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BFH Urteil vom 30.01.1996 - IX R 83/90 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Abziehbarkeit von Aussetzungszinsen, Verzugszinsen und Prozeßkosten

 

Leitsatz (NV)

1. Aussetzungszinsen sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, wenn der von der Vollziehung ausgesetzte Steuerbescheid Grunderwerbsteuer betrifft, die zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines zur Erzielung von Mieteinkünften dienenden Gebäudes gehört.

2. Verzugszinsen sind Schuldzinsen i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG.

3. Prozeßkosten für eine Auseinandersetzung um den Werklohn für Herstellungsleistungen gehören zu den Herstellungskosten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie sind Eigentümer eines 1978 fertiggestellten Zweifamilienhauses, das sie zum Teil vermieteten, zum Teil selbst nutzten. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1984) machten sie u. a. folgende, im Revisionsverfahren noch streitige Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend:

1. Aussetzungszinsen von ... DM für die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids über die Grunderwerbsteuer, die wegen der Anschaffung des Grundstücks angefallen war;

2. Verzugszinsen von ... DM (Firma S) und von ... DM (Firma D), die für Herstellungsarbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung des Zweifamilienhauses angefallen waren;

3. Gerichts- und Anwaltskosten von ... DM, die wegen Streitigkeiten über die vorgenannten Herstellungsarbeiten entstanden waren.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ließ die Aussetzungszinsen unberücksichtigt. Die Verzugszinsen sowie die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten rechnete er den Herstellungskosten zu.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobene Klage ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 9, 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Kläger beantragen sinngemäß, Aussetzungszinsen von ... DM, Verzugszinsen von insgesamt ... DM sowie Gerichts- und Anwaltskosten von ... DM zusätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision insoweit zurückzuweisen, als die Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von ... DM sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung betreffen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen Änderungsbescheid erlassen, der eine hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags vorläufige Steuerfestsetzung enthält. Die Kläger haben den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§§ 68, 121, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO ist das angefochtene Urteil aufzuheben und in der Sache zu entscheiden.

1. Zu Unrecht hat das FG die strittigen Aussetzungszinsen nicht als Werbungskosten abgezogen. Dies hat nunmehr auch das FA in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Aussetzungszinsen sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abziehbar, wenn -- wie im Streitfall -- der von der Vollziehung ausgesetzte Steuerbescheid Grunderwerbsteuer betrifft, die zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines zur Erzielung von Mieteinkünften dienenden Gebäudes gehört (vgl. Senatsurteil vom 25. Juli 1995 IX R 38/93, BFHE 178, 195, BStBl II 1995, 835). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf dieses Urteil.

2. Ferner hat das FG die strittigen Verzugszinsen zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen. Verzugszinsen sind als Schuldzinsen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zu beurteilen. Der Schadensersatzcharakter hindert nicht, sie steuerrechtlich in vollem Umfang als Entgelt für die vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung anzusehen (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 29. September 1981 VIII R 39/79, BFHE 134, 281, BStBl II 1982, 113; vom 31. März 1987 IX R 53/83, BFH/NV 1987, 645).

3. Zu Recht hat hingegen das FG die Gerichts- und Anwaltskosten, die den Klägern aufgrund der Auseinandersetzungen mit den Firmen D und S erwachsen sind, nicht als Werbungskosten, sondern als Herstellungskosten beurteilt. Prozeßkosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren (Senatsurteil vom 1. Dezember 1987 IX R 134/83, BFHE 152, 237, BStBl II 1988, 431). Sie sind ebenso wie der an die Firmen D und S gezahlte Werklohn als Herstellungskosten zu beurteilen.

4. Da die Vorentscheidung hinsichtlich der strittigen Aussetzungszinsen und Verzugszinsen von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die strittigen Aussetzungszinsen und Verzugszinsen sind als weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen. Die Absetzungen für Abnutzung (AfA) sind entsprechend zu mindern. Außerdem ist gemäß § 32 Abs. 8 EStG 1983 i. d. F. des Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes 1991 (BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665) der erhöhte Kinderfreibetrag von 2 432 DM abzuziehen, den das FA bisher nicht berücksichtigt hatte.

5. Damit ergibt sich folgende Steuerberechnung:

...

 

Fundstellen

Haufe-Index 421266

BFH/NV 1996, 542

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