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BGH Urteil vom 02.03.2017 - VII ZR 154/15

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Leitsatz (amtlich)

Für eine Zurückverweisung durch das Berufungsgericht gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügt es nicht, dass den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist und danach möglicherweise eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme erforderlich wird (Anschluss an BGH, Urt. v. 14.5.2013 - II ZR 76/12, NJW-RR 2013, 1013; Urt. v. 22.1.2016 - V ZR 196/14, NJW 2016, 2274).

 

Normenkette

ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 24.06.2015; Aktenzeichen 13 U 2533/14 Bau)

LG Traunstein (Urteil vom 27.06.2014; Aktenzeichen 8 O 2074/11)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG München vom 24.6.2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten über den der Klägerin für Erdarbeiten zustehenden Werklohn.

Rz. 2

Im September 2009 schlossen die Parteien einen Einheitspreisvertrag über die Erbringung von Erdarbeiten bei dem Bauvorhaben "Neubau Kaffeerösterei D./I.", wobei nachrangig u.a. die Geltung der VOB/B in der neuesten Fassung vereinbart wurde. Die Klägerin führte diese Arbeiten durch und die Beklagte nahm sie im August 2010 ab. Die Beklagte leistete Abschlagszahlungen i.H.v. insgesamt ca. 506.000 EUR.

Rz. 3

Die Klägerin hat von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns i.H.v. 155.778,84 EUR nebst Zinsen sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die Klägerin sei bereits überzahlt, und hat widerklagend von der Klägerin Rückzahlung von 207.661,74 EUR nebst Zinsen gefordert. Das LG hat die Beklagte nach Beweisaufnahme zur Zahlung von 100.126,77 EUR nebst Zinsen und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt; die weitergehende Klage und die Widerklage hat es abgewiesen.

Rz. 4

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt und ihren Widerklageantrag i.H.v. 192.542,73 EUR nebst Zinsen aufrechterhalten. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten und den Hilfsantrag der Klägerin unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Urteil des LG einschließlich des Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision, mit der sie ihre in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Das Urteil des LG sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das LG eine Überraschungsentscheidung getroffen, Vortrag der Beklagten teilweise nicht berücksichtigt und teilweise zu Unrecht als präkludiert angesehen und zudem seine Hinweispflicht bezüglich der von ihm zugrunde gelegten Anforderungen an die Substantiierung des Beklagtenvortrags verletzt habe.

Rz. 8

Der Rechtsstreit sei nicht entscheidungsreif. Zwar sei die Klage - entgegen der Auffassung des LG - nicht schlüssig, so dass an sich die Voraussetzungen für eine endgültige Klageabweisung gegeben seien. Die Klägerin sei bislang aber nicht auf die fehlende Schlüssigkeit hingewiesen worden, so dass ihr noch Gelegenheit gegeben werden müsse, die Klageforderung schlüssig darzustellen. Auch die Widerklage sei nicht entscheidungsreif. Zwar sei der Vortrag der Beklagten schlüssig. Jedoch sei die Klägerin im Rahmen der von ihr erhobenen Einwendungen bislang ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, ohne dass ihr ein Hinweis und die Möglichkeit zu ergänzendem Vortrag gegeben worden sei.

Rz. 9

In Ausübung des ihm zustehenden Ermessens habe sich das Berufungsgericht für eine Zurückverweisung gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO entschieden. Dabei sei berücksichtigt worden, dass aufgrund der wesentlichen Mängel des erstinstanzlichen Urteils eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme mit der Vernehmung zahlreicher Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten notwendig sei. Die Vernehmung von Zeugen und ggf. die Einholung eines Sachverständigengutachtens würden erforderlich, wenn es der Klägerin gelinge, zur Klage und Widerklage schlüssig vorzutragen.

II.

Rz. 10

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Zurückverweisung der Sache an das LG findet in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO keine Grundlage.

Rz. 11

1. Eine Zurückverweisung gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO setzt voraus, dass aufgrund eines wesentlichen Verfahrensmangels in erster Instanz eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift, den Aufwand mehrfacher Bearbeitung klein zu halten und Verfahrensverzögerungen durch Hin- und Herschieben von Fällen in den Instanzen zu vermeiden, genügt es hierfür nicht, dass den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist und danach möglicherweise eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme erforderlich wird (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2013 - II ZR 76/12, NJW-RR 2013, 1013 Rz. 9 und 11; Urt. v. 22.1.2016 - V ZR 196/14, NJW 2016, 2274 Rz. 19).

Rz. 12

2. Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht gerecht. Dem Berufungsurteil kann die für eine Zurückverweisung gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO erforderliche Feststellung, dass eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig wird, nicht entnommen werden. Das Berufungsgericht hat vielmehr den Vortrag der Klägerin - anders als das LG - als nicht schlüssig bewertet und nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis zunächst ergänzenden Vortrag der Klägerin zu Klage und Widerklage für erforderlich gehalten. Es ist daher lediglich von einer ggf. umfangreichen und aufwendigen Verfahrensfortführung einschließlich einer wahrscheinlichen Beweisaufnahme ausgegangen. Eine Beweisaufnahme ist danach - was im Berufungsurteil auch ausdrücklich ausgeführt wird - erst dann notwendig, wenn es der Klägerin gelingt, zu Klage und Widerklage schlüssig bzw. erheblich vorzutragen.

III.

Rz. 13

Das angefochtene Urteil kann nach alledem nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Rz. 14

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Rz. 15

Sollte die Summe der von der Klägerin schlüssig vorgetragenen Positionen hinter dem von ihr geltend gemachten Schlussrechnungsbetrag zurückbleiben, ließe sich daraus nicht schließen, dass der Vortrag der Klägerin insgesamt unschlüssig wäre. Vielmehr ist die Klage bereits dann teilweise schlüssig, wenn die Summe der Einzelpositionen, zu denen schlüssig vorgetragen wurde, die Summe der Abschlagszahlungen übersteigt (vgl. BGH, Urt. v. 9.1.1997 - VII ZR 69/96, BauR 1997, 468, juris Rz. 7).

 

Fundstellen

Haufe-Index 10556616

NJW 2017, 10

BauR 2017, 1072

FamRZ 2017, 979

NJW-RR 2017, 531

EWiR 2017, 483

IBR 2017, 294

JurBüro 2017, 613

WM 2017, 924

ZAP 2017, 738

JZ 2017, 355

MDR 2017, 842

ZfBR 2017, 354

NZBau 2017, 352

NZBau 2017, 5

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