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BGH Beschluss vom 14.05.2002 - 3 StR 133/02

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergewaltigung. Widersprüchliches Verhalten der Geschädigten. Annehmen von angebotenen Geldscheinen. der deutschen Sprache nicht mächtiger Schädiger. Verlesung eines privatärztlichen Attests

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verlesung eines privatärztlichen Attests über eine nicht schwere Körperverletzung ist zum Nachweis einer solchen Körperverletzung auch dann zulässig, wenn diese in Tateinheit mit einem weiteren Delikt steht.

2. Widersprüchliches Verhalten einer durch eine Vergewaltigung geschädigten Person, wie z.B. verbale Ablehnung gegenüber dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Schädiger und andererseits durch Einstecken von angebotenen Geldscheinen signalisierte Zustimmung bedarf in der Urteilsbegründung der Erörterung.

 

Normenkette

StPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 09.01.2002)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 9. Januar 2002 – soweit es ihn betrifft –

  1. im Schuldspruch dahin klargestellt, daß das Wort „gemeinschaftlichen” entfällt,
  2. im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer gemeinsam mit seinem jüngeren Cousin begangenen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Sachrüge erhebt, hat nur zum Strafausspruch Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Rüge, das Landgericht habe durch die Verlesung eines privatärztlichen Attestes gegen § 256 Abs. 1 Satz 1 StPO verstoßen, ist zulässig, aber unbegründet. Die Verlesung des Attestes diente ersichtlich dem Nachweis der „blauen Flecken” an den Armen und Beinen der Geschädigten, denn hinsichtlich der Vergewaltigung war der Angeklagte geständig. Die Verlesung eines privatärztlichen Attestes über eine nicht schwere Körperverletzung ist zum Nachweis einer solchen Körperverletzung auch dann zulässig, wenn diese in Tateinheit mit einem weiteren Delikt – hier einer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB – steht (vgl. BGHSt 33, 389, 393). Darauf, ob die Körperverletzung dem Angeklagten in der Anklage vorgeworfen war, in der Urteilsformel zum Ausdruck gekommen ist oder – wie hier – nur bei der Strafzumessung Berücksichtigung findet, kommt es nicht an.

2. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten u.a. berücksichtigt, daß sich die 17-jährige Geschädigte in keiner Weise leichtfertig oder animierend gegenüber dem Angeklagten verhalten habe, vielmehr schon vor ihrer körperlichen Gegenwehr mehrfach durch ein deutliches „Nein” zu verstehen gegeben habe, daß sie keinen sexuellen Kontakt wollte. Unberücksichtigt läßt die Strafkammer aber nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern bei der gesamten Strafzumessung, daß die Geschädigte die vier 10 DM-Scheine, die der der deutschen Sprache nicht mächtige Angeklagte ihr nach und nach auf die Hand geblättert hatte, um sie zu einem sexuellen Kontakt zu bewegen, eingesteckt und gleichzeitig „Danke” gesagt hatte. Zwar hatte die Geschädigte zuvor die durch Zeigen auf einen hinteren Raum unterstützte Frage des Angeklagten „Ficken?” mit „Nein” beantwortet und auch das jeweilige Hinblättern der Geldscheine mit einem lachend ausgesprochenen „Nein” quittiert. Dennoch hätte dieses widersprüchliche Verhalten der Geschädigten, das einerseits verbal ablehnend war, andererseits aber durch das Einstecken des Geldes Zustimmung signalisierte, der Erörterung bedurft. Es ist nicht auszuschließen, daß der Angeklagte das Verhalten – jedenfalls zunächst – als Zeichen eines möglicherweise doch vorhandenen Einverständnisses verstanden haben könnte. Zwar konnte er bei dem eigentlichen Vergewaltigungsgeschehen wegen der erheblichen körperlichen Gegenwehr des Tatopfers nicht mehr von einem Einverständnis ausgehen. Jedoch trifft die zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwägung, das Tatopfer habe sich weder leichtfertig noch animierend verhalten, in dieser Allgemeinheit nicht zu.

Vor dem Hintergrund dieses ambivalenten Verhaltens der Geschädigten ist es auch nicht rechtsbedenkenfrei, wenn die Strafkammer dem Angeklagten, der sich zur Tatzeit erst seit zweieinhalb Monaten in Deutschland aufhielt, ein „durchaus sozialschädliches Frauen- bzw. Mädchenbild” anlastet, das von der Vorstellung geprägt sei, daß mittel- oder westeuropäische Mädchen, die abends alleine ausgingen oder gegenüber Jungen oder Männern nicht die gleiche Zurückhaltung pflegten wie kurdische Mädchen, „leichte Mädchen” und deshalb in sexueller Hinsicht zugänglicher seien. Auch legt die Erwägung, der Angeklagte habe „nicht nur die Hemmschwelle, dem Opfer überhaupt sexuelle Gewalt anzutun, sondern auch die erheblich weitergehende Hemmschwelle, die fortdauernde und heftige Gegenwehr des Opfers zu überwinden” überschreiten müssen, die Besorgnis nahe, das Landgericht habe dem Angeklagten schulderhöhend angelastet, daß er überhaupt eine Vergewaltigung begangen hat.

Die Strafzumessungserwägungen des Urteils insgesamt geben zudem Anlaß zu dem Hinweis, daß der Tatrichter auch bei der Darstellung seiner Strafzumessungserwägungen um Sachlichkeit bemüht sein und moralisierende Wendungen vermeiden sollte, da sie die Gefahr von Mißverständnissen begründen und den Bestand des Urteils gefährden können.

 

Unterschriften

Tolksdorf, Rissing-van Saan, Winkler, von Lienen, Richter am Bundesgerichtshof Becker ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Tolksdorf

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1474578

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