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BGH Urteil vom 14.06.2005 - VI ZR 181/04

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensfälle vor 01.08.2002. Darlegungs- und Beweislast. Haftungsprivileg § 828 Abs. 2 BGB Fassung: 2002-07-19

 

Leitsatz (amtlich)

Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 (BGBl. I 2674) führt nicht zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast für Schadensfälle, die sich vor dem 1.8.2002 ereignet haben.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 828 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Entscheidung vom 27.05.2004; Aktenzeichen 15 U 208/03)

LG Köln

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des OLG Köln v. 27.5.2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger, ein überörtlicher Sozialhilfeträger, nimmt die Beklagte aus gem. § 116 SGB X übergegangenem Recht auf Erstattung von Aufwendungen und Feststellung der zukünftigen Haftung aus Anlass eines Verkehrsunfalls in Anspruch.

Am 5.6.1993 lief der damals 8-jährige Jens G., der zuvor mit drei anderen Kindern in einer breiten Parklücke gestanden hatte, gegen einen mit einer Geschwindigkeit zwischen 25 und 40 km/h vorbeifahrenden Pkw, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war. Jens wurde schwer verletzt und ist seitdem zu 100 % behindert. Auf seine Klage wurde durch Urteil des LG K. v. 22.11.1995 rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit der Führerin des Fahrzeuges verpflichtet ist, dem Geschädigten 2/3 aller ihm zukünftig erwachsenden Schäden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit nicht der Anspruch auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist. Der Kläger begehrt vollumfänglichen Ersatz der von ihm übernommenen Kosten für die Heil- und Rehabilitationsbehandlung sowie die fortdauernde Unterbringung des Geschädigten. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 2/3 der geltend gemachten Aufwendungen verurteilt und dem Feststellungsbegehren mit einer entsprechenden Quote entsprochen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger müsse sich gem. § 254 BGB i.V.m. § 828 Abs. 2 BGB a.F. ein mit 1/3 zu bemessendes Mitverschulden des Geschädigten anrechnen lassen. Dessen mangelnde Zurechnungsfähigkeit sei weder dargelegt noch bewiesen. Allein die Berufung auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und das Alter des Kindes zum Unfallzeitpunkt reiche dafür nicht aus. Die der Neuregelung von § 828 Abs. 2 BGB zu Grunde liegenden Erkenntnisse führten nicht zu einer Änderung der Beweislage für die vor dem In-Kraft-Treten dieser Norm eingetretenen Schadensfälle. Soweit der Kläger Ersatz für die zeitlich nach der Entscheidung des Vorprozesses erbrachten Aufwendungen verlange, stehe seiner Mehrforderung die Rechtskraft des seinerzeit ergangenen Urteils entgegen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Verletzten bejaht und dieses mit einem Drittel bemessen hat.

a) Da das schädigende Ereignis vor dem 1.8.2002 eingetreten ist, bestimmt sich die Mitverantwortung des geschädigten Kindes (§ 254 BGB) gem. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach der Vorschrift des § 828 BGB in der vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 (BGBl. I, 2674) geltenden Fassung. Nach § 828 Abs. 2 BGB a.F. ist, wer das Siebente, aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, für einen Schaden nicht verantwortlich, wenn er zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Die Einsichtsfähigkeit wird danach vom Gesetz vermutet. Ihr Fehlen ist eine Ausnahme, deren Vorliegen der Minderjährige im konkreten Fall darlegen und beweisen muss (BGH, Urt. v. 23.12.1953 - VI ZR 166/52, JZ 1954, 297 [298]; Urt. v. 27.1.1970 - VI ZR 157/68, VersR 1970, 374; Urt. v. 10.3.1970 - VI ZR 182/68, VersR 1970, 467 [468]; Urt. v. 28.2.1984 - VI ZR 132/82, MDR 1985, 40 = VersR 1984, 641 [642]; Urt. v. 29.4.1997 - VI ZR 110/96, MDR 1997, 739 = VersR 1997, 834 [835]).

b) An dieser Rechtslage hat sich für die Beurteilung der vor In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung erfolgten Schadensfälle nichts geändert. Das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften sieht keine rückwirkende Geltung für "Altfälle" vor (OLG Celle, Urt. v. 17.7.2003, mit BGH, Beschl. v. 20.1.2004 - VI ZR 248/03, r + s 2004, 475). Das wird von der Revision auch nicht verkannt. Sie meint jedoch, die Neufassung der Vorschrift des § 828 Abs. 2 BGB habe nur klarstellende Funktion. Der Gesetzgeber habe damit lediglich nachvollzogen, dass nach neuen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie einer Haftung von Kindern bis zum zehnten Lebensjahr kindliche Eigenheiten entgegenstünden. Deswegen sei bei Verkehrsunfällen im Straßenverkehr von einer mangelnden Einsichtsfähigkeit auszugehen. Im Streitfall hätte mithin die Beklagte Anhaltspunkte für das Vorhandensein der Einsichtsfähigkeit vortragen und unter Beweis stellen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Richtig ist, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Ausnahmevorschrift des § 828 Abs. 2 BGB dem Umstand Rechnung getragen hat, dass Kinder bis zur Vollendung ihres zehnten Lebensjahres regelmäßig überfordert sind, die besonderen Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen, insb. die Entfernungen und Geschwindigkeiten von anderen Verkehrsteilnehmern richtig einzuschätzen und sich den Gefahren entsprechend zu verhalten. Dabei hat er sich von der Erkenntnis leiten lassen, dass Kinder in diesem Alter wegen ihres Lauf- und Erprobungsdrangs, ihrer Impulsivität, Affektreaktionen, mangelnden Konzentrationsfähigkeit und ihrem gruppendynamischen Verhalten oft zu einem verkehrsgerechten Verhalten nicht in der Lage sind (BT-Drucks. 14/7752, 16 [26]). Der Gesetzgeber hat damit Gesichtspunkte aufgegriffen, mit denen in den vorangegangenen rechts- und verkehrspolitischen Diskussionen die Forderung begründet wurde, den Beginn der Deliktsfähigkeit generell, zumindest aber bei sämtlichen Verkehrsunfällen auf das Alter von zehn Jahren heraufzusetzen (BGH v. 30.11.2004 - VI ZR 335/03, BGHReport 2005, 357 = MDR 2005, 506 = VersR 2005, 376 f.; Urt. v. 30.11.2004 - VI ZR 365/03, BGHReport 2005, 360 m. Anm. Schiemann = VersR 2005, 380; Urt. v. 21.12.2004 - VI ZR 276/03, VersR 2005, 378). Der gesetzlichen Neuregelung kann jedoch nicht entnommen werden, dass Kindern bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres bei Unfällen im motorisierten Straßenverkehr regelmäßig die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht i.S.v. § 828 Abs. 2 BGB a.F. fehlt. Das mag zwar der Fall sein, soweit Kinder dieser Altersgruppe etwa im Hinblick auf ihre psychomotorischen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, sich verkehrsgerecht zu verhalten. Es trifft aber nicht zu, wenn sieben- bis zehnjährige Kinder sich deshalb nicht verkehrsgerecht verhalten, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Impulsivität zu bändigen. Um eine klare Grenzlinie für die Haftung von Kindern zu ziehen, hat der Gesetzgeber diese Fallgestaltungen einheitlich in der Weise geregelt, dass er die Altersgrenze der Deliktsfähigkeit von Kindern für den Bereich des motorisierten Verkehrs generell heraufgesetzt hat, ohne hierfür jedoch eine Rückwirkung anzuordnen. Für "Altfälle" bedeutet dies, dass die anerkannten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auch nach der gesetzlichen Neuregelung unverändert fortgelten.

c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger das Fehlen der Einsichtsfähigkeit des geschädigten Kindes nicht dargelegt habe, wird von der Revision nicht angegriffen. Sie wendet sich auch nicht näher gegen die tatrichterlichen Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht im Anschluss an das LG ein Verschulden des Kindes bejaht und dessen Mitverursachungsanteil mit einem Drittel bewertet hat.

2. Da die Revision aus den aufgezeigten Gründen keinen Erfolg hat, ist nicht zu prüfen, ob die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts zutrifft, der Mehrforderung des Klägers stehe auch die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils entgegen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1384096

NJW 2005, 3782

BGHR 2005, 1246

FamRZ 2005, 1562

NJW-RR 2005, 1263

DAR 2005, 510

MDR 2005, 1286

NZV 2005, 460

VRS 2005, 253

VersR 2005, 1154

ZfS 2005, 486

NJW-Spezial 2005, 448

SVR 2009, 19

ZGS 2005, 314

r+s 2005, 394

ProzRB 2005, 283

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