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BFH Urteil vom 10.10.1986 - VI R 61/83 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgerliche Kleidung kein Arbeitsmittel

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen einer Bauingenieurin für bürgerliche Kleidung sind auch dann nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn die Kleidungsstücke bei ihrer beruflichen Verwendung einer besonders hohen Abnutzung unterliegen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 6, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Im Revisionsverfahren ist nur noch streitig, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Bauingenieurin, verschiedene Ausgaben für den Erwerb bürgerlicher Kleidung als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes 1978 (EStG) geltend machen kann.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klägerin diesen Werbungskostenabzug entgegen den Vorentscheidungen (Einkommensteuerbescheid 1978, Einspruchsentscheidung) des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) zugestanden, obwohl es sich bei den zur beruflichen Verwendung angeschafften Kleidungsstücken um keine typische Berufskleidung gehandelt hat. Das FG sah die Besonderheit im Streitfalle darin, daß die Klägerin infolge der - auch vom FA nicht in Abrede gestellten - besonders hohen Abnutzung der Kleidung beruflich veranlaßte Mehraufwendungen für (bürgerliche) Kleidung gehabt habe. Nach der Lebenserfahrung - so fährt das FG fort - unterliege bürgerliche Kleidung, die auf Baustellen getragen werde, wegen der Witterungseinflüsse und der Berührung mit Baustoffen sowie Gerüst- und Schalungsteilen einer besonders hohen Abnutzung. Ein solch vorzeitiger Verschleiß von Kleidungsstücken führe zu einem entsprechenden beruflich bedingten Mehraufwand. Die Mehraufwendungen der Klägerin könnten, da objektive Maßstäbe für eine Abgrenzung der erhöhten, beruflich veranlaßten Abnutzung von der normalen, durch die Lebensführung veranlaßten nicht erkennbar seien, nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Dies sei zulässig, weil § 12 Nr. 1 EStG kein Aufteilungs-, sondern lediglich ein Abzugsverbot enthalte. Im übrigen sei - was die Höhe der Ausgaben betreffe - zu berücksichtigen, daß die Klägerin während des gesamten Streitjahres 1978 im Außendienst eingesetzt gewesen sei, und nicht angenommen werden könne, daß sie die fraglichen Kleidungsstücke außerhalb ihrer beruflichen Arbeit getragen habe. Die unter Beachtung dieses Sachverhalts im Wege der Schätzung anzusetzenden Mehraufwendungen der Klägerin könnten zudem im Hinblick auf die Höhe der übrigen von der Klägerin im Streitjahr für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung getätigten Ausgaben unbedenklich mit dem geltend gemachten Betrag von 346,40 DM berücksichtigt werden.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Zur Begründung trägt es im einzelnen vor: Durch das angegriffene Urteil werde ein Abzug der infolge besonders hoher Abnutzung angefallenen Mehraufwendungen für bürgerliche Kleidung als Werbungskosten zugelassen, obwohl diese Mehraufwendungen wegen fehlender objektiver Maßstäbe für eine Abgrenzung der beruflich veranlaßten Abnutzung von dem durch die normale Lebensführung veranlaßten Verschleiß vom Gericht habe geschätzt werden müssen. Einer derartigen Schätzung in Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen stehe jedoch § 12 Nr. 1 EStG entgegen.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen und dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Es bezieht sich auf das angefochtene Urteil und legt dar, daß darin rechtsfehlerhafte Ausführungen nicht zu erkennen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und Abweisung der Klage.

Eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen kommt nur unter dem Gesichtspunkt des Werbungskostenabzugs nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG in Betracht. Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Nach den vom Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen (vgl. z.B. Urteile vom 20. November 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75, und vom 24. Juli 1981 VI R 171/78, BFHE 134, 29, BStBl II 1981, 781) unterliegen Aufwendungen für bürgerliche Kleidung stets dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 1 EStG, und zwar auch dann, wenn sie ausschließlich während der Berufsausübung getragen werden. Denn Aufwendungen für das Bekleidetsein mit bürgerlicher Kleidung gehören typischerweise zu der Privatsphäre des Steuerpflichtigen. Das gilt auch dann, wenn die Aufwendungen - wie hier - zwar den Beruf fördern oder zu fördern geeignet sind, daneben aber auch der Lebensführung dienen, es sei denn, daß der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. dazu Beschluß des Großen Senats vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Es ergibt sich entgegen der Auffassung des FG nicht nur ein Abzugs-, sondern auch ein Aufteilungsverbot derartiger gemischter Aufwendungen. Hierbei kommt es für die Frage, ob und inwieweit Aufwendungen (auch) der Lebensführung dienen, auf den tatsächlichen Verwendungszweck an. Dabei spielt der objektive Charakter des angeschafften Wirtschaftsgutes eine bedeutende Rolle.

Die Tatsache, daß die Klägerin außer den strittigen Kleidungsstücken noch weitere Bekleidungsgegenstände im Streitjahr erworben hat, ist kein zuverlässiger Maßstab, um die strittigen Kleidungsstücke als solche von ausschließlich beruflicher Nutzung auszuweisen. Eine Ausnahme wäre nur möglich, wenn es sich um sog. typische Berufskleidung als Arbeitsmittel handelte (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., 1986, § 9 Anm. 10).

Da es sich bei den erwähnten Kleidungsstücken der Klägerin aber nicht um sog. typische Berufskleidung gehandelt hat, konnten die Aufwendungen dafür nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen werden. Die den Grundsätzen des BFH insoweit widersprechende Entscheidung des FG war daher aufzuheben und die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61185

BFH/NV 1987, 33

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