Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 06.12.2011 - II ZB 5/11

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kapitalanleger-Musterverfahren. Bindungswirkung. Sperrwirkung gegen identischen Vorlagebeschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses für das OLG besteht nicht, wenn das Prozessgericht i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG in demselben Musterverfahren bereits zuvor einen Vorlagebeschluss mit identischem Feststellungsziel erlassen hat. In diesem Fall steht die Sperrwirkung des § 5 KapMuG dem Erlass eines weiteren Vorlagebeschlusses entgegen.

 

Normenkette

KapMuG § 4 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, § 5

 

Verfahrensgang

OLG München (Beschluss vom 07.03.2011; Aktenzeichen KAP 2/10)

LG München I (Beschluss vom 28.07.2010; Aktenzeichen 27 O 13854/06)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Kläger gegen den Beschluss des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des OLG München vom 7.3.2011 werden zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 52.631,58 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

I. Die Rechtsbeschwerdeführer machen vor dem LG Schadensersatzansprüche wegen einer unzutreffenden Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) geltend. Auf den Musterfeststellungsantrag der Kläger hat das LG mehrere Vorlagebeschlüsse mit gleichlautendem Feststellungsziel erlassen, um vom OLG beanstandete Fehler des ersten Vorlagebeschlusses zu berichtigen.

Rz. 2

Das LG hat am 12.11.2009 zunächst nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG beschlossen, eine Entscheidung des OLG "herbeizuführen zur beantragten Feststellung, dass die Ad-hoc-Mitteilung vom 22.3.2000 unrichtig war und hierdurch gegen die Beklagten zu 1) und 3) Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründet werden." Mit Beschluss vom 11.3.2010 hat das OLG (OLG München ZIP 2011, 51) diesen Vorlagebeschluss in entsprechender Anwendung der für willkürlich ergangene Verweisungsbeschlüsse zu § 281 ZPO entwickelten Grundsätze aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Prüfung und Entscheidung an das LG zurückgegeben. Dagegen haben die Kläger am 9.4.2010 die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Das LG hat sodann am 27.4.2010 und am 28.7.2010 weitere Vorlagebeschlüsse mit identischem Feststellungsziel erlassen. Den Vorlagebeschluss vom 27.4.2010 hat es mit Beschluss vom 20.1.2011 selbst wieder aufgehoben.

Rz. 3

Den Vorlagebeschluss vom 28.7.2010 hat das OLG mit Beschluss vom 7.3.2011 aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Prüfung und Entscheidung an das LG zurückgegeben. Hiergegen richten sich die vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerden der Kläger. Den Beschluss des OLG vom 11.3.2010 zum Vorlagebeschluss des LG vom 12.11.2009 hat der erkennende Senat inzwischen aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen (BGH, Beschl. v. 26.7.2011 - II ZB 11/10, ZIP 2011, 1790; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

Rz. 4

II. Das OLG hat ausgeführt: Der Vorlagebeschluss vom 28.7.2010 sei schon deshalb aufzuheben, weil seinem Erlass die Sperrwirkung gem. § 5 KapMuG des Beschlusses vom 12.11.2009 entgegenstehe. Dieser Beschluss sei in demselben Ausgangsverfahren zwischen denselben Parteien ergangen und formuliere dasselbe Feststellungsziel. Leide der Vorlagebeschluss - wie hier der Beschl. v. 28.7.2010 - an schweren verfahrensrechtlichen Mängeln, entfalle die in § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG angeordnete Bindung an den Vorlagebeschluss. Insoweit sei die Rechtsprechung zur Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO entsprechend heranzuziehen.

Rz. 5

III. Die Rechtsbeschwerden der Kläger sind statthaft und zulässig. Sie haben aber in der Sache keinen Erfolg. Die in § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 KapMuG angeordnete Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses für das OLG besteht nicht, wenn das Prozessgericht i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG in demselben Musterverfahren bereits zuvor einen Vorlagebeschluss mit identischem Feststellungsziel erlassen hat. In diesem Fall steht die Sperrwirkung des § 5 KapMuG dem Erlass eines weiteren Vorlagebeschlusses entgegen.

Rz. 6

1. Die Rechtsbeschwerden sind statthaft, weil das OLG im ersten Rechtszug sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerden steht nicht entgegen, dass der Vorlagebeschluss nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 KapMuG unanfechtbar ist. Dieser Ausschluss der Anfechtbarkeit gilt nur für den Vorlagebeschluss selbst, nicht aber für eine Entscheidung des OLG, mit der der Vorlagebeschluss aufgehoben wird (BGH, Beschl. v. 26.7.2011 - II ZB 11/10, ZIP 2011, 1790 Rz. 6; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

Rz. 7

2. Die Rechtsbeschwerden sind unbegründet. Das OLG war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 KapMuG an der Aufhebung des Vorlagebeschlusses vom 28.7.2010 gehindert. Der Vorlagebeschluss des Prozessgerichts ist zwar nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 KapMuG für das OLG grundsätzlich bindend. Die Bindung gilt aber nicht uneingeschränkt.

Rz. 8

a) Der erkennende Senat hat sich im vorliegenden Musterverfahren bereits in seinem Beschluss vom 26.7.2011 (II ZB 11/10, ZIP 2011, 1790; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) damit befasst, ob der geltend gemachte Anspruch Gegenstand eines Musterverfahrens sein kann, ob das Feststellungsziel auf die Feststellung des Anspruchs selbst gerichtet ist und ob im Hinblick darauf die Bindungswirkung nicht besteht. Aus den im Beschluss vom 26.7.2011 angeführten Gründen, auf die wegen der insoweit identischen Vorlagebeschlüsse verwiesen werden kann, ist dies nicht der Fall.

Rz. 9

b) Dem Vorlagebeschluss vom 28.7.2010 kommt jedoch deshalb keine Bindungswirkung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 KapMuG zu, weil das LG damit unter Verstoß gegen § 5 KapMuG in demselben Ausgangsverfahren mit denselben Parteien nach dem Vorlagebeschluss vom 12.11.2009 einen weiteren Vorlagebeschluss mit identischem Feststellungsziel erlassen hat.

Rz. 10

Nach § 5 KapMuG ist die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die gem. § 7 KapMuG auszusetzenden Verfahren unzulässig. Durch die Vorschrift soll ausgeschlossen werden, dass ein Prozessgericht durch einen Vorlagebeschluss ein Musterverfahren zu derselben oder zu einer weiteren Anspruchsvoraussetzung einleitet, wenn bereits ein Musterverfahren für die gem. § 7 KapMuG auszusetzenden Verfahren eingeleitet worden ist. Damit sollen parallel laufende Musterverfahren aus prozessökonomischen Gründen vermieden werden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren, BT-Drucks. 15/5091, 24). Demzufolge kann einem Vorlagebeschluss keine Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Halbs. 2 KapMuG zukommen, wenn er unter Verstoß gegen die Sperrwirkung des § 5 KapMuG erlassen wird. Anderenfalls wäre das OLG gezwungen, ein Musterverfahren durchzuführen (§ 6 KapMuG), das entgegen der Intention des § 5 KapMuG gar nicht hätte eingeleitet werden dürfen (ebenso Fullenkamp in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2007, § 5 Rz. 4; a.A. KK-KapMuG/Kruis, § 5 Rz. 16).

Rz. 11

Die Sperrwirkung des § 5 KapMuG, die bereits mit Erlass des ersten Vorlagebeschlusses einsetzt und durch eine nicht rechtskräftige Aufhebung dieses Vorlagebeschlusses durch das OLG nicht entfällt, bindet in jedem Fall das Prozessgericht i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG. Auf den Streit über die Reichweite des § 5 KapMuG (vgl. hierzu KK-KapMuG/Kruis, § 5 Rz. 4 f.; Maier-Reimer/Wilsing, ZGR 2006, 79, 98) kommt es danach nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2899878

BB 2012, 329

BB 2012, 799

DB 2012, 284

EBE/BGH 2012

NJW-RR 2012, 281

EWiR 2012, 217

NZG 2012, 190

WM 2012, 210

ZIP 2012, 269

ZIP 2012, 6

AG 2012, 176

ZBB 2012, 142

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • zfs 03/2020, Ersatz der Mehrwertsteuer bei Erwerb eines ... / 2 Aus den Gründen:
    3
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • Fahrzeug-Zulassungsverordnung [bis 31.08.2023] / Abschnitt 1 Gemeinsame Vorschriften
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 14 Unternehmensumstrukturierungen / a) Muster (Partnerschaftsgesellschaft zur Aufnahme auf eine andere Partnerschaftsgesellschaft ohne Abfindungsangebot)
    1
  • § 14 Vor- und Nacherbfolge / c) Muster: Antrag auf Feststellung des Zustands der zum Nachlass gehörenden Sachen
    1
  • § 15 Erbscheinsverfahren / bb) Personenstandsurkunden
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 29 Allgemeine verwaltungsrechtliche Angelegenheiten / 3. Terminsgebühr
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 4 Ehegattenunterhalt / e) Ausbildung
    1
  • § 9 Erbrechtliche Auskunftsansprüche, Register- und Akte ... / c) Eidesstattliche Versicherung trotz Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Mergers & Acquisitions
Mergers & Acquisitions
Bild: Haufe Shop

M&A-Aktivitäten umfassen ein breites Themenspektrum, zu dem Unternehmenskäufe und -verkäufe, Beteiligungen, Fusionen und Joint Ventures genauso gehören wie strategische Allianzen. Die Motive für M&A-Aktivitäten können vielfältig sein, sie reichen von Wachstum über Restrukturierungen bis zu Nachfolgeregelungen. Über 80 renommierte Autorinnen und Autoren aus Unternehmens- und Rechtsberatung und aus der Wissenschaft analysieren in diesem Praxisbuch den M&A-Markt aus der Markt-, Transaktions- und Rechtsperspektive. Neu ist die Berücksichtigung von Entwicklungen im Kontext Nachhaltigkeit.


Kapitalanleger-Musterverfah... / § 4 Bekanntmachung des Musterverfahrensantrags
Kapitalanleger-Musterverfah... / § 4 Bekanntmachung des Musterverfahrensantrags

  (1) 1Einen zulässigen Musterverfahrensantrag macht das Prozessgericht im Musterverfahrensregister (§ 5) öffentlich bekannt. 2Die Bekanntmachung soll binnen drei Monaten ab Eingang des Antrags erfolgen.  (2) Die Bekanntmachung ist mit dem Datum ihrer ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren