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BGH Urteil vom 21.04.2004 - XII ZR 185/01

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Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien kraft - ggf. stillschweigender - Vereinbarung eine arbeitsrechtliche Abfindung des Unterhaltsverpflichteten in die Unterhaltsberechnung einbezogen, steht dies einem zusätzlichen güterrechtlichen Ausgleich zu Gunsten des Unterhaltsberechtigten entgegen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 11.12.2002 - XII ZR 27/00, MDR 2003, 334 = BGHReport 2003, 276 = FamRZ 2003, 432).

 

Normenkette

BGB § 1376

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 21.06.2000; Aktenzeichen 16 UF 1410/00)

AG Landshut

 

Tenor

Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG München v. 21.6.2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufung der Antragsgegnerin stattgegeben und die Berufung des Antragstellers wegen eines 7.013 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrages zurückgewiesen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das OLG zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch darum, ob und ggf. in welchem Umfang eine Abfindung, die dem am 30.11.1998 in den Vorruhestand getretenen Antragsteller für den Verlust seines Arbeitsplatzes gezahlt wurde, beim Zugewinnausgleich in dessen Endvermögen zu berücksichtigen ist.

Auf den der Antragsgegnerin am 9.1.1999 zugestellten Antrag wurde die am 15.7.1977 geschlossene Ehe des am 13.11.1943 geborenen Antragstellers und der am 3.6.1949 geborenen Antragsgegnerin durch Verbundurteil des FamG v. 28.7.2000, das insoweit sowie hinsichtlich des durchgeführten Versorgungsausgleichs inzwischen rechtskräftig ist, geschieden. Zugleich wurde der Antragsteller unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich von 14.215 DM zu zahlen. Hiergegen legten beide Parteien Berufung ein.

Das Berufungsgericht hat den Antragsteller unter Zurückweisung seiner Berufung sowie der weiter gehenden Berufung der Antragsgegnerin verurteilt, einen Zugewinnausgleich von 86.100 DM nebst Zinsen zu zahlen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Antragstellers, mit der er seine Verurteilung bekämpft, soweit sie 7.013 DM nebst Zinsen übersteigt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Auf Grund der Säumnis der Revisionsbeklagten ist durch Versäumnisurteil zu erkennen, obwohl die Entscheidung inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge beruht (BGH BGHZ 37, 79 [82]).

II.

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Antragsgegnerin weder ein Anfangsvermögen noch ein Endvermögen hatte, und der Antragsteller - ohne Berücksichtigung der Abfindung - ebenfalls kein Anfangsvermögen, als Endvermögen hingegen eine Lebensversicherung mit einem Zeitwert zum Stichtag (9.1.1999) von 14.026 DM hatte. Die Verurteilung zum hälftigen Ausgleich dieses Betrages nimmt der Antragsteller hin.

2. Das Berufungsgericht hat dem Endvermögen des Antragstellers auch die von dessen Arbeitgeber gemäß Vereinbarung v. 17./22.12.1997 gezahlte Abfindung hinzugerechnet, und zwar

i.H.v. 25.947 DM, die von der am 31.12.1998 gezahlten ersten Rate von 36.000 DM (brutto) am Stichtag noch auf dem Konto des Antragstellers vorhanden waren,

sowie in Höhe weiterer 171.000 DM netto (224.400 DM brutto), deren Fälligkeit zwar durch gesonderte Vereinbarung des Antragstellers mit seinem Arbeitgeber auf den 31.1.1999 - also nach dem Stichtag - hinausgeschoben worden war, die das Berufungsgericht aber als Anspruch auf eine künftige, nicht von einer Gegenleistung abhängige und daher ebenfalls zum Endvermögen zählende Leistung bewertet hat.

Somit hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung ein Endvermögen von 25.947 DM + 171.000 DM + 14.026 DM (Lebensversicherung) = 210.973 DM zu Grunde gelegt.

Zugleich hat das Berufungsgericht es abgelehnt, die Abfindung in Bezug zur Dauer der Betriebszugehörigkeit des Antragstellers zu setzen und den Anteil, der dann rechnerisch auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit vor der Eheschließung entfallen würde, als Anfangsvermögen des Antragstellers anzusehen.

Gleichwohl hat das Berufungsgericht den Antragsteller nicht verurteilt, den gesamten Zugewinn von 210.973 DM auszugleichen, sondern den Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin gem. § 1381 BGB auf die Hälfte von 172.200 DM = 86.100 DM begrenzt, um ein nach seiner Auffassung grob unbilliges Ergebnis zu vermeiden. Insoweit hat es darauf abgestellt, dass der Antragsteller in der Zeit vom Stichtag bis zur zweitinstanzlichen Entscheidung (Februar 1999 bis Juni 2001) unstreitig monatlich 1.670 DM Unterhalt an die Antragsgegnerin gezahlt hat. Davon seien nur monatlich 333 DM aus dem vom Antragsteller bezogenen Arbeitslosengeld zu decken gewesen, so dass er insgesamt 29x (1.670 DM - 333 DM) = 38.773 DM aus dem Abfindungsbetrag gezahlt habe. Um diesen Betrag hat das Berufungsgericht den auszugleichenden Zugewinn des Antragstellers mit der Begründung gekürzt, dies sei erforderlich, aber auch ausreichend, um eine grob unbillige Doppelbelastung zu vermeiden.

III.

Dies hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.

1. Es bedarf letztlich keiner Entscheidung, ob Abfindungen, die einem Arbeitnehmer vor dem Stichtag gewährt worden sind, im Zugewinn stets und in vollem Umfang ausgleichspflichtig sind, und zwar unabhängig von der Art der Ansprüche, die dadurch abgegolten werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1997 - IX ZR 37/97, MDR 1998, 245 = FamRZ 1998, 362). Insoweit kann auch dahinstehen, ob es - mit dem Berufungsgericht - als gerechtfertigt anzusehen ist, den ggf. auszugleichenden Zugewinn gem. § 1381 BGB um den Teilbetrag der Abfindung zu kürzen, den der Ausgleichspflichtige bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zugewinnausgleich dazu verwandt hat, Unterhalt an den Ausgleichsberechtigten zu zahlen. Denn durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung ist der Antragsteller und Revisionskläger nicht beschwert.

2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Antragsteller auf Grund einer in der Trennungszeit getroffenen Vereinbarung der Parteien monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 1.670 DM (davon 370 DM durch Übernahme der Leasingraten für den Pkw der Antragsgegnerin) zahlte, nach Einstellung dieser Zahlungen zum Jahresende 1998 durch einstweilige Anordnung verpflichtet wurde, diese Zahlungen ab 1.2.1999 wieder aufzunehmen, und seitdem monatlichen Unterhalt von 1.670 DM an die Antragsgegnerin zahlt.

Dies lässt den bereits in erster Instanz vom FamG gezogenen Schluss zu, dass die Parteien mit ihrer Unterhaltsvereinbarung, zumindest aber mit der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers (30.11.1998) stillschweigend getroffenen Vereinbarung, sie unverändert beizubehalten bzw. wieder in Kraft zu setzen, den an die Stelle laufenden Arbeitseinkommens getretenen Abfindungsbetrag einvernehmlich als unterhaltsrelevant angesehen haben. Denn es lag - wie auch die fiktive Unterhaltsberechnung des Berufungsgerichts auf der Grundlage des ab Februar 1999 vom Antragsgegner bezogenen Arbeitslosengeldes zeigt - auf der Hand, dass eine Unterhaltsverpflichtung in dieser Höhe für die Zukunft nur in Betracht kam, wenn die Abfindung in die Unterhaltsregelung einbezogen wurde.

Mit einer solchen Vereinbarung können die Parteien im Rahmen der Privatautonomie (§ 1408 Abs. 1 BGB) eine Abfindung durch Ehevertrag dem güterrechtlichen Ausgleich entziehen und stattdessen ihren unterhaltsrechtlichen Ausgleich vereinbaren. Die hier getroffene Vereinbarung entspricht zwar nicht der erforderlichen Form eines Ehevertrages. Gleichwohl steht sie dem von der Antragsgegnerin begehrten Ausgleich der Abfindung im Wege des Zugewinnausgleichs nach Treu und Glauben entgegen, soweit die Antragsgegnerin sich damit in Widerspruch zu der früheren Vereinbarung setzt, auf Grund derer sie bereits erhebliche Zahlungen erhalten hat und an der sie ersichtlich auch nach Geltendmachung ihres Zugewinnausgleichsanspruchs festhält.

Eine solche zweifache Teilhabe an der Abfindung, nämlich sowohl unterhaltsrechtlich als auch güterrechtlich, widerspräche dem Grundsatz, dass ein güterrechtlicher Ausgleich nicht stattzufinden hat, soweit eine Vermögensposition bereits auf andere Weise, sei es unterhaltsrechtlich oder im Wege des Versorgungsausgleichs, ausgeglichen wird (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2002 - XII ZR 27/00, MDR 2003, 334 = BGHReport 2003, 276 = FamRZ 2003, 432 [433] m.N.).

3. Der Senat ist nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden. Das Berufungsgericht hat nämlich - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, welche Vorstellungen der Parteien im Einzelnen der Unterhaltsvereinbarung zu Grunde lagen. Insbesondere fehlen Feststellungen dazu, ob mit dem vereinbarten Unterhalt die gesamte Abfindung als ausgeglichen gelten sollte oder ggf. nur der noch zu berechnende Teil, der bei verzinslicher Anlage benötigt wird, um den Unterhalt der Antragsgegnerin und den eigenen Unterhalt des Antragstellers bis zu dessen Rentenbezug zu decken.

Der Rechtsstreit war daher im Umfang der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es diese Feststellungen nachholen und den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag hierzu gewähren kann. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu klären haben, ob der Antragsteller den vereinbarten Unterhalt auch über den 30.6.2001 hinaus unverändert weitergezahlt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1176408

NJW 2004, 2675

BGHR 2004, 1424

FamRZ 2004, 1352

FamRZ 2004, 1866

FuR 2005, 39

ZAP 2004, 1025

FPR 2004, 576

MDR 2004, 1120

FamRB 2004, 314

NJW-Spezial 2004, 204

FK 2004, 163

JWO-FamR 2004, 241

KammerForum 2004, 320

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