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BFH Beschluss vom 12.08.1996 - VIII R 33/96 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 FGO; grund sätzlich keine Umdeutung einer Revision in eine NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Die Revision ist ohne Zulassung nur statthaft, wenn (innerhalb der Revisionsbegründungsfrist) ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird. Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO ergeben (vgl. schon BFH in BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850).

2. Eine Umdeutung des vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers ausdrücklich und eindeutig als "Revision" bezeichneten Rechtsmittels in eine NZB kommt nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die erheblichen (verfahrens-)rechtlichen Unterschiede der beiden Rechtsmittel nicht in Betracht (vgl. z. B. BFH in BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291).

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erließ am 12. Dezember 1994 Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre 1988 und 1989. Dagegen erhob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit Schreiben vom 18. Januar 1995, eingegangen beim FA am 23. Januar 1995, Einspruch. Mit -- unbeantwortet gebliebenen -- Schreiben vom 27. Januar 1995 und 3. März 1995 wies das FA den Kläger darauf hin, daß der Einspruch verspätet eingelegt worden sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 4. April 1995 verwarf das FA den Einspruch als unzulässig.

Mit seiner Klage wendete sich der Kläger gegen die Höhe der in den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheiden geschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen. Er trug u. a. vor, er habe die angefochtenen Bescheide erst am 16. Januar 1995 in seinem Briefkasten vorgefunden, nachdem sie sein Nachbar, der Zeuge X, nach dessen Rückkehr aus dem Weihnachtsurlaub am 14. Januar 1995 zusammen mit einem "Entschuldigungszettel" dort eingeworfen habe. Weitere Schreiben des FA habe er -- der Kläger -- bis zur Einspruchsentscheidung nicht erhalten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, der Einspruch des Klägers sei verspätet erhoben worden. Dem Kläger könne auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gewährt werden. Er hätte beim Auffinden der angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide am 16. Januar 1995 aufgrund des Datums dieser Bescheide und der ihnen beigefügten Rechtsmittelbelehrung erkennen müssen, daß der 16. Januar 1995 der letzte Tag der Einspruchsfrist gewesen sei. Auch wenn man noch kein Verschulden darin sehen wolle, daß der Kläger den Einspruch nicht noch am 16. Januar 1995 eingelegt habe, so hätte er doch erkennen müssen, daß sein mit Schreiben vom 18. Januar 1995 eingelegter Rechtsbehelf verspätet beim FA eingehen werde. Der Kläger hätte deshalb -- was er indes unterlassen habe -- innerhalb eines weiteren Monats die Tatsachen vortragen müssen, die die Fristversäumnis entschuldigten.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Gleichwohl hat der Kläger Revision eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Revision werde auf Verfahrensmängel und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. Das angefochtene Urteil verletze die §§ 108 Abs. 2 und 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Dem FG sei "bei der Ermittlung des Sachverhalts ein Verfahrensfehler dahingehend unterlaufen", daß es für den Beginn der Einspruchsfrist irrig auf den dritten Tag nach Aufgabe der Einkommensteueränderungsbescheide zur Post (15. Dezember 1994) und nicht -- wie es zutreffend gewesen wäre -- auf den späteren (tatsächlichen) Zugang (14. Januar 1995) abgestellt habe. Mit seiner -- des Klägers -- substantiierten Erklärung über den Zeitpunkt des Zugangs der Einkommensteueränderungsbescheide und aufgrund der Bestätigung dieser Angaben durch den Zeugen X sei die in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 statuierte Zugangsvermutung widerlegt und nachgewiesen worden, daß die Sendung mit den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheiden erst am 14. Januar 1995 in seinen (des Klägers) Machtbereich gelangt sei. Dies habe zur Folge gehabt, daß die Einspruchsfrist erst am 15. Januar 1995 zu laufen begonnen habe und mithin der am 23. Januar 1995 erhobene Einspruch rechtzeitig erfolgt sei.

Dies habe das FG verkannt, indem es ohne weitere Prüfung irrig vom Eingreifen der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ausgegangen sei, den Einspruch deshalb unzutreffend als verspätet angesehen habe und in der Folge fehlerhaft auf die im Streitfall unerhebliche Frage abgestellt habe, ob ihm -- dem Kläger -- wegen Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. a) Im vorliegenden Streitfall ist die Revision weder vom FG noch vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen worden. Die Revision ist ohne Zulassung nur dann statthaft, wenn (innerhalb der Revisionsbegründungsfrist) ein wesentlicher Mangel des finanzgerichtlichen Verfahrens i. S. von § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird (BFH-Beschluß vom 29. Juni 1989 V R 112/88, V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850, m. w. N.). Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO ergeben (BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 116 Rdnr. 3).

b) Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht. Die Ausführungen der Revision liefern für das Vorliegen einer der in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgezählten wesentlichen Verfahrensmängel keinen (nicht einmal einen andeutungsweisen) Anhalt. Sie erschöpfen sich im wesentlichen in dem materiell-rechtlichen Einwand, daß das FG den Streitfall unter Verstoß gegen § 122 Abs. 2 AO 1977 falsch entschieden habe.

2. Eine Umdeutung des von der Prozeßbevollmächtigten des Klägers ausdrücklich und eindeutig als "Revision" bezeichneten Rechtsmittels in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Hinblick auf die erheblichen (verfahrens-)rechtlichen Unterschiede der beiden Rechtsmittel nicht in Betracht (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291, und vom 18. Dezember 1986 I R 84/86, BFH/NV 1988, 34; Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 50, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421714

BFH/NV 1997, 138

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    Finanzgerichtsordnung / § 116 [Wesentliche Verfahrensmängel]
    Finanzgerichtsordnung / § 116 [Wesentliche Verfahrensmängel]

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