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BAG Urteil vom 06.09.1994 - 9 AZR 221/93

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung einer Sonderurlaubsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber ist regelmäßig nur dann verpflichtet der vorzeitigen Beendigung eines nach tarifvertraglichen Bestimmungen gewährten unbezahlten Sonderurlaubs zuzustimmen, wenn diese Möglichkeit tarifvertraglich vorgesehen oder einzelvertraglich vereinbart ist.

2. Eine Pflicht zur Einwilligung in die vorzeitige Beendigung des Sonderurlaubs aufgrund arbeitsrechtlicher Fürsorgepflicht könnte allenfalls dann bestehen, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich und zumutbar ist und wenn der Grund für die Bewilligung des Sonderurlaubs weggefallen ist oder schwerwiegende negative Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers eingetreten sind.

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.02.1993; Aktenzeichen 11 Sa 1337/92)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.08.1992; Aktenzeichen 8 Ca 3530/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, in die Beendigung eines Sonderurlaubs einzuwilligen.

Die Klägerin ist als Teilzeitbeschäftigte im Kanzleidienst des Sozialgerichts Düsseldorf beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag i. d. jeweiligen Fassung (BAT) Anwendung. Die Klägerin hat am 7. Februar 1991 ein Kind geboren. Im Anschluß an den gesetzlichen Erziehungsurlaub wurde ihr auf ihren Antrag für die Zeit vom 7. August 1992 bis 6. August 1995 Sonderurlaub gem. § 50 Abs. 2 BAT gewährt. Bereits während des Erziehungsurlaub wurde die Klägerin erneut schwanger. Als voraussichtlicher Geburtstermin war der 27. November 1992 errechnet worden. Mit Schreiben vom 21. Mai 1992 bat die Klägerin das Land um die Einwilligung zur Aufhebung der Sonderurlaubsvereinbarung und um Beschäftigung vom 7. August 1992 bis 16. Oktober 1992. Das beklagte Land lehnte den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 1992 ab, weil über die Stelle zwischenzeitlich anderweitig verfügt worden sei.

Die Klägerin hat mit ihrer im Juni 1992 erhobenen Klage nach Änderung des Klageantrags zuletzt beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet

gewesen ist, in die Beendigung des Sonderurlaubs

der Klägerin nach § 50 BAT ab 7. August 1992 ein-

zuwilligen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Klageziel weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hatte keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Einwilligung zur Beendigung des Sonderurlaubs.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß durch die Gewährung des Sonderurlaubs die beiderseitigen Hauptpflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis ruhen (BAG Urteil vom 27. November 1986 - 8 AZR 163/84 - AP Nr. 13 zu § 50 BAT). Sie können nicht einseitig durch den Arbeitnehmer wiederhergestellt werden. Hierzu bedarf es einer einvernehmlichen Aufhebung für Sonderurlaub durch die Parteien. Im Streitfall war das Land nicht verpflichtet, in die Aufhebung einzuwilligen.

2. Regelmäßig ist ein Arbeitgeber nur verpflichtet, der vorzeitigen Beendigung des nach einer tarifvertraglichen Bestimmung gewährten Sonderurlaubs zuzustimmen, wenn diese Möglichkeit tarifvertraglich vorgesehen oder einzelvertraglich vereinbart ist.

a) Die Klägerin hat keinen tarifvertraglichen Anspruch. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag hat die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung eines antragsgemäß gewährten Sonderurlaubs nicht geregelt.

b) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien oder aus der Sonderurlaubsvereinbarung. Beide Verträge enthalten dazu keine Abreden.

3. Das beklagte Land war nicht aufgrund Fürsorge verpflichtet, das Angebot der Klägerin auf Aufhebung des Sonderurlaubs anzunehmen. Es kann dahinstehen, ob die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht überhaupt geeignet ist, einen entsprechenden Anspruch zu begründen. Das könnte allenfalls dann denkbar sein, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich und zumutbar ist und wenn der wichtige Grund i. S. des § 50 Abs. 2 BAT für die Bewilligung des Sonderurlaubs weggefallen ist oder schwerwiegende negative Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers oder seiner Familie eingetreten sind. Keine dieser Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

Für die Klägerin besteht der wichtige Grund fort, aufgrund dessen Sonderurlaub nach § 50 Abs. 2 BAT gewährt worden ist (Möglichkeit der ganztägigen Betreuung und Erziehung ihres im Februar 1991 geborenen Kindes). Schwerwiegende negative Veränderungen in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen hat sie nicht vorgetragen. Die Geburt eines weiteren Kindes und die damit verbundenen Kosten und Belastungen zählen dazu nicht.

Dem Beklagten war die Beschäftigung der Klägerin auch nicht möglich. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Stelle der Klägerin besetzt und eine andere Stelle nicht frei gewesen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe insoweit zu Unrecht den Vortrag des beklagten Landes als unstreitig angesehen, und es hätte über Behauptungen des beklagten Landes Beweis erheben müssen, sind unbegründet. Die unrichtige Behandlung des Tatsachenvortrags ist mit einer Tatbestandsberichtigung anzugreifen. Bei angeblich fehlender Berücksichtigung von Parteivortrag und fehlender Aufklärung muß die Revision im einzelnen darlegen, aufgrund welchen Vortrags das Landesarbeitsgericht zu welchen Tatsachenfeststellungen hätte gelangen müssen.

Schließlich ist fraglich, ob es dem beklagten Land zumutbar war, in die vorzeitige Beendigung des Sonderurlaubs einzuwilligen, weil die Aufhebung der Sonderurlaubsvereinbarung lediglich zur Folge gehabt hätte, daß die Klägerin vom 7. August 1992 bis Mitte Oktober 1992 (Beginn ihrer Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG) arbeiten müssen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Leinemann Düwell Dörner

Schwarz Trümner

 

Fundstellen

Haufe-Index 441767

BAGE 00, 00

BAGE, 343

BB 1994, 1862

BB 1995, 465

BB 1995, 465-466 (L1-2)

DB 1995, 2535-2536 (LT1-2)

ARST 1995, 111 (LT1-2)

NZA 1995, 953

NZA 1995, 953 (LT1-2)

ZAP, EN-Nr 837/94 (S)

ZTR 1995, 168-169 (LT1-2)

AP § 50 BAT (LT1-2), Nr 17

AR-Blattei, ES 1640 Nr 361 (LT1-2)

EzBAT § 50 BAT Unbezahlter Sonderurlaub, Nr 9 (LT1-2)

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