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BFH Urteil vom 10.04.1991 - XI R 22/89 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Gießereigebäude als wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen einer Betriebsaufspaltung

 

Leitsatz (NV)

Ein Grundstück bildet eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn der Betrieb in der Weise mit dem Grundstück verbunden ist, daß er an anderer Stelle nicht wie bisher fortgeführt werden kann, oder wenn das Grundstück den Bedürfnissen des Betriebs entsprechend hergerichtet ist.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; GewStG § 9 Abs. 1 S. 2; BewG § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 95 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Gesamtrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Vaters A. Dieser war in den Streitjahren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Z-GmbH (GmbH). Die GmbH war zur Fortführung des unter der Firma . . . von dem Großvater der Klägerin betriebenen Einzelunternehmens im Jahre 1947 von dem Vater und dem Großvater der Klägerin gegründet worden. Der Großvater der Klägerin war ursprünglich zu 3/4 und später nach einer Kapitalerhöhung zu 75,2 v. H. an dem Stammkapital der GmbH beteiligt. Dabei hatte der Großvater der Klägerin die beweglichen Wirtschaftsgüter seines Einzelunternehmens auf die neu gegründete GmbH übertragen. Das mit dem Fabrikationsgebäude bebaute Grundstück hatte er der GmbH verpachtet. Mit dem Tode des Großvaters wurde der Vater der Klägerin als dessen Gesamtrechtsnachfolger Eigentümer des an die GmbH verpachteten Grundbesitzes und sämtlicher GmbH-Anteile.

In den Streitjahren wurde auf dem der Betriebs-GmbH entgeltlich zur Nutzung überlassenen Grundbesitz eine Gießerei betrieben, deren Produkte überwiegend in der angrenzenden Formenfabrik, die von der GmbH auf eigenen Grundstücken errichtet worden war, weiterverarbeitet wurden. Die Formenfabrik verwendete zur Herstellung ihrer Erzeugnisse ausschließlich Rohlinge aus der eigenen Gießerei. Das der GmbH von dem Vater der Klägerin zur Nutzung überlassene Grundstück hatte eine Größe von 9 616 qm, während die der GmbH gehörenden Grundstücke, auf denen in den Streitjahren die Formenfabrik betrieben wurde, insgesamt 23 243 qm groß waren. Die GmbH war daneben Eigentümerin fremdvermieteter Wohngrundstücke, die etwa 5 bis 6 km von dem Gewerbebetrieb entfernt lagen. Der Vater der Klägerin war in den Streitjahren zu 24 v. H. an der X-GmbH in . . . beteiligt. Die übrigen Geschäftsanteile dieser Gesellschaft wurden von der Betriebs-GmbH gehalten.

Für die Streitjahre wurde der Vater der Klägerin mit seinen Einkünften aus der Grundstücksverpachtung und mit seinem der Verpachtung dienenden Vermögen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Gewerbesteuer veranlagt. Nach einer für diese Jahre durchgeführten Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die bisher gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorgenommene Kürzung des Gewerbeertrags um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verpachtung des eigenen Grundbesitzes entfiel; diese Vorschrift sei nicht anzuwenden, wenn die Verwaltung des eigenen Grundbesitzes gewerblichen Charakter habe, wie dies bei einer Betriebsaufspaltung der Fall sei. Das FA änderte dementsprechend die Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA stellte ferner den Einheitswert des Betriebsvermögens auf die Stichtage 1. Januar 1977, 1. Januar 1978, 1. Januar 1979 und 1. Januar 1981 im Wege der Wertfortschreibung fest. In diesen Wertfeststellungen erfaßte das FA den verpachteten Grundbesitz und die Geschäftsanteile an der GmbH als Besitzposten.

Die Einsprüche blieben im Streitpunkt ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von Bundesrecht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel greifen nicht durch. Das bedarf gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) keiner Begründung.

2. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen, die den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, ist das angefochtene Urteil auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

a) Das FG hat die Verpachtung des mit dem Gießereigebäude bebauten Grundstücks zu Recht als gewerbliche Tätigkeit im Rahmen einer Betriebsaufspaltung beurteilt. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern an eine Kapitalgesellschaft gewerblich, wenn diese Wirtschaftsgüter für die Kapitalgesellschaft eine wesentliche Grundlage ihres Betriebes bilden und - wie im Streitfall - der Inhaber des überlassenen Vermögens seinen Willen auch in der Kapitalgesellschaft durchsetzen kann (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63).

Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs rechnen die Wirtschaftsgüter, die für den Betrieb nach seiner Art von besonderer Bedeutung sind, die also der Betriebszweck erfordert und die besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen. Dies ist vor allem für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens anzunehmen, die für den Betriebsablauf unerläßlich sind, so daß ein Erwerber des Betriebs diesen nur unter Einsatz dieser Wirtschaftsgüter in der bisherigen Form fortführen könnte. Diese Wirtschaftsgüter werden benötigt, um den Betrieb als funktionierende Wirtschafts- und Organisationseinheit zu erhalten, und sind in der Regel nach Art, Größe, Zahl und vielfach auch nach ihrer Gestaltung dem Betriebszweck angepaßt (BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014).

Diesen Grundsätzen entsprechend bildet ein Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn der Betrieb in der Weise mit dem Grundstück verbunden ist, daß er - wegen der besonderen Lage - an anderer Stelle nicht wie bisher fortgeführt werden kann.

Daneben bilden bebaute Grundstücke aber auch dann eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn das Gebäude durch seine Gliederung oder sonstige Bauart dauernd für den Betrieb eingerichtet ist oder wenn das Gebäude nach seiner Lage, Größe und Grundriß auf den Betrieb zugeschnitten ist, wie dies regelmäßig der Fall ist, wenn ein Betrieb Gebäude für seine Bedürfnisse herrichtet.

Schließlich können auch vom Besitzunternehmen überlassene unbebaute Grundstücke eine wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen bilden, wenn sie von diesem seinen Bedürfnissen entsprechend bebaut oder in anderer Weise gestaltet worden sind (BFH in BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014).

Nach Auffassung des Senats kann nicht allein auf den Flächenanteil des gepachteten Grundstücks im Verhältnis zu den eigenen Grundstücken der Betriebsgesellschaft abgestellt werden. Die (relative) Grundstücksgröße ist nur ein Kriterium zur Beurteilung der Wesentlichkeit. Daneben besteht eine Vielzahl weiterer Kriterien (wie etwa Lage, Grundriß, Zuschnitt, Art, Funktion), die in die Beurteilung einzubeziehen sind und die erst im Rahmen einer Gesamtwürdigung eine abschließende Bewertung erlauben.

Für den Streitfall folgt aus diesen Erwägungen, daß das FG das der Betriebs-GmbH überlassene Grundstück zutreffend als wesentliche Betriebsgrundlage beurteilt hat. Das mit dem Gießereigebäude bebaute Grundstück war nach seiner Art auf die Produktion der Betriebs-GmbH zugeschnitten und entsprach deren betrieblichem Bedarf. Das gepachtete Grundstück gehörte zu den unverzichtbaren Grundlagen des Betriebsunternehmens; bei Auflösung des Pachtverhältnisses hätte der Betrieb der GmbH nicht in der bisherigen Form fortbestehen können. Im Unterschied z. B. zu den Büroräumen eines Verlagsunternehmens war das Gießereigebäude für den Betrieb der GmbH nicht jederzeit und beliebig austauschbar. Das Gießereigrundstück wäre allenfalls langfristig zu ersetzen gewesen.

Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, daß das Gießereigebäude veraltet war und daß der Betriebszweig ,,Gießerei" zu Verlusten führte. Wie ausgeführt, kann die Beurteilung, ob ein Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage bildet, nur im Rahmen einer Gesamtwürdigung einer Vielzahl von Faktoren getroffen werden. Dazu gehören auch die Funktion des Wirtschaftsgutes und die Rentabilität seines Einsatzes im Betrieb. Die Eigenschaft als wesentliche Betriebsgrundlage bleibt aber trotz Überalterung und Verlustträchtigkeit erhalten, sofern das Wirtschaftsgut gleichwohl für den Betrieb erforderlich ist, z. B. indem es innerbetrieblich unverzichtbare Leistungen erbringt.

Im Streitfall konnte die Betriebs-GmbH das Gießereigebäude nicht entbehren; nach den - den Senat bindenden - Feststellungen des FG war die GmbH auf die Produktion der Gießerei angewiesen; die GmbH bezog die Rohlinge ausschließlich aus der eigenen Gießerei.

Auch die Größe des verpachteten Grundstücks steht seiner Beurteilung als wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebs-GmbH nicht entgegen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH hat das FG weder die von der GmbH vermieteten Wohngrundstücke (dazu vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 342/82, BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299) noch die im Eigentum der Tochtergesellschaft stehenden Grundstücke (dazu vgl. BFH-Urteile vom 5. Mai 1977 IV R 186/72, BFHE 122, 310, BStBl II 1977, 701 und vom 2. März 1983 I R 85/79, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427) in die Betrachtung einbezogen. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG betrug das Verhältnis des Gießereigeländes (9616 qm) zu dem gesamten Betriebsgelände (32 859 qm) nach diesen Berechnungsgrundlagen 29,26 %. Dieser Flächenanteil ist bereits für sich genommen nicht von geringer Bedeutung. Im übrigen ist - wie dargelegt - die Grundstücksgröße allein kein ausschlaggebendes Kriterium.

b) Die verfassungsrechtlichen Einwände der Klägerin gegen das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung sind unbegründet. Insoweit wird auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62 (BVerfGE 25, 28, BStBl II 1969, 389) und vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u. a. (BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475) verwiesen. Insbesondere auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit bestehen insofern keine Bedenken. Die Voraussetzungen für die Betriebsaufspaltung beruhen auf dem Begriff des Gewerbebetriebs i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes, § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung und sind in einer Vielzahl von Entscheidungen durch die Rechtsprechung konkretisiert worden.

c) Im Falle der Betriebsaufspaltung kann das Besitzunternehmen für den Ertrag aus der Verpachtung ihres Grundbesitzes an die Betriebs-GmbH die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688 und vom 11. Dezember 1974 I R 260/72, BFHE 114, 433, BStBl II 1975, 266).

d) Schließlich war das FA aus den vorgenannten Gründen berechtigt, Einheitswerte für den gewerblichen Betrieb gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes festzustellen. Dabei sind die Geschäftsanteile des Vaters der Klägerin an der Betriebs-GmbH zutreffend als notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmens erfaßt worden (vgl. BFH-Urteile vom 23. Juli 1981 IV R 103/78, BFHE 134, 126, BStBl II 1982, 60 und vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63647

BFH/NV 1992, 312

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