Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft beim Erwerb und Besitz von Schuldverschreibungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob das bloße Halten von Schuldverschreibungen eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 der 6. EG-Richtlinie darstellt. Für diesen Fall fragte das Vorlagegericht, ob ein Vorsteuerabzugsrecht besteht, sofern sich die Tätigkeit auf Schuldverschreibungen bezieht, die von einem Gläubiger im Drittlandsgebiet ausgegeben worden sind.

Nach dem Urteil kann die Tätigkeit eines Inhabers von Schuldverschreibungen als eine Form der Kapitalanlage bezeichnet werden, die ihrer Art nach nicht über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht. Unter diesen Umständen können die so eingenommenen Zinsen nicht als Gegenleistung für einen Umsatz oder für eine vom Inhaber der Schuldverschreibungen erbrachte unternehmerische Tätigkeit angesehen werden. Nach dem Urteil ist der Besitz von Schuldverschreibungen nicht anders zu behandeln als der Besitz von Beteiligungen, für der EuGH in früheren Urteilen eine unternehmerische Tätigkeit verneint hat.

 

Beteiligte

Harnas & Helm CV

Staatssecretaris van Financiën

 

Gründe

Urteil des Gerichtshofes

(Sechste Kammer)

„Mehrwertsteuer – Auslegung der Artikel 4, 13 und 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG – Steuerpflichtiger – Erwerb und Besitz von Schuldverschreibungen”

In der Rechtssache C-80/95

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Hoge Raad der Nederlanden in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Harnas & Helm CV[1]

gegen

Staatssecretaris van Financiën

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 4 Absatz 2, 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 und 17 Absatz 3 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Abl. L 145, S. 1)

erläßt

Der Gerichtshof

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten G. F. Mancini (Berichterstatter), der Richter C. N. Kakouris, P. J. G. Kapteyn, G. Hirsch und H. Ragnemalm,

Generalanwalt: N. Fennelly

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der niederländischen Regierung, vertreten durch A. Bos, Rechtsberater im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

der französischen Regierung, vertreten durch C. de Salins, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und G. Mignot, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in dieser Direktion, als Bevollmächtigte,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. J. Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, stellvertretender Rechtsberater im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, der französischen Regierung, vertreten durch G. Mignot, und der Kommission, vertreten durch B. J. Drijber, in der Sitzung vom 1. Oktober 1996,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. November 1996,

folgendes

Urteil

1 Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 15. März 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Artikel 4 Absatz 2, 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 und 17 Absatz 3 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Abl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt, um eine genauere Bestimmung der Begriffe der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Rechts auf Vorsteuerabzug im Sinne dieser Richtlinie zu erhalten.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Kommanditgesellschaft Harnas & Helm (im folgenden: Harnas) und dem niederländischen Staatssecretaris van Financiën wegen eines an Harnas gerichteten Bescheides über die Nachveranlagung zur Umsatzsteuer.

3 Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie bestimmen:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden … Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt.”

4 Nach Artikel 13 Teil B befreien die Mitgliedstaaten bestimmte Tätigkeiten von der Umsatzsteuer, darunter

„d) die folgenden Umsätze:

  1. die Gewährung und Ver...

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