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BGH Urteil vom 23.06.1999 - 3 StR 147/99

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Mord

 

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 17. Dezember 1998 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

  1. soweit die Angeklagte wegen Totschlags verurteilt worden ist,
  2. im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlages und wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und einem Monat verurteilt. Mit ihrer zu Lasten der Angeklagten eingelegten, zulässig auf die Verurteilung wegen des Tötungsdelikts beschränkten und mit sachlichrechtlichen Beanstandungen begründeten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung der Angeklagten insoweit wegen Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Angeklagte nicht in der Lage, Ordnung in die finanziellen Angelegenheiten ihrer Familie zu bringen, sondern gab ständig mehr Geld aus, als sie und ihr Ehemann verdienten. Aus Angst, ihr Ehemann würde sie verlassen, wie er es ihr angesichts des im Soll befindlichen Gehaltskontos schon einmal angedroht hatte, hatte die Angeklagte zur Verheimlichung von Fehlbeträgen bereits 1997 die Großeltern ihres Ehemannes um 15.000 DM bestohlen. Nach Entdeckung der Tat hatten diese davon abgesehen, die Tat anzuzeigen oder den Ehemann der Angeklagten zu unterrichten. Um die Ehe der Angeklagten nicht zu gefährden, hatten sie der Angeklagten vielmehr großzügige Rückzahlungsraten eingeräumt und ihr im Herbst 1997 nochmals 7.000 DM zur Deckung eines Dispositionskredites zur Verfügung gestellt. Auch die Mutter der Angeklagten war ihr finanziell behilflich gewesen, ohne dem Ehemann etwas darüber zu erzählen. Im Februar 1998 hatte die damals im neunten Monat schwangere Angeklagte erneut 800 DM zur Bezahlung der Kraftfahrzeugsteuer benötigt. Sie hatte deshalb in der Wohnung ihres eigenen 81jährigen Großvaters, der aufgrund einer Parkinsonschen Krankheit schwerbehindert war, unbemerkt die Kontokarte für dessen Konto an sich genommen, ein Vollmachtsformular gefälscht, sich unter Vorlage der Vollmacht in dem Geldinstitut 800 DM auszahlen lassen und später die Kontokarte wieder zurückgelegt.

Als die Angeklagte einige Tage später ihrem Großvater diese Tat eingestand, war dieser zu ihrer Überraschung sehr verärgert und kündigte an, das Geschehen dem Ehemann der Angeklagten zu berichten. Eine Strafanzeige wollte er nicht erstatten, wovon auch die Angeklagte ausging. Sie war aber von der Angst erfüllt, ihr Ehemann werde sie verlassen. Sie ging davon aus, daß sie dann mit ihrem Sohn sowie mit dem in etwa zwei Wochen auf die Welt kommenden Kind allein sein würde. Die Angeklagte geriet in Panik und entschloß sich, ihren Großvater mit einem außerhalb des Hauses vorgefundenen Beil zu töten, um zu verhindern, daß ihr Mann von dem Vorfall erfahren würde. Sie ging mit dem Beil in das Wohnzimmer und erschlug ihren Großvater mit mindestens sieben, teilweise mit erheblicher Wucht geführten Schlägen. Dann reinigte sie das Beil, täuschte Aktivitäten des Opfers im Haus vor, verließ das Haus und gab alsbald ihrer Mutter gegenüber eine Schilderung ihres Besuches beim Großvater, mit der sie nach der Entdeckung der Tat einige Zeit lang erfolgreich die Ermittlungen der Polizei von sich ablenken konnte.

Fehlerhaft hat das Landgericht das Mordmerkmal des Verdeckens einer Straftat mit der Begründung verneint, das besondere Unrecht der Verdeckungsabsicht sei nicht gegeben, „selbst wenn grundsätzlich auch die Vermeidung außerstrafrechtlicher Konsequenzen zur Erfüllung dieses Merkmals ausreichend sein sollte” (UA S. 23).

Die Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen, daß es die Voraussetzungen des Verdeckungsmordes verkannt hat. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht voraussetzt, daß der Täter für den Fall des Bekanntwerdens seiner vorangegangenen Straftat mit Strafverfolgung rechnet, es vielmehr genügt, daß es ihm um die Vermeidung außerstrafrechtlicher Konsequenzen geht (BGHSt 41, 8; BGH, Beschl. vom 12. Januar 1999 - 1 StR 622/98; vgl. auch Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 15). Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, daß Mord in keiner Begehungsform ein gegen die Belange der Rechtspflege gerichtetes Delikt ist, daß vielmehr die den Verdeckungsmord charakterisierende Verknüpfung von Unrecht (aus der Vortat) mit weiterem Unrecht (durch die Tötung) auch dann vorliegen kann, wenn der Täter einen anderen zur Vermeidung außerstrafrechtlicher Folgen seiner Straftat tötet. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat ungeachtet der an ihr geübten Kritik (Küper JZ 1995, 1158; Brocker MDR 1996, 228) an.

Die Mordmerkmale der dritten Gruppe zeichnen sich durch die Verwerflichkeit des deliktischen Ziels der Tötung (Ermöglichung oder Verdeckung einer Straftat) aus. Steht schon die Tötung eines Menschen zur Verhinderung der Strafverfolgung in einem krassen Zweck-Mittel-Mißverhältnis, so ist die Tötung zur Verdeckung aus rein außerstrafrechtlichen Gründen, der regelmäßig ein geringerer Konfliktdruck zugrundeliegt, in einem noch höheren Maße verwerflich (Saliger StV 1998, 19, 20; ders. ZStW 109 (1997), 302, 308). Der besondere Schutzzweck, dem die hohe Strafe für den Verdeckungsmord dient, besteht darin, dem angesichts der Stärke des Antriebs zum Selbstschutz erhöhten Tötungsanreiz entgegenzutreten (vgl. BGH NJW 1999, 1039 = Urt. vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 319/98). Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Streben des Täters, außerstrafrechtliche Folgen seines Verhaltens zu vermeiden, derart stark ist, daß sich daraus für ihn ein Anreiz zur Tötung eines Dritten ergibt.

Soweit das Landgericht aufgrund der Motivationslage der Angeklagten und ihrer besonderen persönlichen Struktur sowie ihres Zustandes das „besondere Unrecht … der Verdeckungsabsicht” nicht als gegeben angesehen hat, ist dies nicht frei von Rechtsfehlern.

Zur Motivationslage führt das Landgericht aus, der Gedanke, die Trennung des Ehemannes zu vermeiden, nicht der, jetzt und aktuell eine Straftat zu verheimlichen, habe die Angeklagte beherrscht. Dies steht im Widerspruch zu der kurz zuvor getroffenen Feststellung, die Angeklagte fürchtete, wegen ihrer dann aufgedeckten Straftat von ihrem Mann verlassen zu werden.

Soweit das Landgericht auf die persönliche Struktur der Angeklagten abhebt, bleibt außer Betracht, daß das Landgericht, sachverständig beraten, zwar eine seelische Abnormität (sog. narzißtisch-hystrionische Persönlichkeit) bei der Angeklagten festgestellt, dieser aber den Charakter einer schweren anderen seelischen Abartigkeit abgesprochen und auch sonst keine Gesichtspunkte für eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit der Angeklagten festgestellt hat. Zwar kann ein Zustand hoher affektiver Erregung des Täters selbst bei erhaltener Schuldfähigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu führen, daß ein in Betracht kommendes Mordmerkmal aus subjektiven Gründen nicht verwirklicht ist (BGH NJW 1999, 1039). Dahinstehen kann, ob die bislang für die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe angestellten Erwägungen auch für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht Geltung haben können. Vorliegend hat das Landgericht nämlich Umstände nicht berücksichtigt, die gegen eine derartige Beeinträchtigung der subjektiven Seite des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht sprechen könnten: Zwischen der Erkenntnis der Angeklagten, daß ihre Straftat nicht vor ihrem Ehemann verheimlicht bliebe, und der Tötung des Opfers, bestand eine zeitliche und räumliche Zäsur. Alsbald nach der Tat begann die Angeklagte mit Veränderungen im Haus, um einen ordnungsgemäßen Tagesablauf des Opfers vorzutäuschen und damit die Entdeckung der Tat hinauszuzögern, und erzählte ihrer Mutter wahrheitswidrig, es sei ein ihr unbekannter Mann im Haus des Großvaters erschienen. Diese Erzählung war so schlüssig, daß die Polizei mit einem nach Angaben der Angeklagten gefertigten Phantombild nach dieser Person fahndete.

 

Unterschriften

Rissing-van Saan, Blauth, Miebach, Winkler, Pfister

 

Fundstellen

Haufe-Index 540471

NStZ 1999, 615

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