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BGH Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 341/17

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Leitsatz (amtlich)

Eine Kumulation von Nutzungsersatz und Prozesszinsen für den nach § 812 Abs. 1 BGB erlangten Geldbetrag scheidet auch dann aus, wenn der Bereicherungsschuldner der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen ist (Weiterführung von BGH, Urt. v. 12.5.1998 - XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529, 2531).

 

Normenkette

BGB § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 291

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 01.12.2017; Aktenzeichen 21 U 23/16)

LG Berlin (Urteil vom 08.02.2016; Aktenzeichen 1 O 2/12)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 21. Zivilsenats des KG vom 1.12.2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 17.333,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 17.046,84 EUR seit dem 1.2.2012 und aus 286,37 EUR seit dem 14.8.2012 verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 1 des LG Berlin vom 8.2.2016 zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten bleibt zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 75 % und die Beklagte 25 %.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger kaufte im Jahr 1999 von der Beklagten eine Eigentumswohnung. Den Kaufpreis von 126.442 EUR zahlte er am 1.9.1999. Im Jahr 2007 verurteilte das KG die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises abzgl. der mit der Wohnung verbundenen Gebrauchsvorteile des Klägers, mithin zur Zahlung von 96.015,73 EUR nebst 4 % Zinsen gem. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB i.V.m. § 291 BGB a.F. seit dem 1.9.1999 Zug um Zug gegen Rückauflassung und Herausgabe der Wohnung, da der Kaufvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden und daher nichtig sei. Am 27.7.2007 zahlte die Beklagte diesen Betrag zurück. Außerdem zahlte sie dem Kläger die für die Zeit vom 1.9.1999 bis 27.7.2007 ausgeurteilten Zinsen von 30.398,84 EUR.

Rz. 2

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger - soweit hier von Interesse - auf der letzten Stufe der von ihm erhobenen Stufenklage Herausgabe der von der Beklagten aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen. Das LG hat der Klage i.H.v. 17.333,21 EUR stattgegeben. Das KG hat dem Kläger Nutzungsersatz i.H.v. 47.732,05 EUR nebst Zinsen zugesprochen.

Rz. 3

Mit der von dem KG zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 4

Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger gem. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 987 BGB ein Anspruch auf Herausgabe von aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen in Form ersparter Zinsen zu. Unter Zugrundelegung eines geschätzten Zinssatzes von 4,8 % für 85 Monate und von 4,5 % für weitere 10 Monate habe die Beklagte im Zeitraum vom 1.9.1999 bis zum 27.7.2007 aus dem erlangten Kaufpreis Nutzungen i.H.v. 47.732,05 EUR gezogen. Hierauf seien die von der Beklagten auf den Kaufpreis für die Zeit vom 1.9.1999 bis zum 27.7.2007 an den Kläger geleisteten Zinsen gem. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB i.V.m. § 291 BGB a.F. von 4 %, mithin 30.398,84 EUR, nicht anzurechnen. Zwar stehe nach der Rechtsprechung des BGH dem Gläubiger neben dem Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB nicht auch noch ein Anspruch auf Prozesszinsen zu. Diese Rechtsprechung könne jedoch keine Anwendung finden, wenn der Empfänger des Geldbetrages - wie hier - bei Leistungsempfang bösgläubig gewesen sei. Die in §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB enthaltenen Regelungen räumten dem Leistenden bei Bösgläubigkeit des Empfängers einen Anspruch auf Verzugs- bzw. Prozesszinsen unabhängig von tatsächlichen Nutzungen oder ersparten Aufwendungen ein. Wenn der bösgläubige Empfänger darüber hinaus auch noch Nutzungen aus der Leistung gezogen habe, habe er diese gesondert zu erstatten.

II.

Rz. 5

Die Revision der Beklagten, die sich infolge der zulässigerweise beschränkten Revisionszulassung (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 198/14, NJW 2015, 3371 Rz. 7) nur dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die von ihr auf den Kaufpreisrückzahlungsanspruch geleisteten Prozesszinsen von 30.398,84 EUR nicht auf den Anspruch des Klägers auf Herausgabe der aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen von 47.732,05 EUR (§§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 987 BGB) angerechnet hat, ist in der Hauptsache begründet.

Rz. 6

1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach der Rechtsprechung des BGH steht dem Bereicherungsgläubiger neben dem Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB aus einem rechtsgrundlos überlassenen Geldbetrag nicht kumulativ ein Anspruch auf Prozesszinsen für den überlassenen Geldbetrag zu. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Prozesszinsen die Funktion haben, den Nachteil auszugleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Durch die Zuerkennung des Anspruchs auf Herausgabe gezogener Nutzungen ist dieser Nachteil ausgeglichen. Die zusätzliche Zubilligung von Prozesszinsen würde den Bereicherungsgläubiger ohne Grund besser stellen, als er bei rechtzeitiger Zahlung gestanden hätte (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1998 - XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529, 2531; Urt. v. 25.4.2017 - XI ZR 573/15, NJW 2017, 2104 Rz. 44). Daher kommt für ein und denselben Zeitraum entweder nur der Anspruch auf Nutzungsersatz oder nur der Anspruch auf Prozesszinsen - je nach dem, welcher für den Gläubiger günstiger ist - zum Tragen (vgl. Büttner, BB 1970, 233, 236).

Rz. 7

2. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts scheidet eine Kumulation von Nutzungsersatz und Prozesszinsen für den nach § 812 Abs. 1 BGB erlangten Geldbetrag auch dann aus, wenn der Bereicherungsschuldner - wie hier - der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen ist.

Rz. 8

Bei der verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB wird der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten wie ein rechtshängiger Anspruch behandelt, was u.a. zur Anwendung der Regeln über die Zahlung von Prozesszinsen (§ 291 BGB) führt (vgl. BGH, Urt. v. 1.2.2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rz. 14). Damit schuldet der bösgläubige Bereicherungsschuldner Prozesszinsen nicht erst ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs nach § 812 Abs. 1 BGB, sondern schon ab den in § 819 Abs. 1 BGB angegebenen Zeitpunkten, weil er ab Kenntniserlangung von dem mangelnden Rechtsgrund auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs nicht vertrauen darf (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rz. 13). Durch diese zeitliche Vorverlagerung der Pflicht zur Zahlung von Prozesszinsen verändert sich aber nicht deren Funktion als Nachteilsausgleich. Auch bei einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner haben Prozesszinsen allein den Zweck, für einen Ausgleich der dem Gläubiger durch die Vorenthaltung des ihm zustehenden Geldbetrages entstehenden Nachteile zu sorgen. An die Vorenthaltung des nach § 812 Abs. 1 BGB herauszugebenden Geldbetrages knüpft aber auch die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen an - unabhängig davon, ob sie ihre Grundlage in § 818 Abs. 1 BGB oder in §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 3, 987 BGB hat. Sie unterwirft die dem Bereicherungsschuldner aus dem erlangten Geldbetrag zugeflossenen Vorteile der Herausgabepflicht und hat damit ebenso wie Prozesszinsen eine Ausgleichsfunktion für die Vorenthaltung von Kapital. Könnte der Bereicherungsgläubiger im Falle der verschärften Haftung des Schuldners nach § 819 Abs. 1 BGB für den von diesem nach § 812 Abs. 1 BGB herauszugebenden Geldbetrag kumulativ Prozesszinsen und Nutzungsersatz verlangen, stünde er besser, als wenn der Bereicherungsschuldner ihm den Geldbetrag sofort mit der Kenntniserlangung von dem mangelnden Rechtsgrund wieder zurückgezahlt hätte; in letzterem Fall könnte der Bereicherungsgläubiger aus dem Geldbetrag selbst nicht doppelt Vorteile ziehen. Brächte man sowohl Prozesszinsen als auch Nutzungsersatz in Ansatz, erhielte der Bereicherungsgläubiger dagegen doppelten Ausgleich, so dass der Verpflichtung zur Zahlung von Prozesszinsen anstelle eines Kompensationscharakters ausschließlich Strafcharakter zukäme (vgl. Büttner, BB 1970, 233, 236). Dies ist jedoch weder mit der Funktion von Prozesszinsen noch mit dem Grund der Haftungsverschärfung in § 819 Abs. 1 BGB zu vereinbaren, der darin besteht, dass den Bereicherungsschuldner ab Kenntniserlangung von dem mangelnden Rechtsgrund gesteigerte Sorgfaltspflichten im Umgang mit dem Erlangten treffen und er gleichsam als "Verwahrer fremden Guts" angesehen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rz. 13). Eine Bestrafungsfunktion kommt der Regelung des § 819 Abs. 1 BGB dagegen nicht zu.

Rz. 9

3. Danach hat sich der Kläger auf seinen Anspruch auf Nutzungsersatz i.H.v. 47.732,05 EUR die bereits vereinnahmten Prozesszinsen von 30.398,84 EUR anrechnen zu lassen, so dass ihm in der Hauptsache nur der von dem LG zuerkannte Zahlungsanspruch von 17.333,21 EUR zusteht.

Rz. 10

4. Der von dem Berufungsgericht zuerkannte Anspruch des Klägers auf Zahlung von Prozesszinsen auf die herauszugebenden Nutzungen beruht auf § 291 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.2017 - XI ZR 573/15, NJW 2017, 2104 Rz. 44); hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.

III.

Rz. 11

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13142395

BB 2019, 1345

NJW 2019, 2851

FA 2019, 227

WM 2019, 2213

ZAP 2019, 665

ZfIR 2019, 465

JuS 2019, 1020

MDR 2019, 855

VersR 2019, 1239

RÜ 2019, 425

BBB 2019, 52

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