Entscheidungsstichwort (Thema)

Pachtzinsen für den Praxiswert einer an eine Steuerberatungs-GmbH verpachteten Steuerberatungskanzlei als vGA

 

Leitsatz (amtlich)

Verpachtet der Inhaber einer Steuerberatungskanzlei diese an eine Steuerberatungs-GmbH, die er nunmehr als (Gesellschafter-) Geschäftsführer gegenüber der Mandantschaft vertritt, so stellen die ihm auf den Praxiswert zugewendeten Pachtzinsen keine Betriebsausgaben, sondern verdeckte Gewinnausschüttungen dar.

 

Orientierungssatz

Der Praxiswert ist die über den Substanzwert einer freiberuflichen Praxis hinausgehende Gewinnaussicht, die sich aus dem Vertrauen der Mandanten in die Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit des Praxisinhabers ergibt (vgl. BFH-Rechtsprechung). Der Praxiswert ist somit nicht an ein bestimmtes Unternehmen, sondern an eine bestimmte Person gebunden, wobei sich das Vertrauen in die persönliche Arbeitsleistung eines Freiberuflers nur gegenüber einer natürlichen Person bilden kann (Literatur).

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Entscheidung vom 12.08.1987; Aktenzeichen 1 K 71/86)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde mit notariellem Vertrag vom 19.Dezember 1980 gegründet. Ihr Stammkapital betrug 50 000 DM, an dem anfänglich die beiden Gesellschafter, die Steuerberater K und F, je zur Hälfte beteiligt waren. Ab 19.März 1981 betrug der Anteil von K am Stammkapital 75 v.H. und derjenige von F 25 v.H. Gegenstand des Unternehmens war die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen. Alleiniger Geschäftsführer war K.

Am 17.Dezember 1980 schlossen die Klägerin und K, der bis dahin Inhaber einer Steuerberatungspraxis war, einen "Pachtvertrag" über diese Steuerberatungspraxis. Für die Überlassung der Praxis, deren Gesamtwert mit 700 000 DM angenommen wurde (650 000 DM für Kundenstamm, 50 000 DM für Einrichtung), sollte die Klägerin jährlich 102 000 DM in monatlichen Teilbeträgen von jeweils 8 500 DM an K entrichten. Der "Pachtvertrag" wurde zunächst auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, sollte jedoch mit einer Frist von sechs Monaten zum jeweiligen Jahresende kündbar sein.

In den Steuererklärungen für das Streitjahr machte die Klägerin die von ihr an K erbrachten Zahlungen in Höhe von 102 000 DM als Betriebsausgaben geltend.

Mit Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheiden für das Streitjahr vom 24.Oktober bzw. 2.November 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.Februar 1986 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) dem Pachtvertrag die steuerliche Anerkennung. Er sah den Pachtvertrag als Kaufvertrag an, zu dessen Erfüllung die Klägerin eine Rentenverpflichtung eingegangen sei. Die Rentenleistung teile sich in einen als Betriebsausgabe anzuerkennenden Zinsanteil in Höhe von 41 262 DM und einen Tilgungsanteil von 5 478 DM. Der verbleibende Teilbetrag von 55 260 DM stelle eine verdeckte Gewinnausschüttung dar.

Am 28.Mai 1984 hatte die Klägerin wegen des begehrten Betriebsausgabenabzugs die Herabsetzung der Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen für 1984 und 1985 beantragt. Diesen Antrag hatte das FA am 1.Juni 1984 abgelehnt. Den dagegen eingelegten Einspruch entschied das FA in gleicher Weise.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen teilweise auf und gab dem FA auf, die Steuerbeträge unter Berücksichtigung von Schuldzinsen in Höhe von 49 000 DM für den Kauf der Steuerberaterpraxis K sowie ohne Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung wegen der Zahlungen an K bei gleichzeitiger Korrektur der Gewerbesteuerrückstellungen neu zu errechnen. Im übrigen wies das FG die Klage ab. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 610 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 7, 8, 47, 49 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977), §§ 4, 37 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und §§ 6, 7, 14 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG des Saarlandes vom 12.August 1987 1 K 71/86 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25.September 1987 teilweise aufzuheben und unter Änderung der angefochtenen Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Steuerbeträge unter Berücksichtigung der von der Klägerin als Betriebsausgaben ausgewiesenen 102 000 DM neu zu errechnen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision, soweit sie das Urteil des FG in Sachen Gewerbesteuermeßbetrag 1981 betrifft, ist unbegründet. Sie war daher insoweit gemäß § 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Im übrigen führt die Revision der Klägerin zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie mit der Revision angefochten wurde, und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

1. Die als Betriebsausgaben geltend gemachten Pachtzinsen, die die Klägerin dem Gesellschafter-Geschäftsführer K zuwendete, stellen verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 dar und mindern das Einkommen der Klägerin nicht. Da diese Aufwendungen als geltend gemachte Betriebsausgaben nicht erst auf der Einkommens-, sondern auf der Gewinnebene zu berücksichtigen wären (vgl. § 8 Abs.1 KStG 1977 i.V.m. § 2 Abs.2 bis 5 EStG), sind sie dem Gewinn der Klägerin zuzurechnen und wirken sich damit gemäß § 7 GewStG auf den Gewerbeertrag für den Erhebungszeitraum 1981 aus. Dabei kann es dahinstehen, ob diese Zurechnung zum Gewinn innerhalb oder außerhalb der Bilanz der Klägerin vorzunehmen ist. Es kann ferner dahinstehen, ob die gewährten Vermögensvorteile rechtlich oder wirtschaftlich als Pachtzinsen oder Kaufpreisraten einzuordnen sind.

2. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit dem Urteil vom 16.März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) die Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

3. K war im Streitfall Gesellschafter der Klägerin. Angesichts der Umstände des Falles hätte eine Steuerberatungs-GmbH bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter keine Vermögensvorteile für die Überlassung des Geschäftswertes der Steuerberatungspraxis gewährt, da der Inhaber der Praxis bei ihr als Geschäftsführer angestellt war. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird keine wirtschaftlichen Vorteile abgelten, über die er ohnedies verfügt. Im Streitfall war aber dem K bei Abschluß des Pachtvertrags bereits bekannt, daß er Geschäftsführer der Klägerin würde, denn sonst hätte er nicht in deren Vertretung den Pachtvertrag unterzeichnet. Dies ist durch Bezugnahme des FG auf den Pachtvertrag festgestellt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Praxiswert die über den Substanzwert einer freiberuflichen Praxis hinausgehende Gewinnaussicht, die sich aus dem Vertrauen der Mandanten in die Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit des Praxisinhabers ergibt (BFH-Urteile vom 15.April 1958 I 61/57 U, BFHE 67, 151, BStBl III 1958, 330, und vom 1.April 1982 IV R 2-3/79, BFHE 136, 83, BStBl II 1982, 620). Der Geschäftswert ist somit nicht an ein bestimmtes Unternehmen, sondern an eine bestimmte Person gebunden, wobei sich das Vertrauen in die persönliche Arbeitsleistung eines Freiberuflers nur gegenüber einer natürlichen Person bilden kann (vgl. Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 8.Aufl. 1989, § 18 Anm.29 c). Da im Streitfall der Inhaber der überlassenen Steuerberaterpraxis (alleiniger) Geschäftsführer der Klägerin wurde, werden ihm die Mandanten der früheren Praxis das auf seiner persönlichen Leistung beruhende Vertrauen weiter entgegenbringen. Zumindest aber ist es dafür unerheblich, ob die Kapitalgesellschaft, die der frühere Praxisinhaber nunmehr als Geschäftsführer gegenüber der Mandantschaft vertritt, Aufwendungen auf den Mandantenstamm getätigt hat oder nicht. Die Kapitalgesellschaft wird dies in der Regel nicht einmal gegenüber den Mandanten offenlegen.

b) Ansonsten sind keine Gründe ersichtlich, die die Klägerin bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zur Abgeltung eines Mandantenstammes hätten veranlassen müssen. Aufgrund seiner Treuepflichten gegenüber der GmbH war der Geschäftsführer K nicht nur gehalten, alles zu unterlassen, was das weitere Vertrauen seiner früheren Mandanten gegenüber der Klägerin behindern würde, sondern darüber hinaus verpflichtet, dieses Vertrauen aktiv zu fördern (vgl. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 14.Aufl. 1985, § 35 Rdnr.20). Ebensowenig durfte K seine Steuerberaterpraxis neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin fortführen. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist seiner Kapitalgesellschaft gegenüber sowohl als Gesellschafter als auch als Geschäftsführer einem Wettbewerbsverbot unterworfen, es sei denn, ihm wurde von der Einhaltung zivilrechtlich wirksam Dispens erteilt (BFH-Urteil vom 26.April 1989 I R 172/87, BFHE 157, 138, BStBl II 1989, 673; Baumbach/Hueck, a.a.O., § 35 Rdnr.22). Für einen solchen Dispens ist im Streitfall nichts ersichtlich.

4. a) Da nur die Klägerin Revision eingelegt hat, muß eine Verböserung aufgrund des Revisionsverfahrens ausscheiden. Die verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der "Pachtzahlungen" kann aber zu einer gegenüber dem FG-Urteil weiteren Herabsetzung der Körperschaftsteuer führen, da sie nicht nur bei der Herstellung der Tarif-, sondern als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 auch bei der Herstellung der Ausschüttungsbelastung zu berücksichtigen ist. Die Körperschaftsteuer wäre dann weiter herabzusetzen, wenn die Körperschaftsteuerminderung aufgrund einer anderen Ausschüttung die Erhöhung der Tarifbelastung überstiege, die aufgrund der Entscheidung des erkennenden Senats eintritt. Der Senat kann diese Frage nicht selbst entscheiden, da es an der Feststellung der maßgeblichen Bestände des verwendbaren Eigenkapitals fehlt. Dies wird das FG noch zu tun und dabei auch klarzustellen haben, ob sich der Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung zugleich auf die fingierte Feststellung des Einkommens gemäß § 47 Abs.2 Satz 2 KStG 1977 bezieht. Dazu verweist der Senat auf sein Urteil vom 16.März 1988 I R 188/84 (BFHE 153, 219, BStBl II 1988, 683).

Eine Herabsetzung der Körperschaftsteuer dürfte aber allenfalls in Betracht kommen, wenn die Klägerin einen Antrag gemäß § 54 Abs.7 KStG 1984 stellte, den das FA bislang lediglich unterstellt hat. Das FG wird dann auch zu prüfen haben, ob und inwieweit die "Pachtzahlungen" im Streitjahr abgeflossen sind (vgl. dazu z.B. BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854).

b) Das Begehren der Klägerin, die festgesetzten Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen ab II/1984 nach unten anzupassen, stellt entgegen der Auffassung des FG keinen Anfechtungs-, sondern einen Verpflichtungsantrag dar. Das FG wird zu prüfen haben, ob sich hier inzwischen die Hauptsache insbesondere wegen Erlaß der Jahressteuerfestsetzung erledigt hat (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 8.Aufl. 1989, § 37 Anm.7).

Der Senat hat deshalb das angefochtene Urteil im Sinne der Körperschaftsteuer 1981 und der Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen ab II/1984 aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63499

BFH/NV 1990, 53

BStBl II 1990, 595

BFHE 160, 237

BFHE 1991, 237

BB 1990, 1400

BB 1990, 1400-1401 (LT)

DB 1990, 1746-1747 (LT)

DStR 1990, 421 (KT)

HFR 1990, 570 (LT)

StE 1990, 226 (K)

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