Entscheidungsstichwort (Thema)

Systemprogramm als selbständiges Wirtschaftsgut

 

Leitsatz (amtlich)

1. Systemprogramme, für die --z.B. bei gesonderter Anschaffung-- abgrenzbare Kosten von den Aufwendungen für die Hardware entstanden sind, stellen steuerlich und investitionszulagerechtlich selbständige Wirtschaftsgüter dar.

2. Es handelt sich dabei wie bei Computeranwenderprogrammen grundsätzlich um immaterielle Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung keine Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 zu gewähren ist.

 

Orientierungssatz

Die Computerhardware bildet lediglich in Ausnahmefällen mit der Systemsoftware eine Einheit, wie z.B. beim Erwerb von Hardware und zugehöriger Systemsoftware im Rahmen eines sog. Bundling, bei dem die Systemsoftware zusammen mit der Hardware ohne gesonderte Berechnung und ohne Aufteilbarkeit des Entgelts zur Verfügung gestellt wird.

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Unternehmen, das Kundendatenerfassung und Datenauswertung durchführt, daneben Kunden im Rahmen von EDV-Anwendungen berät sowie für sie Software entwickelt. Durch Kaufvertrag vom 16. Dezember 1982 erwarb sie von der Firma C Leasing- und Finanzierungs GmbH eine gebrauchte Großrechneranlage sowie zwei Magnetplatteneinheiten. Durch Abschluß eines Lizenzvertrags vom 5. Januar 1983 erwarb sie außerdem von der Firma I die zum Betrieb der Anlage notwendige Systemsoftware gegen Zahlung einer Einmallizenzgebühr. Es handelt sich dabei um eines von verschiedenen für den Betrieb der Anlage zur Auswahl angebotenen Standardprogrammen, das weltweit einige tausend Mal installiert worden ist.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 für die Anschaffung der Software --auch im Einspruchsverfahren-- mit der Begründung ab, es handele sich insoweit um ein immaterielles Wirtschaftsgut.

Auch die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, bei dem von der Klägerin erworbenen Betriebssystem handele es sich um ein Steuerprogramm, mit dem die Hardwareteile funktional gesteuert würden. Der Informationsträger enthalte keine Daten, sondern Befehle an Maschinen. Derartiges, lizenzweise überlassenes Steuerungswissen stelle ein Wirtschaftsgut dar. Systemsoftware werde unabhängig von der Hardware gehandelt. Sie sei jedenfalls dann ein selbständiges Wirtschaftsgut, wenn sie --wie im Streitfall-- gesondert von der Hardware von einem Dritten gegen Zahlung eines nur die Software betreffenden Nutzungsentgelts erworben werde. Systemsoftware sei, wenn sie selbständig erworben werde, jedoch ein immaterielles Wirtschaftsgut. Für den Erwerber stehe der geistige Gehalt des Steuerungswissens im Vordergrund, während der Datenträger selbst in Hintergrund trete.

Auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b Abs.2 Nr.2 InvZulG 1982 für nachträgliche Herstellungsarbeiten an abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens seien nicht gegeben. Durch das Einspeisen der Software in die Maschine sei kein neues abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens entstanden. Die Maschinenteile würden dadurch zwar erst betriebsbereit; die Hardware verändere ihren Charakter als selbständiges Wirtschaftsgut indes nicht. Es sei einerseits möglich, das eingespeiste Betriebssystem jederzeit zu löschen und durch ein anderes zu ersetzen, andererseits finde --anders als beim Einbau z.B. von programmierten Speicherplatten-- keine Vereinigung der Wirtschaftsgüter in der Weise statt, daß sie als Einheit anzusehen seien.

Mit der Revision trägt die Klägerin vor, bei der Systemsoftware handele es sich um ein materielles Wirtschaftsgut. Betriebssysteme seien für eine Hardware zwingend erforderlich und mit ihr so eng verknüpft, daß sie im Grunde als selbständiger Teil der Hardware anzusehen seien. Sie seien zwar austauschbar und veränderbar. Sie dienten indes ausschließlich zur Herstellung der Kommunikation zwischen einzelnen Hardwareteilen. Es könne keinen Unterschied machen, ob Betriebssysteme durch Einbau von Elektronikteilen in eine Hardware oder durch Überspielen von einem Datenträger nutzbar gemacht würden. Im übrigen sei bei der Erstellung von Betriebssystemen eine besondere schöpferische Leistung nur begrenzt vorhanden. Dem Hersteller der Programmanweisung würden von der Struktur der Hardware und ihren elektronischen Bauteilen exakte Vorgaben darüber gemacht, wie diese Teile funktionierten. Die Betriebssysteme seien weitgehend standardisiert. Die gestalterische Freiheit des Programmierers sei --anders als bei der Erstellung von Anwendungssoftware-- äußerst eingeschränkt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht das von der Klägerin erworbene Programm nicht als materielles (körperliches), sondern als immaterielles (unkörperliches) Wirtschaftsgut beurteilt, und es deshalb zutreffend abgelehnt, für den Erwerb Investitionszulage zu gewähren.

1. Als begünstigte Investitionen werden in § 4b Abs.2 InvZulG 1982 nur die Anschaffung oder Herstellung bestimmter beweglicher und unbeweglicher Wirtschaftsgüter bzw. nachträgliche Herstellungsarbeiten an solchen Wirtschaftsgütern genannt. Damit sind nur Investitionen in bezug auf materielle, d.h. körperliche Wirtschaftsgüter, nicht hingegen hinsichtlich immaterieller, also unkörperlicher Wirtschaftsgüter begünstigt (Urteile des Senats vom 22. Mai 1979 III R 129/74, BFHE 128, 289, BStBl II 1979, 634; vom 3. Juli 1987 III R 7/86, BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728; Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, 51, Tz.37).

2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß das von der Klägerin erworbene Programm keine Einheit mit dem Computer bildet, sondern ein selbständiges Wirtschaftsgut darstellt.

Der Senat hat in dem Urteil vom 3. Juli 1987 III R 147/86 (BFHE 150, 490, BStBl II 1987, 787) entschieden, daß Computeranwenderprogramme mit der Datenverarbeitungsanlage keine Einheit darstellen, sondern selbständige Wirtschaftsgüter sind. Er hat seine Auffassung damit begründet, Anwenderprogramme seien im Geschäftsverkehr selbständige Handelsobjekte und nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertungsfähig. Für diese Programme gebe es einen eigenen Markt. Viele seien auf unterschiedlichen Computertypen lauffähig. Computer und Anwenderprogramme könnten von verschiedenen Firmen bezogen werden; ferner würden getrennte Preise berechnet. Daß Anwenderprogramme möglicherweise für eine bestimmte Datenverarbeitungsanlage angeschafft und ohne sie nicht nutzbar seien --ebenso wie auch die Computeranlage ohne Programme nutzlos sei--, stehe ihrer Eigenschaft als selbständige Wirtschaftsgüter nicht entgegen.

Diese vom Senat herangezogenen Kriterien sind nicht auf die steuerliche Behandlung der Anwendersoftware beschränkt. Sie gelten grundsätzlich auch für die Anerkennung der Systemsoftware als selbständiges Wirtschaftsgut. Auch insofern handelt es sich --bei einem Standardprogramm wie im Streitfall-- um selbständig bewertbare Handelsobjekte, die auf verschiedenen Anlagen eingesetzt werden und häufig auch von unterschiedlichen Anbietern bezogen werden können. Dies gilt jedenfalls seit der allmählich eingetretenen Verselbständigung der Märkte für Hardware und Systemsoftware ab etwa Mitte der 80er Jahre (s. auch Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1990, 501). Daß Systemprogramme ohne eine entsprechende Hardware nicht nutzbar sind, kann --ebenso wie bei Anwenderprogrammen-- kein Kriterium für die Eigenschaft als unselbständiges Wirtschaftsgut sein (ebenso auch Hauter, Computer und Recht --CR-- 1987, 580, a.E.; Voss, Finanz-Rundschau --FR-- 1989, 358, 360, 361; Sauer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1988, 727, 731; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13.Aufl., § 5 Anm.31 "Software"; Pankow/ Reichmann in Beck'scher Bilanzkommentar, 2.Aufl., § 247 AktG Anm.377).

Lediglich für Ausnahmefälle, wie z.B. beim Erwerb von Hardware und zugehöriger Systemsoftware im Rahmen eines sog. Bundling, bei dem die Systemsoftware zusammen mit der Hardware ohne gesonderte Berechnung und ohne eine Aufteilbarkeit des Entgelts zur Verfügung gestellt wird, bildet die Hardware mit der Systemsoftware eine Einheit (Beschluß des Senats vom 16. Februar 1990 III B 90/88, BFHE 160, 364, BStBl II 1990, 794).

Hiervon ausgehend stellt das von der Klägerin erworbene Systemprogramm ein selbständiges Wirtschaftsgut dar. Es wurde von ihr gesondert von einem Dritten, nicht von dem Veräußerer der Hardware, erworben. Für den Erwerb sind ihr von den Aufwendungen für die Hardware abgrenzbare Kosten entstanden. Sie hat das Programm sonach im Geschäftsverkehr und auch nach der Verkehrsauffassung als selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut erworben. Daß sie es für den Einsatz einer ganz bestimmten Datenverarbeitungsanlage angeschafft hat, ist nicht entscheidend (Urteil in BFHE 150, 490, BStBl II 1987, 787).

Die Besonderheiten des vorliegenden Falles führen zu keiner anderen Beurteilung. Bei der seinerzeitigen Anschaffung der von der Klägerin gebraucht gekauften Anlage durch den Ersterwerber bzw. zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin Ende 1982/Anfang 1983 war zwar möglicherweise die Verselbständigung der Märkte für Hard- und Systemsoftware --auf dem betreffenden Teilmarkt-- noch nicht abgeschlossen. Gleichwohl hat die Klägerin das Programm von einem Dritten gegen ein gesondertes Entgelt und damit --auch nach der Verkehrsauffassung-- als selbständiges Wirtschaftsgut angeschafft. Der vom Senat in dem Beschluß in BFHE 160, 364, BStBl II 1990, 794 hervorgehobene Gesichtspunkt der Verselbständigung der Märkte ist --zur Bestimmung der Verkehrsauffassung-- nur dann ausschlaggebend, wenn Hard- und Systemsoftware zu einem einheitlichen Preis berechnet worden sind.

Aus der Wertung der von der Klägerin erworbenen Systemsoftware als selbständiges Wirtschaftsgut ergibt sich auch, daß die ihr insoweit entstandenen Aufwendungen Anschaffungskosten für dieses Wirtschaftsgut darstellen. Sie können nicht, wie die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 18. März 1985 5 K 287/84 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1985, 511) ergänzend meint, als nachträgliche Herstellungskosten i.S. von § 4b Abs.2 Nr.2 InvZulG 1982 für die Rechneranlage beurteilt werden. Durch das Einspeisen des Programms in die Maschine verliert die Systemsoftware ihre Eigenschaft als selbständiges Wirtschaftsgut nicht. Aus technischen Gründen wurde die Steuerung der Hardware von dieser losgelöst und gesonderten Programmen übertragen. Diese verbleiben freilich auch während der Nutzung in Verbindung mit einer Maschine selbständige Wirtschaftsgüter. Denn sie können, wodurch sich die Flexibilität einer Anlage erhöht, jederzeit modifiziert und ausgetauscht werden.

3. Das FG hat das von der Klägerin erworbene Systemprogramm ferner zu Recht als immaterielles Wirtschaftsgut beurteilt.

In dem Urteil in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728 hat der Senat zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG --in der für das Jahr 1979 geltenden Fassung--) grundlegend entschieden, daß der Erwerb von Anwendersoftware als Anschaffung immaterieller Wirtschaftsgüter zu beurteilen ist. Dies gilt für den Erwerb von Individual- und auch von Standardprogrammen und ferner unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige nur ein befristetes oder ein unbefristetes Nutzungsrecht oder Eigentum an dem Programm erwirbt (vgl. a. Urteil des Senats vom 10. August 1988 III R 54/87, BFH/NV 1989, 128, sowie --zu § 4b InvZulG 1982-- Urteil vom 10. August 1988 III R 105/86, BFH/NV 1989, 47). Für die Behandlung solcher Programme als Anschaffung immaterieller Wirtschaftsgüter war für den Senat entscheidend, daß es sich dabei um geistig-schöpferische Werke handelt, für die der Anwender das Entgelt bezahlt. Im Vordergrund steht der geistige Gehalt eines Programms, an dem der Anwender vorrangig interessiert ist und für den er bereit ist, einen u.U. hohen Preis zu bezahlen. Das Programm stellt für den Erwerber den entscheidenden betrieblichen Vorteil dar. Der Datenträger tritt demgegenüber zurück. Sein Materialwert steht regelmäßig in keinem Verhältnis zum Wert des Programms und bleibt daher grundsätzlich außer Betracht.

Die Gesichtspunkte, die der Senat in dem Urteil in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728 als ausschlaggebend für die Beurteilung von Anwendungssoftware als immaterielles Wirtschaftsgut angesehen hat, treffen auch für --als selbständiges Wirtschaftsgut zu behandelnde-- Systemsoftware zu. Auch insoweit handelt es sich um geistig-schöpferische Werke, bei denen für den Erwerber unter Zurücktreten des Datenträgers der geistige Gehalt im Vordergrund steht. Die Systemsoftware ist sogar in besonderem Maße dafür geschaffen und geeignet, Befehle und Anweisungen nicht an einen Menschen, sondern an eine Maschine --den Computer-- zu geben (Hauter, a.a.O., 581; o.V., HFR 1990, 501; s. auch Voss, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Berlinförderungsgesetz 1970, § 19, Rechtsspruch 93). Der Senat sieht daher, wie er bereits in dem Beschluß in BFHE 160, 364, BStBl II 1990, 794 zu erkennen gegeben hat, --in Übereinstimmung mit den überwiegenden Stimmen im Schrifttum-- auch die Systemsoftware grundsätzlich als immaterielles Wirtschaftsgut an (s. auch Voss, FR 1989, 358, 361; Schmidt, a.a.O., § 5 Anm.31 "Software" m.w.N.; ebenso BMF-Schreiben vom 20. Januar 1992, Der Betrieb --DB-- 1992, 450; a.A. Sauer, a.a.O., 731).

4. Nach diesen Grundsätzen stellt die von der Klägerin erworbene Systemsoftware ein immaterielles und sonach nicht investitionszulagebegünstigtes Wirtschaftsgut dar. Wie in dem Urteil in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728 hat der Senat auch hier über Trivialprogramme, für die möglicherweise andere Grundsätze gelten (s.a. Abschn.31a Abs.1 der Einkommensteuerrichtlinien 1993 und BMF-Schreiben in DB 1992, 450) nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420130

BFH/NV 1994, 81

BStBl II 1994, 873

BFHE 175, 184

BFHE 1995, 184

BB 1994, 2067

BB 1994, 2133

BB 1994, 2133-2134 (LT)

DB 1994, 2220 (L)

DStR 1994, 1652 (KT)

HFR 1995, 78-80 (LT)

StE 1994, 612-613 (K)

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