Entscheidende Auswirkungen hat die Feststellung einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung auch im Bereich der Festsetzungsverjährung. Bekanntlich wird die Festsetzungsfrist von 3 Faktoren bestimmt, nämlich von Beginn, Ende und Dauer der Frist. Soweit eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, hat dies Einfluss auf den Ablauf der Festsetzungsfrist sowie auf die Fristdauer. Abweichend von der regelmäßigen Festsetzungsfrist[1] beträgt die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 10 Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen[2], oder 5 Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist.[3] Dabei kommt § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nur zum Tragen, "soweit" die Steuer vorsätzlich oder leichtfertig verkürzt wurde (Grundsatz der Teilverjährung). Somit kann es dazu kommen, dass hinsichtlich derselben Steuerart und desselben Veranlagungszeitraums unterschiedliche Verjährungsfristen bestehen.

 
Praxis-Beispiel

Berechnung der Festsetzungsverjährung

Eine bei dem Steuerpflichtigen F durchgeführte Außenprüfung führt für das Jahr 2023 zu einem einkommensteuerlichen Mehrergebnis von 600.000 EUR:

Diese Mehrsteuern beruhen

  1. i. H. v. 200.000 EUR auf vorsätzlicher Steuerverkürzung,
  2. i. H. v. 200.000 EUR auf leichtfertiger Steuerverkürzung,
  3. i. H. v. 200.000 EUR auf unterschiedlicher Rechtsauffassung.

Bezüglich des Teilbetrags a) beträgt die Dauer der Festsetzungsfrist 10 Jahre, bezüglich des Teilbetrags b) 5 Jahre und bezüglich des Teilbetrags c) 4 Jahre.

Die Annahme der verlängerten Festsetzungsfrist ist unabhängig davon, wer die Steuerverkürzung begangen hat, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.[4] Die Tatsache einer Selbstanzeige[5] besagt nicht, dass aufgrund der Straf- oder Bußgeldfreiheit die regelmäßige Verjährungsfrist[6] zum Tragen käme. Vielmehr ist weiterhin genau zu prüfen, ob die Selbstanzeige eine solche nach § 371 AO oder eine solche nach § 378 Abs. 3 AO ist, da hiervon – trotz der Straf- oder Bußgeldfreiheit – die Dauer der Verjährungsfrist abhängt.

Nach § 171 Abs. 7 AO endet bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung[7] die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung des Steuervergehens oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Durch diese Regelung wird über § 169 Abs. 2 Satz 2 AO hinaus der Eintritt der Festsetzungsverjährung noch weiter hinausgeschoben. Wann ein Steuervergehen bzw. eine Steuerordnungswidrigkeit verjährt, ergibt sich zum einen aus den Vorschriften der §§ 78 ff. StGB, zum anderen aus der Regelung in § 384 AO i. V. m. §§ 31 ff. OWiG. Nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beträgt die Frist zur Verjährung der Strafverfolgung 5 Jahre, da nach § 370 AO die Steuerhinterziehung im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht ist. Die verlängerte Verfolgungsverjährung mit 10 Jahren gilt nur bei besonders schwerer Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO.[8] Nach § 78a StGB beginnt die Verjährung mit Beendigung der Tat. Beendet ist eine Steuerhinterziehung – im Bereich der Veranlagungssteuern –, sobald die zu niedrige Steuer bei Abgabe unrichtiger Steuererklärungen festgesetzt und die Festsetzung dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird.

 
Praxis-Beispiel

Verjährung beginnt mit Beendigung der Tat

Der Steuerpflichtige G gibt am 5.9.2023 die ESt-Erklärung für den VZ 2022 ab. Die Steuererklärung enthält unrichtige Angaben. Die Veranlagung erfolgt laut diesen Angaben des G und schließt mit einer Erstattung ab. Der Steuerbescheid wird dem G am 17.12.2023 bekannt gegeben. Gleichzeitig erfolgt die Erstattung.

Tatbeendigung: 17.12.2023.

Im Fall der Nichtabgabe von Steuererklärungen ist die Tatbeendigung dann anzunehmen, wenn die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk "im Großen und Ganzen" abgeschlossen sind[9], wobei die Feststellungen über den genauen Zeitpunkt in den einzelnen Bundesländern differieren. In jüngster Zeit ermitteln die Bußgeld- und Strafsachenstellen im Wege einer Nachfrage bei dem Veranlagungsbezirk den konkreten Stand der Bearbeitung. Bei den Fälligkeitssteuern hingegen (also z. B. Lohnsteuer und Umsatzsteuer) liegt im Nichtabgabefall eine Tatvollendung bereits vor, wenn zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt eine (Vor-)Anmeldung nicht eingereicht wird. Tatvollendung und -beendigung fallen hier zusammen.[10]

Für bestimmte ausländische Kapitalerträge gilt eine Anlaufhemmung.[11] Die Regelung soll gewährleisten, dass in Fällen, in denen kein automatischer Auskunftsverkehr praktiziert wird, länger die Möglichkeit der nachträglichen Erfassung besteht. Dies geschieht dadurch, dass die bislang geltenden Verjährungsfristen durch ihren späteren Beginn hinausgeschoben werden. Hintergrund der Ausweitung des Berich­tigungszeitraums ist eine Angleichung an die steuerrechtlichen Verjährungsfr...

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