Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BFH Urteil vom 20.06.1968 - V 134/65

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Leitsatz (amtlich)

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Berichtigung einer Veranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen.

 

Normenkette

AO a.F. §§ 288, 290 Abs. 1; FGO § 118

 

Gründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, der Einspruchsentscheidung und des Sammelberichtigungsbescheids, soweit sie das Jahr 1958 betreffen. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Umsatzsteuerbescheides 1958 nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO sind nicht erfüllt. Es fehlt für die Umsatzsteuerberichtigungsveranlagung 1958 an neuen Tatsachen von einigem Gewicht, weil die Mehrsteuer weder 10 v. H. der ursprünglich veranlagten Steuer noch den Betrag von 1 000 DM erreicht (BFH-Urteil V 180/59 U vom 8. Februar 1962, BFH 74, 610, BStBl III 1962, 225). Die Mehrsteuer beträgt 588,40 DM, die ursprünglich veranlagte Umsatzsteuer 43 306 DM. Ein Ausnahmefall, der nach der Rechtsprechung des Senats (BFH-Urteil V 25/64 vom 28. Juli 1966, BFH 86, 634, BStBl III 1966, 635) bei geringeren Mehrsteuern eine Berichtigungsveranlagung rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Auch hat das FA die Steuerpflichtige nicht, wie für das Jahr 1959 geschehen, vorläufig veranlagt.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO war im Revisionsverfahren zu prüfen, obwohl die Steuerpflichtige eine entsprechende Rüge nicht erhoben hat. Die Frage, ob die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung im Rechtsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahren nur auf Rüge oder von Amts wegen zu überprüfen ist, wird im Schrifttum und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Hübschmann-Hepp-Spitaler (Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 288 AO a. F. Anm. 12 und in neuer Auflage § 115 FGO Anm. 33) und Berger (Der Steuerprozeß, Anm. zu § 290 AO und Steuerberater-Jahrbuch 1961/62 S. 276) halten eine Verfahrensrüge für erforderlich. Die gleiche Ansicht vertreten Tipke-Kruse in der ersten Auflage ihres AO-Kommentars. Dagegen meinen sie in der zweiten Auflage (Anm. 5 zu § 222 und Anm. 6 zu § 288 AO), wie auch Riewald (Reichsabgabenordnung und Steueranpassungsgesetz 1951, § 296 AO, Anm. 2 Abs. 4) und Kühn (Abgabenordnung, 7. Auflage, Anm. 4 zu § 288 - in der 8. Auflage, die die FGO berücksichtigt, wird zu dieser Frage nicht Stellung genommen -) jeweils mit unterschiedlicher Begründung, das Fehlen der Voraussetzungen des § 222 AO sei von Amts wegen zu beachten. Uneinheitlich ist auch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Der RFH entschied im Urteil V A 15/22 vom 9. Juni 1922 (RFH 10, 129), es handele sich nur äußerlich um eine Verfahrensvorschrift, ihrem Inhalt nach dagegen um materielles Recht. Im Urteil V A 238/23 vom 7. Dezember 1923 (RFH 13, 128) wurde der § 212 (jetzt § 222) AO als reine Verfahrensvorschrift bezeichnet. Im Urteil VI A 689/27 vom 14. Dezember 1927 (StuW 1928, 33 -) sah der RFH schon in der Tatsache der Erhebung der Rechtsbeschwerde eine ausreichende Mängelrüge, während er dies im Urteil VI A 478/34 vom 24. Oktober 1934 (StuW 1935, 256) im wesentlichen mit der Begründung verneinte, der Steuerpflichtige sei durch einen "wissenschaftlichen Steuerberater" vertreten gewesen. Der BFH entschied im Urteil IV 319/57 vom 27. April 1961 (HFR 1962, 81, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 454) ohne nähere Begründung, die Nachprüfung der Voraussetzungen einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 AO dürfe im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rüge hin erfolgen.

Nach Ansicht des Senats ist die Prüfung der Voraussetzungen des § 222 AO durch den BFH weder nach den Vorschriften über das Rechtsbeschwerdeverfahren (§§ 285 ff. AO a. F.) noch nach den Vorschriften über das Revisionsverfahren (§§ 115 ff. FGO) von einer Verfahrensrüge abhängig. Zwar läßt sich aus dem Wortlaut der §§ 288 Nr. 2 und 290 Abs. 1 AO a. F. nicht eindeutig entnehmen, ob unter "Verfahren" das gesamte Besteuerungsverfahren oder das Verfahren vor dem FG gemeint war. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat diese Vorschriften aber fast ausschließlich auf Mängel des finanzgerichtlichen Verfahrens angewendet, woraus geschlossen werden kann, daß unter "Verfahren" in den Vorschriften über die Rechtsbeschwerde in der alten AO das finanzgerichtliche Verfahren verstanden wurde. Demnach waren die Voraussetzungen des § 222 AO im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen, denn die Berichtigung des Steuerbescheids obliegt nicht dem FG, sondern dem FA. § 222 AO ist als eine vom FA zu beachtende Verfahrensvorschrift zu betrachten. Auch wenn man diese Ansicht nicht teilen sollte, waren im Rechtsbeschwerdeverfahren die Voraussetzungen des § 222 AO von Amts wegen zu prüfen, weil eine unzulässige Berichtigungsveranlagung neben Verfahrensvorschriften geltendes Recht verletzt (§ 288 Nr. 1 AO a. F.). Von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 222 AO hängt unmittelbar die Höhe des streitigen Steueranspruchs ab; sind die Voraussetzungen erfüllt, darf das FA eine höhere Steuer fordern, andernfalls muß es sich mit der ursprünglich festgesetzten niedrigeren Steuer begnügen. Durch diese unmittelbare Auswirkung auf die Höhe des Steueranspruchs unterscheiden sich der § 222 AO und andere Vorschriften über Änderung und Berichtigung von Steuerbescheiden von den reinen Verfahrensvorschriften, die lediglich ohne jede Auswirkung auf die Höhe des Steueranspruchs das Besteuerungsverfahren regeln.

Die vorstehenden Überlegungen zu den Vorschriften über das Rechtsbeschwerdeverfahren in der AO a. F. gelten für das Revisionsverfahren nach §§ 115 ff. FGO sinngemäß. Für das Revisionsverfahren liegt es noch näher als für das Rechtsbeschwerdeverfahren, unter Verfahrensmangel nur einen Mangel des gerichtlichen Verfahrens zu verstehen. Die FGO regelt lediglich das Verfahren vor den FG. Es grenzt eindeutiger als die AO a. F. das Verfahren vor den FG vom übrigen Besteuerungsverfahren ab. Die vom FA zu beachtenden Verfahrensvorschriften sind seit dem 1. Januar 1966 in der AO, die das FG bindenden Verfahrensvorschriften in der FGO enthalten. Zwischen beiden Verfahren bestehen erhebliche Unterschiede (z. B. ist dasFG an Anträge gebunden, das FA hat unabhängig von Anträgen die richtige Steuer festzusetzen). Deshalb können unter Verfahrensmängeln im Sinne der Revisionsvorschriften der FGO (insbesondere § 118 Abs. 3 FGO) nur noch Mängel des finanzgerichtlichen Verfahrens verstanden werden. Verletzungen von Verfahrensvorschriften durch das FA - hierzu zählt auch eine wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 222 AO unzulässige Berichtigungsveranlagung - sind im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 755

BFHE 1968, 209

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 14b Verspätungszuschlag
    262
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 109 Verlängerung von Fristen / 5.1 Allgemeines
    170
  • Grunderwerbsteuer bei Veränderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) (ErbStB 2022, Heft 8, S. 247)
    129
  • Stenger/Loose, Bewertungsrecht - Kommentar zum BewG, Erb ... / VI. Umrechnungsfaktoren zur Ermittlung der Brutto-Grundfläche bei Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken
    125
  • Bedarfsbewertung: Erklärung zur Feststellung des Bedarfs ... / 1 Erläuterungen zum Formular
    119
  • Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ... / 5.1 Landwirtschaftliche Nutzung – § 237 Abs. 2 BewG
    113
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 28 Allgemeines / 3.5 Verlegung einer Betriebsstätte von einer in eine andere Gemeinde (§ 28 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GewStG)
    111
  • Weilbach, GrEStG § 1 Erwerbsvorgänge / 3 Tauschvertrag (Abs. 5)
    111
  • Kapitalgesellschaft: Liquidation / 3.3.4 Auswirkungen der Auskehrung des Vermögens
    109
  • Änderungsvorschriften / 5 Gegenrechnung materieller Fehler
    105
  • Praxisveräußerung, Praxisaufgabe und Praxisübertragung: ... / 2.1 Tod eines Freiberuflers
    105
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 29 Zerlegungsmaßstab / 3.2 Zerlegung nach Arbeitslöhnen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG)
    95
  • Erbschaftsteuererklärung: Anlage Erwerber vom 1.1.2009 b ... / 1.6 Erwerb durch Erbanfall (Zeilen 22 bis 31)
    93
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 7 Gewerbeertrag / 4.2 Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei Einzelunternehmen
    93
  • Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung (§ 8 EStDV) (estb 2022, Heft 12, S. 467)
    93
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 173 Aufhebung oder Änderung von ... / 3.2.2 Maßstab des groben Verschuldens
    92
  • Frotscher/Drüen, UmwStG § 22 Besteuerung des Anteilseigners
    85
  • Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG § 13b Begünstigtes Vermögen
    73
  • Pflegekosten / 1.3 Unterbringung in einem Heim
    71
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO Vorbemerkungen zu §§ 172–177 / 3.1 Formelle Bestandskraft als Unanfechtbarkeit
    71
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Steuer Office Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Steuern
BFH: Umsatzsteuer und Bruchteilsgemeinschaft
Stempel Umsatzsteuer Finanzamt
Bild: Haufe Online Redaktion

Eine Bruchteilsgemeinschaft erbringt keine Leistungen gegen Entgelt als Unternehmer (Festhalten an den Urteilen des BFH v. 22.11.2018, V R 65/17 und v. 7.5.2020, V R 1/18). Über § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG i. d. F. von Art. 43 Abs. 6 i. V. m. Art. 16 Nr. 2 JStG 2022 war im Streitfall nicht zu entscheiden.


Steuern sparen: 100 Steuertipps & Tricks 2024/25
100 Steuertipps & Tricks 2024/25
Bild: Haufe Shop

Simon Neumann kennt die Tricks zum Steuern-Sparen wie kaum ein anderer. Die Erklärvideos auf seinem YouTube-Kanal FinanzNerd und bei TikTok nehmen die Angst vor der Steuererklärung und erreichen monatlich fast 10 Millionen Zuschauer. Seine Erfahrungen hat er in einfache Worte verpackt und mit konkreten Anleitungen versehen: In seinem Buch präsentiert er die 100 wichtigsten Steuertipps & Tricks 2024/25 – verständlich erklärt und leicht anwendbar.


BFH V 149/64
BFH V 149/64

  Leitsatz (amtlich) 1. Das FA ist im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO berechtigt und verpflichtet, den gesamten Steuerfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut zu prüfen. Die neue Steuerfestsetzung ist so ...

4 Wochen testen


Newsletter Steuern
Bild: Adobe
Newsletter Steuern - BFH-Urteilsservice

Aktuelle Informationen zur neuesten BFH-Rechtsprechung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Kurzkommentierungen
  • Praxishinweise
  • wöchentlich
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Steuern Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Haufe Onlinetraining
Smartsteuer
Schäffer-Poeschel
Lexware
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Steuern Shop
Steuern Software
Komplettlösungen Steuern
Kanzleimanagement Lösungen
Steuern im Unternehmen
Lösungen für die Steuererklärung
Steuer-Kommentare
Alle Steuern Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren