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BGH Urteil vom 10.02.1998 - XI ZR 72/97

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Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 09.01.1997)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Teilurteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 9. Januar 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Freistellungsanspruch der Kläger im Zusammenhang mit der von ihnen bestellten Grundschuld.

Die Grundschuld über 250.000 DM wurde im Jahre 1988 von den Klägern auf ihrem Grundstück zugunsten der Raiffeisen-K.-Bank e.G. als Sicherheit für deren gegenwärtige und künftige Ansprüche aus der Geschäftsbeziehung mit dem Sohn der Kläger und dessen Ehefrau – der Beklagten – bestellt. In einer privatschriftlichen Vereinbarung zwischen den Klägern und ihrem Sohn sowie der Beklagten vom 3./4. August 1988 wurde niedergelegt, daß im Innenverhältnis mit der zu bestellenden Grundschuld nur drei im einzelnen bezeichnete Kredite über 100.000 DM, 90.000 DM und höchstens 35.000 DM gesichert werden sollten. In Nr. 4 der genannten Vereinbarung verpflichteten sich die Beklagte und ihr Ehemann, die Kläger „auf deren jederzeitiges Verlangen hin sofort aus der Haftungsübernahme gegenüber der Raiffeisen-K.-Bank e.G. zu befreien”.

Nach dem Scheitern der Ehe der Beklagten nahmen die Kläger die Beklagte wegen einer Haftungsentschädigung in Höhe von 10.521 DM sowie aus der Freistellungsvereinbarung auf Zahlung von 125.000 DM in Anspruch. Nach entsprechender Änderung des Klageantrages verurteilte das Landgericht die Beklagte, „die Kläger als Gesamtgläubiger von allen Verbindlichkeiten” der Beklagten und ihres Ehemannes „gegenüber der Raiffeisen-K.-Bank e.G. in B. in Höhe eines Betrages von 125.000 DM nebst Zinsen in Höhe von 7,98% jährlich freizustellen”.

In der Berufungsinstanz wurde unstreitig, daß sämtliche Verbindlichkeiten bei der Raiffeisen-K.-Bank e.G. abgelöst worden sind und Inhaberin der Grundschuld nunmehr die Commerzbank ist. Da die Kläger ihren Freistellungsantrag trotz entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung nicht umstellten, wies das Berufungsgericht die Klage insoweit durch das angefochtene Teilurteil unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils ab. Dagegen wendet sich die auf Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils gerichtete Revision der Kläger.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Es könne offenbleiben, ob die Klage trotz fehlender Bezeichnung der von dem Freistellungsbegehren betroffenen Verbindlichkeiten und ihres Bestandes zulässig und begründet gewesen sei. Nachdem der Sohn der Kläger die gesicherten Forderungen mit Wirkung auch für die Beklagte abgelöst habe, sei eine Befreiung der Kläger von der dinglichen Belastung durch Zahlung an die Raiffeisen-K.-Bank e.G. nicht mehr möglich; diese habe im übrigen die Grundschuld zurückgewährt. Da die Kläger ihren Antrag „trotz einer eingehenden diesbezüglichen Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung” der neuen Situation nicht angepaßt hätten, sei die Klage, die jedenfalls jetzt unbegründet geworden sei, insoweit abzuweisen gewesen.

II.

Die gegen diese Auffassung gerichteten Angriffe greifen jedenfalls im Ergebnis nicht durch.

Die Revision vertritt die Ansicht, bei zutreffender Auslegung des Klageantrages richte sich das Freistellungsbegehren auch auf die dingliche Haftung der Kläger gegenüber der Commerzbank, denn die Kläger hätten ersichtlich Freistellung von der dinglichen Haftung unabhängig von der Person des jeweiligen Sicherungsnehmers verlangt. Nach ihrer Darstellung hätten die Kläger auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts beantragt, die Beklagte zu verurteilen, sie (die Kläger) hinsichtlich der Hälfte des Haftungsbetrages und der Zinsen von ihrer Haftung aus der Grundschuld zu befreien.

Damit können sie nicht gehört werden. Zwar trifft es zu, daß Prozeßerklärungen so auszulegen sind, daß im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (Senatsbeschluß vom 8. Oktober 1991 – XI ZB 6/91, NJW 1992, 243 m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 10. März 1994 – IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537, 1538). Hier geht es aber nicht um die Auslegung des Klageantrages, sondern um seine Anpassung an die geänderte Situation, die sich aus der Ablösung der im Klageantrag genannten Verbindlichkeiten durch den Sohn der Kläger ergeben hatte.

Der Antrag, den die Kläger nach ihrer Revisionsbegründung nunmehr als sachgerecht ansehen, ohne ihn allerdings zu stellen, deckt sich keineswegs mit dem in den Tatsacheninstanzen verfolgten. Während dort eine Verringerung der persönlichen Schulden der Beklagten und ihres Ehemannes um 125.000 DM nebst 7,98% Zinsen verlangt worden war, obwohl die Grundschuld nach der Vereinbarung zwischen den Parteien mit höchstens 225.000 DM valutiert werden durfte und nach den während des Rechtsstreits vorgelegten Urkunden die in der Vereinbarung aufgeführten Darlehen teilweise zurückgeführt waren, wird nunmehr eine Reduzierung der dinglichen Haftung auf die Hälfte des Betrages von 250.000 DM nebst 15% Zinsen begehrt. Der ursprüngliche – vom Landgericht zuerkannte – Freistellungsanspruch hätte also möglicherweise zu einer verbleibenden Haftung der Kläger von weniger als 100.000 DM geführt (225.000 DM abzüglich 125.000 DM ohne Berücksichtigung von Tilgungen), während der von der Revision erstmals als von Anfang an gewollt qualifizierte Antrag die Beklagte – da es an jeglichem Vortrag zur Höhe des nunmehr gesicherten Kredits fehlt – unter Umständen mit weit mehr als 125.000 DM belasten würde.

Die Divergenz zeigt deutlich, daß die Revision nicht der Klarstellung des durch bloße Auslegung zu ermittelnden Antragsziels dient, sondern die notwendige Anpassung an die durch die Umschuldung veränderte Sachlage nachholen will. Das ist ihr verwehrt. Weist das Gericht im Anwaltsprozeß auf eine für erforderlich gehaltene Anpassung der Anträge an eine veränderte Sachlage hin, so ist es zunächst Sache der Partei, diese Anpassung in eigener Verantwortung vorzunehmen. Mißachtet sie den Hinweis des Gerichts, so muß sie sich an den von ihr gestellten unzulänglichen Anträgen festhalten lassen; sie kann sich in der Revisionsinstanz nicht darauf berufen, daß das Tatsachengericht ihre Anträge unter Zugrundelegung anerkannter Auslegungsgrundsätze selbst hätte umformulieren können.

III.

Die Revision der Kläger war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Schramm ist erkrankt und kann deshalb nicht unterschreiben Schimansky, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. Müller

 

Fundstellen

Haufe-Index 2833560

NJW-RR 1998, 1005

WM 1998, 858

WuB 1998, 775

WuB 1998, 825

ZIP 1998, 858

ZBB 1998, 185

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