dem VdK besitzt bzw aus welchen Gründen von seinem Prozeßbevollmächtigten das Mandat niedergelegt worden ist, da die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bereits an der fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung scheitert.

Prozeßkostenhilfe ist nur zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫, § 114 ZPO). Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Rechtsverfolgung nur dann, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe gegeben wäre, die zur Zulassung der Revision führen. Daß das der Fall sein könnte, ist nicht ersichtlich.

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Davon könnte nur dann die Rede sein, wenn im Revisionsverfahren bislang ungeklärt gebliebene Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung geklärt werden könnten (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 59 und 65). Dafür bietet das hier anzuwendende Recht angesichts des vom LSG festgestellten Sachverhalts keine Anhaltspunkte.

Hinsichtlich der Voraussetzungen für das Zustandekommen und der Beurteilung der Wirkungen eines Prozeßvergleichs sowie der Möglichkeiten seiner Anfechtung und der Frage, wie bei einer Anfechtung eines Prozeßvergleichs weiter zu verfahren ist, besteht eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl etwa Meyer-Ladewig, 6. Aufl 1998, § 101 RdNrn 9 ff, 13 ff, 17 ff jeweils mwN). Von grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere nicht die Frage, ob die vom Kläger angegriffene, übereinstimmend abgegebene Erledigterklärung im Rahmen des Prozeßvergleichs als Prozeßhandlung wegen eines Erklärungsirrtums oder wegen einer vom Kläger behaupteten Täuschung angefochten werden kann. Auch wenn vom LSG hervorgehoben worden ist, daß auf Prozeßhandlungen die Anfechtungsgründe des BGB keine Anwendung finden, so ist allgemeine Auffassung, daß wegen der sogenannten Doppelnatur des Prozeßvergleichs auch aus materiell-rechtlichen Gründen ein Vergleich unwirksam sein kann (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 101 Nr 8). Davon geht ersichtlich auch das LSG aus, da es auch zur materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Vergleichs Feststellungen getroffen hat. Auch soweit sich das LSG für die Wirksamkeit des Zustandekommens des Prozeßvergleichs auf die Beweiskraft des Sitzungsprotokolls beruft, ist eine grundsätzliche Bedeutung der Streitsache nicht erkennbar, weil hinsichtlich der Formerfordernisse für die Wirksamkeit eines Prozeßvergleichs kein Klärungsbedarf durch höchstrichterliche Rechtsprechung ersichtlich ist. Schließlich besteht auch für die Frage, wie zu verfahren ist, wenn prozeßbeendende Erklärungen angefochten werden, kein Klärungsbedarf. Nach ganz allgemeiner, auch vom BSG vertretener Auffassung (vgl BSG SozR 1500 § 101 Nr 4), ist in diesen Fällen das Verfahren fortzusetzen und ggf durch Feststellungsurteil zu entscheiden, ob das Verfahren bereits durch die verfahrensbeendende Erklärung – hier: den Prozeßvergleich bzw die im Vergleich abgegebene übereinstimmende Erledigterklärung – beendet ist. Nur für den Fall, daß das Verfahren nicht bereits als beendet anzusehen ist, kann noch eine Sachentscheidung ergehen (Meyer-Ladewig, aaO, RdNrn 17 ff mwN).

Des weiteren ist nicht zu erkennen, daß das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Entscheidung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Schließlich ist nicht erkennbar, daß der Kläger einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG). Ein solcher Verfahrensmangel ist dem Inhalt der Prozeßakten nicht zu entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß das LSG zu Unrecht nicht über einen vom Kläger erhobenen Beweisantrag entschieden hätte. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz; § 62 SGG) scheidet nach Lage der Akten aus, da der Kläger bereits vor der mündlichen Verhandlung auf die weitere beabsichtigte Behandlung des Rechtsstreits durch das LSG hingewiesen wurde. Im übrigen war er im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich anwesend und hatte somit ausreichend Gelegenheit zu eigenem Vortrag.

Bietet die beabsichtige Rechtsverfolgung sonach keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, kann dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht stattgegeben werden. Damit erledigt sich zugleich ein etwaiger Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 Abs 1 ZPO).

Die vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründet worden ist. Nach § 160a Abs 2 SGG ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. An einer solchen Begründung, die vorliegend bis zum 6. Oktober 1997 beim BSG hätte eingehen müssen, fehlt es; die Beschwerde ist weder vom früheren Prozeßbevollmächtigten vor der Niederlegung des Mandats – trotz erfolgten Akteneinsicht – noch durch einen anderen beim BSG zugelassenen Bevollmächtigten begründet worden. Eine Nichtzulassungsbeschwerde, die innerhalb der Begründungsfrist nicht begründet worden ist, ist als unzulässig zu verwerfen (BSG SozR 3-1500 Nr 18; vgl Meyer-Ladewig, aaO, RdNrn 13, 17).

Entspricht die Begründung der Beschwerde somit nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175302

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