Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 27.07.2017 - 2 StR 115/17

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 04.11.2016)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 4. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung” unter Einbeziehung mehrerer Einzelgeldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.

Rz. 2

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Rz. 3

a) Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte R. befanden sich am 23. November 2014 gegen 04.30 Uhr auf dem Weg zur Wohnung des R.. Sie kamen dabei am Gelände eines ihnen bekannten Autohauses vorbei. R., der seit einigen Tagen mit dem Gedanken gespielt hatte, in das Autohaus einzusteigen, weihte den Angeklagten in seine Pläne ein und überredete ihn mitzumachen. In Umsetzung ihres sodann gemeinsam gefassten Entschlusses gelangten sie gegen 05.00 Uhr in das Autohaus, überwältigten den schlafenden Inhaber, stülpten ihm ein schwarzes T-Shirt über den Kopf und fesselten ihn mit Klebeband und Kabeln an Händen und Füßen. Sie forderten den Nebenkläger auf, ihnen den Code für den Tresor zu nennen, um an das hierin befindliche Bargeld zu gelangen. Da sie die Zahlenkombination nicht erfuhren, schlugen und traten sie zeitgleich auf den am Boden liegenden Geschädigten ein. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrfach. Der gesondert Verfolgte R. drohte dem Nebenkläger zudem damit, ihm die Finger abzuschlagen und – nachdem er den Geschädigten mit einer (möglicherweise nicht brennbaren) Flüssigkeit übergossen hatte – ihn anzuzünden. Frustriert über die Erfolglosigkeit aller Bemühungen griff R. schließlich – für den Angeklagten überraschend – zu einem „harten” Gegenstand und schlug dem Geschädigten auf den Hinterkopf, so dass dieser zusammenbrach.

Rz. 4

Mit aus den Räumlichkeiten des Autohauses an sich gebrachten 1.750 Euro Bargeld, einem Mobiltelefon und einem Flachbildfernseher verließen schließlich der Angeklagte und der gesondert Verfolgte R. den Tatort mit dem auf dem Hof stehenden Pkw Land Rover des Geschädigten.

Rz. 5

b) Der Angeklagte hat bestritten, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Er habe sich gegen Mitternacht von R. verabschiedet und sei nach Hause gegangen. Gegen 06.00 Uhr habe R. bei ihm geklopft und ihm einen Pkw Land Rover gezeigt. R. habe gefragt, ob er ihm einen Abnehmer für einen Pkw Land Rover, der „von der Straße müsse”, organisieren könne. Der Angeklagte sei interessiert gewesen und habe eine Probefahrt mit dem Fahrzeug unternommen. Nachdem es ihnen nicht gelungen sei, das Fahrzeug bei einem Onkel des R. unterzustellen, hätten sie das Fahrzeug auf einem Feldweg abgestellt, auf dem es dann gefunden wurde. Sie seien sodann zu Fuß zu einer Tankstelle gegangen und später mit einem Bus zurückgefahren. Im Bus habe R. ihm ein Mobiltelefon verkauft, das er später seinem Bruder gegeben habe.

Rz. 6

Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptung gewertet und seine Überzeugung von der Mittäterschaft des Angeklagten im Wesentlichen auf die für glaubhaft erachtete Aussage des gesondert Verfolgten R. gestützt. Diese Aussage werde zudem durch gewichtige Beweisanzeichen bestätigt, nämlich durch im Pkw Land Rover sichergestellte DNA-Spuren des Angeklagten, durch das beim Bruder des Angeklagten sichergestellte Mobiltelefon des Geschädigten und durch Videoaufzeichnungen aus den Überwachungskameras der Tankstelle und des Autohauses. Zwar seien die auf sämtlichen Videoaufzeichnungen abgebildeten Personen mangels entsprechender Schärfe der Aufnahmen nicht zu identifizieren; allerdings stimmten das jeweilige Größenverhältnis der abgebildeten Personen zu demjenigen des Angeklagten und R. überein. Hinzu kommt die Übereinstimmung der von den abgebildeten Personen getragenen Kleidungen (u.a. „dunkleres Base-Cap”, „dicke Jacke”, „dunkle bis schwarze Hose”, „sehr helles Schuhwerk”).

Rz. 7

2. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg; die Beweiswürdigung hält – auch unter Berücksichtigung des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 8

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (Senat, Urteil vom 6. April 2016 – 2 StR 408/15 mwN). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (Senat, aaO). Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 261 Rn. 3 und 38).

Rz. 9

b) Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, denn sie unterlässt die hier notwendige Erörterung eines (weiteren) naheliegenden Falschbelastungsmotivs des gesondert Verfolgten R..

Rz. 10

aa) Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten im Wesentlichen auf die Aussage des R.. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte R. zwar in der gegen ihn gerichteten Strafsache vor dem Jugendschöffengericht noch jegliche Tatbeteiligung abgestritten. In seiner zeugenschaftlichen Vernehmung „in dem gegen den bis dahin als Mittäter verdächtigen” Y. geführten Verfahren habe er aber seine Tatbeteiligung eingeräumt und erstmals den Angeklagten als Mittäter benannt. Diese Einlassung habe er in der in seiner Strafsache durchgeführten Berufungshauptverhandlung, die zu einer gegenüber der erstinstanzlichen Verurteilung um 1 1/2 Jahre reduzierten Einheitsjugendstrafe von vier Jahren geführt hat, wiederholt.

Rz. 11

Im hiesigen Verfahren hat R. erneut den Angeklagten als Mittäter benannt und dabei „die stattgefundenen Gewalthandlungen allein dem Angeklagten zugeschrieben”. Das Landgericht hat zwar der Aussage des R. nicht geglaubt, soweit dieser dem Angeklagten sämtliche Verantwortungsanteile bei der Tatbegehung zugewiesen und er überdies angegeben hat, dass es keinerlei Tatbeute gegeben habe. Soweit R. den Angeklagten indes als Mittäter benannt habe, ist das Landgericht angesichts der weiteren außerhalb der Aussage R.s bestehenden objektiven Umstände – auch mit Blick auf die in der Berufungsinstanz reduzierte Jugendstrafe – von deren Richtigkeit überzeugt.

Rz. 12

bb) Das Landgericht hat insoweit zwar die Möglichkeit einer Falschbelastung des Angeklagten erörtert, jedoch nur unter dem Gesichtspunkt, dass es R. möglicherweise nur darum gegangen sein könnte, einen Strafrabatt zu erhalten. Das Landgericht hat dieses (mögliche) Motiv für eine Falschbelastung mit der Erwägung ausgeschlossen, dass R. zum Zeitpunkt seiner den Angeklagten belastenden Angaben annehmen musste, dass seine Angaben sowohl durch die Ermittlungsbehörden als auch durch die Berufungskammer einer Überprüfung unterzogen würden. Daher habe bei einer unberechtigten Belastung des Angeklagten als Mittäter die Gefahr bestanden, dass sich eine solche Behauptung als unzutreffend erweisen würde, was sich für die erstrebte Herabsetzung der Jugendstrafe als kontraproduktiv erwiesen hätte (UA S. 22 f.).

Rz. 13

cc) Indes übersieht die Strafkammer, dass R. auch ein weiteres Motiv für eine Falschbelastung des Angeklagten als Mittäter gehabt haben könnte. R. hat den Angeklagten erstmalig in einem ursprünglich gegen eine andere Person („Y.”) geführten Ermittlungsverfahren belastet. Das Landgericht legt nicht dar, ob R. dementsprechend einen Grund gehabt haben könnte, Y. zu schützen und gerade deswegen den Angeklagten als Mittäter zu benennen. Es erhellt sich bereits nicht, ob und in welcher Beziehung R. und Y. zueinander stehen, warum – neben R. – in dieser Sache überhaupt gegen Y. ermittelt worden ist und warum sich letztlich „der Verdacht gegen diesen nicht bestätigt” (UA S. 22) hat. Die Mitteilung diesbezüglicher Angaben aber wäre erforderlich gewesen, um überprüfen zu können, ob die Aussage des Zeugen R. geeignet ist, die Einlassung des Angeklagten rechtsfehlerfrei zu widerlegen.

Rz. 14

3. Angesichts dessen, dass die Strafkammer der Aussage des Zeugen R. nur teilweise geglaubt hat und sich weitere außerhalb der Aussage dieses Zeugen bestehende „gewichtige Beweisanzeichen” auch mit der Einlassung des Angeklagten vereinbaren lassen, kann der Senat nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei Einhaltung der verfahrensrechtlich gebotenen Erörterungspflichten zu einer anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten gelangt wäre. Die Sache bedarf daher der Verhandlung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter.

 

Unterschriften

Richter am BGH Dr. Eschelbach ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl, Krehl, Zeng, Richterin am BGH Dr. Bartel ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl, Grube

 

Fundstellen

Haufe-Index 11273100

NStZ-RR 2017, 384

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • zfs 03/2020, Ersatz der Mehrwertsteuer bei Erwerb eines ... / 2 Aus den Gründen:
    3
  • AGS 7/2016, Keine Mutwilligkeit, wenn Rechtswahrnehmung ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • Fahrzeug-Zulassungsverordnung [bis 31.08.2023] / Abschnitt 1 Gemeinsame Vorschriften
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / (4) Sonstige Voraussetzungen
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    1
  • § 22 Handelsregister und Erbfolge / 1. Rechtsübergang in Erbengemeinschaft
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 29 Allgemeine verwaltungsrechtliche Angelegenheiten / 3. Terminsgebühr
    1
  • § 3 Testamentsgestaltung / ee) Behinderungen
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 4 Ehegattenunterhalt / e) Ausbildung
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Datenschutz- und IT-Recht
Datenschutz- und IT-Recht
Bild: Haufe Shop

Ob in Kanzleien, Unternehmen oder der öffentlichen Verwaltung – rechtliche Fragen im digitalen Umfeld sind überall. Wer mit Daten arbeitet, benötigt daher ein solides Verständnis für das Rechtsgebiet. Das Buch bietet einen praxisnahen und zugleich effizienten Einstieg anhand von 36 Beispielfällen.


BGH 5 StR 224/08
BGH 5 StR 224/08

  Verfahrensgang LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 10.12.2007)   Tenor Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Dezember 2007 mit den zugehörigen ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren