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BGH Beschluss vom 26.05.1997 - AnwZ (B) 67/96

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbung der Rechtsanwälte in Zeitungen oder diesen gleichzusetzenden Mitteilungsblättern. Werbung mit Tätigkeitsschwerpunkten

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Der Rechtsanwalt darf in Zeitungen oder diesen gleichzusetzenden Mitteilungsblättern auch ohne besonderen Anlaß unter Angabe seiner Tätigkeitsschwerpunkte werben.
  2. Der Rechtsanwalt darf in derselben Anzeige mit der erworbenen Qualifikation als Fachanwalt und mit Tätigkeitsschwerpunkten werben, sofern beide Aussagen hinreichend voneinander abgesetzt sind und dadurch ein irreführender Eindruck vermieden wird.
  3. Enthält die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten Zusätze, die geeignet sind, den Rechtsanwalt gegenüber Berufskollegen herauszustellen ("Rechtliche und steuerliche Beratung im Verbund"; "Erbrechtliche und erbschaftssteuerliche Beratung aus einer Hand"), handelt es sich um berufsrechtlich unzulässige Werbung.
 

Normenkette

BRAO §§ 43b, 223 Abs. 3, §§ 191a, 59b; BO § 7

 

Tenor

  1. Auf die sofortigen Beschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juli 1996 wie folgt geändert:

    Die Belehrung der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 1995 wird aufgehoben, soweit sie die im August und September 1995 vom Antragsteller im Monatsspiegel für K.-R.-W.-D. veröffentlichten Anzeigen betrifft.

    Im übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

  2. Das weitergehende Rechtsmittel der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
  3. Der Antragsteller hat 1/3, die Antragsgegnerin 2/3 der Gerichtskosten beider Rechtszüge zu tragen. Der Antragsteller hat 1/3, die Antragsgegnerin 2/3 der dem Gegner jeweils entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
  4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000 DM festgesetzt.
 

Gründe

I.

Der seit August 1991 als Rechtsanwalt zugelassene Antragsteller ist Fachanwalt für Steuerrecht. In der August-, September- und Oktoberausgabe 1995 eines in K. erscheinenden privaten Mitteilungsblatts schaltete der Antragsteller jeweils eine der wie folgt gestalteten Werbeanzeigen:

August 1995:

September 1995:

Oktober 1995:

Die Antragsgegnerin erteilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 30. Oktober 1995 die Belehrung, daß er damit nach Anlaß, Inhalt, Umfang und Aufmachung unzulässige Werbung betrieben habe, und forderte ihn auf, entsprechende Anzeigen in Zukunft zu unterlassen. Auf Antrag des Rechtsanwalts hat der Anwaltsgerichtshof diese Belehrung mit Ausnahme der Beanstandung des Hinweises "Zivilrecht" aufgehoben. Dagegen haben beide Parteien die gemäß § 223 Abs. 3 BRAO zugelassene sofortige Beschwerde eingelegt, soweit jeweils zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

II.

Die Antragsgegnerin hat die in den Monaten August und September 1995 vom Antragsteller veranlaßten Werbeanzeigen zu Unrecht beanstandet. In diesem Umfang ist die Beschwerde der Antragsgegnerin daher unbegründet; diejenige des Antragstellers hat dagegen Erfolg.

1.

Am 11. März 1997 ist die auf der Rechtsetzungskompetenz der Satzungsversammlung beruhende (§ 191 a BRAO), gemäß § 59 b BRAO erlassene Berufsordnung für Rechtsanwälte (BO) in Kraft getreten, die auch Bestimmungen enthält, welche die Berufspflichten im Zusammenhang mit der Werbung betreffen (§§ 6 - 10 BO). Diese Vorschriften sind jedoch für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles noch nicht anzuwenden. Sie konkretisieren in zulässiger Weise den in § 43 b BRAO zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsatz und enthalten deshalb ins Einzelne gehende, formalisierte Regelungen, deren Inhalt sich nicht schon durch Gesetzesauslegung herleiten läßt. Da diese Bestimmungen noch nicht galten, als der Antragsteller die von der Kammer beanstandeten Anzeigen veranlaßte, und der Regelung keine Rückwirkung zukommt, ist die Werbung des Antragstellers noch allein an der Grundnorm des § 43 b BRAO zu messen (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 1997 - I ZR 34/95 - Schwerpunktgebiete) und nicht an der Bestimmung des § 7 BO, die weitergehende Voraussetzungen für die Benennung von Tätigkeitsschwerpunkten aufstellt.

2.

Die Vorschrift des § 43 b BRAO erlaubt dem Rechtsanwalt Werbung, die über seine berufliche Tätigkeit nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Die früher aus § 43 BRAO hergeleiteten Grundsätze des Verbots der gezielten Werbung um Praxis und der irreführenden Werbung (vgl. dazu BVerfGE 82, 18, 27 = NJW 1990, 2121, 2123) haben in dieser Bestimmung eine gesetzliche Ausgestaltung gefunden.

3.

Die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten ist nach § 43 b BRAO im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar beruht eine entsprechende Mitteilung lediglich auf der eigenen Einschätzung des werbenden Anwalts. Ihr liegt jedoch ein objektiv nachprüfbarer Sachverhalt zugrunde. Der Hinweis sagt nichts aus über besondere berufliche Fähigkeiten, sondern enthält lediglich die Angabe, in welchen Bereichen der Anwalt seine Tätigkeit vorwiegend ausübt. Auf diese Weise erhalten potentielle Mandanten in angemessener Form eine Information darüber, ob der Anwalt sich in wesentlichem Umfang mit dem Rechtsgebiet befaßt, auf dem sie rechtskundige Hilfe suchen (vgl. BVerfG NJW 1995, 712; AnwBl. 1995, 96; BGH, Beschl. v. 13. September 1993 - AnwSt (R) 6/93, NJW 1994, 141; Urt. v. 16. Juni 1994 - I ZR 66/92, ZIP 1994, 1202, 1213; v. 16. Juni 1994 - I ZR 67/92, NJW 1994, 2284, 2285; v. 18. Januar 1996 - I ZR 15/94, NJW 1996, 852).

4.

§ 43 b BRAO stellt erhebliche Anforderungen an die inhaltliche und formale Gestaltung der Werbung. Unzulässig sind danach alle Maßnahmen, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, am Gewinn orientierten Verhaltens sind. Die Vorschrift untersagt das gezielte Werben durch unaufgefordertes direktes Herantreten an einen bestimmten Personenkreis und darüber hinaus alle reklamehaften, mit einem Herausstellen der eigenen Person verbundenen Werbemethoden (BGHZ 115, 105, 108; BGH, Urt. v. 16. Juni 1994 - I ZR 67/92, NJW 1994, 2284, 2285). Dagegen lassen sich aus der gesetzlichen Regelung keine den Zeitpunkt der Werbung oder die Wahl des Printmediums betreffende Einschränkungen ableiten. Maßgeblich ist im wesentlichen allein, ob die Werbung die nach Form und Inhalt gebotenen Regeln einhält. Eine Anzeige, die den Interessen des Adressatenkreises, eine sachlich angemessene Information zu finden, gerecht wird, formal und inhaltlich unaufdringlich gestaltet ist und keinen Irrtum erregt, ist folglich dem Anwalt grundsätzlich erlaubt.

Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin besteht kein unvereinbarer Gegensatz zwischen Werbung und Information. Auch eine Anzeige, die sich darauf beschränkt, die Rechtsbereiche zu benennen, die der Anwalt hauptsächlich bearbeitet, ist geeignet, ihm neue Mandanten zuzuführen, und ersichtlich auch dazu bestimmt. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 43 b BRAO bestehen gerade darin, einerseits die Werbung auf solche für das Publikum nachvollziehbare und nützliche, rein sachbezogene Maßnahmen zu beschränken, andererseits aber dem Anwalt die Möglichkeit einzuräumen, in dem so gezogenen Rahmen zur Förderung eigener Erwerbstätigkeit sich nach außen zu wenden. Dem Rechtsanwalt, der diese Grenzen nicht überschreitet, stehen Anzeigen in Zeitungen oder diesen gleichzusetzenden Mitteilungsblättern als eine mögliche Werbemaßnahme zur Verfügung. Sie bedürfen keines besonderen Anlasses als Rechtfertigungsgrund.

5.

Die ersten beiden vom Antragsteller veranlaßten Werbeanzeigen entsprechen ohne Einschränkungen den Anforderungen des § 43 b BRAO.

a)

Der Antragsteller hat nicht dadurch einen irreführenden Eindruck hervorgerufen, daß er unter dem Hinweis auf den Fachanwalt für Steuerrecht mehrere Schwerpunktbereiche erwähnt hat. Es ist nicht davon auszugehen, daß das interessierte Publikum die Angabe bestimmter Tätigkeitsbereiche so versteht, als habe der Rechtsanwalt dort eine besondere berufliche Qualifikation erworben (BGH, Urt. v. 13. September 1993 - AnwSt (R) 6/93, NJW 1994, 141; v. 16. Juni 1994 - I ZR 67/92, NJW 1994, 2284, 2285). Der Antragsteller hat unzutreffenden Vorstellungen in dieser Beziehung zudem durch die Gestaltung der Anzeige vorgebeugt. Die Tätigkeitshinweise sind räumlich und drucktechnisch deutlich von der Fachanwaltsbezeichnung abgesetzt; insoweit wurde auch eine geringere Schriftgröße gewählt. Auf diese Weise ist schon optisch eine klare Trennung hergestellt.

b)

Die Anzeigen enthalten keine als solche unzulässigen Angaben. Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof den Hinweis "Wirtschaftsrecht" nicht beanstandet. Für die Angabe "Zivilrecht" kann jedoch nichts anderes gelten.

Die Benennung eines Tätigkeitsschwerpunktes ist zulässig, sofern der Adressatenkreis daraus ersehen kann, auf welchem Gebiet der Anwalt vorwiegend arbeitet. Weitergehende Anforderungen an die inhaltliche Beschreibung stellt § 43 b BRAO nicht. Insbesondere muß sich der Hinweis nicht auf ein inhaltlich eng begrenztes Rechtsgebiet beziehen. Das wäre auch nicht angemessen, weil sonst die Gefahr bestände, daß nur der Anwalt werben darf, welcher auf Spezialgebieten arbeitet, die nur von einem verhältnismäßig kleinen Teil des Publikums nachgefragt werden. Potentielle Mandanten haben auch ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob der Anwalt auf einem weitergesteckten, verschiedene Fächer einschließenden Rechtsgebiet in wesentlichem Umfang tätig ist.

Deshalb hat der Bundesgerichtshof den Begriff "Wirtschaftsrecht" nicht beanstandet (Urt. v. 18. Januar 1996, a.a.O.). Die Angabe "Zivilrecht" ist inhaltlich ebenfalls hinreichend bestimmbar und durch die diesem Bereich zugeordnete Gerichtsbarkeit zusätzlich eingegrenzt. Es trifft auch nicht zu, daß der Mandant nahezu von jedem Rechtsanwalt hinreichende zivilrechtliche Erfahrung erwarten darf, so daß es sich um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten handeln würde (Feuerich-Braun, Bundesrechtsanwaltsordnung 3. Aufl. § 43 b Rn. 10). Es gibt heute eine nicht unerhebliche Zahl von Anwälten, die sich ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend mit Gebieten des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Spezialbereichen befassen, welche nur einen ganz engen Ausschnitt aus dem gesamten Zivilrecht darstellen.

c)

Die Zahl der angegebenen Tätigkeitsbereiche beanstandet die Antragsgegnerin ebenfalls zu Unrecht. Es ist nicht ungewöhnlich, daß ein Rechtsanwalt mehrere berufliche Schwerpunkte gewählt hat und diese sich sowohl auf Gebiete des öffentlichen wie des privaten Rechts erstrecken (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 1996, a.a.O.). Allerdings wird er schon wegen des Umfangs und der Komplexität des modernen Rechts nur verhältnismäßig wenige Gebiete wirklich vertieft bearbeiten können. Schon deshalb müssen sich die Angaben auf wenige Tätigkeitsbereiche beschränken. Das erfordert auch das Informationsbedürfnis der angesprochenen Leser; denn umfangreiche, viele Einzelgebiete einbeziehende Angaben erschweren die Orientierung, wo die Tätigkeitsschwerpunkte des Rechtsanwalts tatsächlich liegen.

In welchem Umfang danach entsprechende Hinweise zulässig sind, läßt sich unmittelbar aus § 43 b BRAO nicht zahlenmäßig festlegen. Die Beantwortung dieser Frage hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Von Bedeutung ist insbesondere, ob der Anwalt allgemeine, inhaltlich umfangreiche, oder sehr eng begrenzte, übersichtliche Tätigkeitsgebiete nennt und die betreffenden Rechtsgebiete zueinander in enger Beziehung stehen oder aus weit voneinander entfernten Bereichen stammen.

Daran gemessen hält sich die Werbung des Antragstellers noch in einem zulässigen Rahmen. Buchführung und Bilanzen sowie Steuererklärungen und Steuerstrafverteidigungen bilden einen Teil des Steuerrechts oder stehen in unmittelbarer, enger Beziehung dazu. Darüber hinaus verbleiben nur Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Zivilrecht. Diese drei Gebiete sind ihrerseits miteinander eng verbunden. Insgesamt betrachtet erscheinen die in den beiden August- und Septemberanzeigen enthaltenen Tätigkeitshinweise geeignet, dem angesprochenen Personenkreis zu verdeutlichen, mit welchen Rechtsbereichen sich der Antragsteller vorwiegend befaßt. Sie enthalten damit für den Adressaten eine brauchbare Information, die über eine reine Sachaussage nicht hinausgeht.

III.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist dagegen begründet, soweit die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs die im Oktober 1995 erschienene Anzeige des Antragstellers betrifft.

1.

Der Rechtsanwalt darf nicht in einer Weise werben, die inhaltlich oder formal über die rein sachbezogene Weitergabe von Information hinausgeht. Jede Aussage, welche sich nicht auf die Angabe der Tätigkeitsschwerpunkte beschränkt, sondern eine Selbsteinschätzung enthält oder durch zusätzliche Mittel die Adressaten zu beeinflussen sucht, enthält Merkmale reklamehafter Anpreisung, die mit dem gesetzlichen Berufsbild des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist (BGHZ 115, 105, 110; BGH, Urt. v. 16. Juni 1994 - I ZR 67/92, NJW 1994, 2284, 2285).

2.

Solche Elemente der Anpreisung sind in der im Oktober 1995 geschalteten Anzeige zu finden. Sowohl der Hinweis "rechtliche und steuerliche Beratung im Verbund" als auch das nachfolgende Beispiel "erbrechtliche und erbschaftssteuerliche Beratung aus einer Hand" beschränken sich nicht auf die Bezeichnung von Tätigkeitsgebieten, auf denen der Antragsteller arbeitet. Diese Aussagen können durch die Zusätze "im Verbund" und "aus einer Hand" beim Adressaten den Eindruck hervorrufen, derjenige, der für die steuerliche und die rechtliche Beratung bisher verschiedene Fachleute in Anspruch genommen hat, tue im eigenen Interesse gut daran, einen Berater zu wählen, der, wie der Kläger, in beiden Bereichen sachkundig ist. Damit zielt die Anzeige darauf ab, nicht nur Information weiterzugeben, sondern auf die Entschließung des interessierten Personenkreises in einer ganz bestimmten Weise einzuwirken. Daneben stellt die Anzeige - wenn auch in dezenter Form - den Antragsteller als Rechtsanwalt in seinen Fähigkeiten gegenüber anderen Kollegen besonders heraus; sie ist geeignet, beim Adressaten die Vorstellung zu begründen, derjenige, der sowohl zivilrechtliche als auch steuerrechtliche Hilfe benötigt, werde beim Antragsteller besonders gut und umfassend beraten. Damit hat die Anzeige den allein zulässigen Bereich bloßer Informationswerbung verlassen.

 

Unterschriften

Deppert

Fischer

Streck

Otten

v. Hase

Kieserling

Christian

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456514

NJW 1997, 2522

GRUR 1997, 765

ZIP 1997, 1514

AfP 1997, 969

MDR 1997, 987

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