Leitsatz (amtlich)

Gewährt eine inländische Tochtergesellschaft ihrer ebenfalls im Inland ansässigen Schwestergesellschaft zinsgünstige Darlehen, so liegt in dieser Vorteilszuwendung auch dann kein die Kapitalertragsteuerpflicht begründender Zufluß bei der gemeinsamen ausländischen Muttergesellschaft, wenn bei der Tochtergesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft anzunehmen ist.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2; EStG § 20 Abs. 1, § 43 Abs. 1, 3-4, § 44 Abs. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile in den Streitjahren (1968 und 1969) je zur Hälfte einer ausländischen und einer inländischen Kapitalgesellschaft gehörten. Schwestergesellschaften der Klägerin waren die Gesellschaft B mit denselben Gesellschaftern und den gleichen Anteilsverhältnissen, sowie die inländische E-AG, eine 100 %ige Tochtergesellschaft des ausländischen Unternehmens. Die Klägerin hat in den Streitjahren ihren Gesellschaftern und den genannten Schwestergesellschaften Kredite gewährt. Diese Darlehen wurden aufgrund schriftlicher und mündlicher Absprachen mit 1 v. H. über dem Diskontsatz der Bundesbank verzinst.

Anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1973 hielt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diese Verzinsung für unzureichend, da die Klägerin im normalen Geschäftsverkehr im zweiten Halbjahr 1968 (das erste Halbjahr ist wegen dieser Frage nicht im Streit) insgesamt 50 Mio. DM und 1969 insgesamt 150 Mio. DM mittelfristig zu einem Zinssatz von mindestens 2 v. H. über Diskont hätte anlegen können. In dem Zinsunterschied lägen versteckte Gewinnausschüttungen (vGA) an die beiden Gesellschafter der Klägerin. Das FA erhöhte das Einkommen der Klägerin entsprechend. Außerdem verlangte es für die Hälfte der vGA Kapitalertragsteuer, da die Zinsverbilligung insoweit inländischen Tochtergesellschaften der ausländischen Muttergesellschaft zugute gekommen sei und diese dadurch selbst einen Vorteil erlangt habe.

Die Klägerin hat die berichtigten Körperschaftsteuerbescheide nicht angefochten, jedoch die Entrichtung von Kapitalertragsteuer verweigert. Das FA erließ deshalb einen Haftungsbescheid. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 134 (EFG 1977, 134) veröffentlichten Entscheidung den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Es führte aus, daß die Klägerin wegen der Kreditgewährung an ihre Schwestergesellschaften nicht zur Haftung herangezogen werden könne, weil die Einräumung von Zins- und sonstigen Nutzungsvorteilen an Schwestergesellschaften keine Kapitalertragsteuerpflicht auslöse.

In seiner Revision beantragt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und (sinngemäß) die Abweisung der Klage. Es rügt Verletzung sachlichen Rechts. Die Auffassung des FG, ein durch die Kapitalertragsteuer erfaßbarer Vorteil wäre für den Gesellschafter nur dann gegeben, wenn er die Nutzungen mit ihrem wahren Wert einlegen könnte, sei in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden. Sie vermenge unzulässigerweise Fragen zur vGA mit solchen zur Einlagefähigkeit von Wirtschaftsgütern. Sie führe darüber hinaus zu Unterschieden, die im Ergebnis nicht gerechtfertigt werden könnten. So sei nicht einzusehen, warum ein Gesellschafter nur dann einen Vorteil erlangen solle, wenn Wirtschaftsgüter zwischen Schwestergesellschaften zu Vorzugspreisen geliefert würden, nicht aber, wenn einer Schwestergesellschaft Nutzungsvorteile eingeräumt würden. Die ständige Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. August 1975 IV R 30/71, BFHE 117, 44 BStBl II 1976, 88, 91) lege es nahe, die Besteuerung sowohl der Kapitalgesellschaft als auch ihrer Gesellschafter hinsichtlich der vGA grundsätzlich abgesehen vom Körperschaftsteuertarif so durchzuführen, als ob ein Leistungsaustausch zu angemessenen Preisen und gleichzeitig eine entsprechende offene Gewinnausschüttung stattgefunden hatten. Gewähre eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen zu unangemessen niedrigem Zins, so werde die Besteuerung so vorgenommen, als wenn der Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft angemessene Zinsen gezahlt und diese dann im Wege der vGA zurückerhalten hätte (BFH-Urteil vom 25. September 1970 VI R 122/67 BFHE 100, 301, BStBl II 1971, 53). Der darin liegende Zufluß werde von der Kapitalertragsteuer erfaßt (Hinweis auf BFH-Urteil vom 21. Dezember 1972 R 70/70, BFHE 108, 175, BStBl II 1973, 449). Für den Streitfall sei allein von Bedeutung, daß auch bei vGA durch Darlehnsgewährungen an Schwestergesellschaften von der Sachverhaltsunterstellung auszugehen sei, der Gesellschafter habe Zinszahlungen geleistet und durch eine Gewinnausschüttung zurückerhalten. Mit dem Streitfall sei der Sachverhalt des BFH-Urteils in BFHE 108, 175, BStBl II 1973, 449 zu vergleichen. In dieser Entscheidung sei der BFH zu einer grundsätzlichen Gleichstellung der Fälle gelangt, in denen Schwestergesellschaften unangemessen niedrige Nutzungsentgelte vereinbarten, mit den Fällen, in denen zwischen Schwestergesellschaften für die Lieferung von Waren unangemessen niedrige Preise vereinbart würden. Auf die Weitergabe des Vorteils in Form einer verdeckten Einlage komme es nicht an.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie führt aus, das für die E-AG zuständige FA habe es abgelehnt, das Einkommen der E-AG um den Wert der behaupteten Nutzungseinlage zu kürzen. Das im Streitfall beklagte FA berücksichtige nicht, daß die von ihm betriebene Besteuerung zu einer Gesamtbelastung des angeblich verdeckt ausgeschütteten Betrages mit Ertragsteuern in Höhe von fast 170 v. H. führe. Dies ergebe sich aus der Dreifachbesteuerung bei ihr, der Klägerin, sowie bei der ausländischen Muttergesellschaft und bei der E-AG. Dies sei der Kern des Rechtsstreits.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

1. Die Muttergesellschaft der Klägerin hat weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland. Sie ist daher mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -). Zu den inländischen Einkünften (§ 6 Abs. 1 KStG, § 49 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) gehören Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs; 1 Nr. 1 EStG, wenn der Schuldner - hier die Klägerin - seine Geschäftsleitung im Inland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Bereits nach der für die Streitjahre maßgebenden Gesetzeslage rechneten - entgegen, der Ansicht der Klägerin - zu diesen inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 108, 175, BStBl II 1973, 449). Die entsprechende, erst durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18. Juli 1974 - StÄndG 1973 - (BGBI I 1974, 1489) in die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG als letzter Satz eingefügte Ergänzung, nach welcher die die Steuerpflicht besonderer Entgelte und Vorteile betreffende Vorschrift des § 20 Abs. 2 EStG entsprechend gilt, hatte nur klarstellende Bedeutung.

2. Bei Gewinnanteilen (Dividenden) und sonstigen Bezügen insbesondere aus Aktien oder Kuxen wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag - Kapitalertragsteuer - erhoben (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Steuerabzugspflichtige Kapitalerträge sind auch besondere Entgelte oder Vorteile i. S. des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG (§ 43 Abs. 3 EStG), mithin auch vGA. Sie sind als inländische Kapitalerträge i. S. des § 43 Abs. 1 EStG anzusehen, wenn der Schuldner, wie hier die Klägerin, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (§ 43 Abs. 4 EStG). Der Schuldner hat die Kapitalertragsteuer für den Gläubiger einzubehalten. Er hat den Steuerabzug in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (§ 44 Abs. 3 EStG). Der Schuldner der Kapitalerträge haftet für die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 5 Satz 2 EStG).

II.

Das FG hat die Kapitalertragsteuerhaftung der Klägerin zu Recht verneint.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine vGA (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) angenommen werden muß, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrer Schwestergesellschaft Zinsvorteile einräumt, die nicht betrieblich veranlaßt sind, sondern ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis haben.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine vGA vor, wenn eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person, z. B. einer Schwestergesellschaft, außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde (so zuletzt BFH-Urteil vom 12. März 1980 I R 186/76, BFHE 130, 296, BStBl II 1980, 531). Ein solcher Vorteil kann beispielsweise in der Form zugewendet werden, daß die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter (Muttergesellschaft) ein außergewöhnlich zinsgünstiges Darlehen gewährt (§ 19 Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes KStDV ). Unter den gleichen Voraussetzungen liegt eine vGA auch vor, wenn ein solcher Vorteil nicht dem Gesellschafter unmittelbar sondern einer diesem nahestehenden Person, wie hier der Schwestergesellschaft, zugewendet wird (so insbesondere BFH-Urteil in BFHE 108, 175, BStBl II 1973, 449 m. w. N.).

2. Der Senat folgt dem FG auch darin, daß die Verpflichtung der Klägerin zur Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer deshalb zu verneinen ist, weil ihrer Muttergesellschaft die vGA nicht "zugeflossen" ist.

a) Der Ansatz einer vGA bedeutet nicht ohne weiteres einen Zufluß beim Gesellschafter (vgl. BFH Urteile vom 11. September 1968 I 89/63, BFHE 93, 382, BStBl II 1968, 809, sowie vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408; Döllerer, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1972/73, S.142, 154; derselbe Verdeckte Gewinnausschüttungen und Verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 1975 S.35). Ein solcher Zufluß wäre allerdings anzunehmen, wenn es sich bei der vGA in Gestalt der Vorteilszuwendung an die Schwestergesellschaft um die Übertragung einlagefähiger Werte gehandelt hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 108, 175, BStBl II 1973, 449). Dies ist bei der Überlassung von Nutzungen - wie hier bei der Gewährung von Darlehen - nicht der Fall. Wenn ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft Nutzungsvorteile ohne Entgelt oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt überläßt, so liegt darin nach ständiger Rechtsprechung keine verdeckte Einlage (BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408; vgl. auch das inzwischen rechtskräftige Urteil des FG Düsseldorf vom 19. September 1978, EFG 1979, 201, Betriebs-Berater 1979 S. 1539 - BB 1979, 1539-, mit Anmerkung Döllerer). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Ihr haben sich inzwischen auch die obersten Finanzbehörden angeschlossen (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 24. Juli 1979, BStBl I 1979, 564). Zu den im Schrifttum vertretenen Gegenmeinungen (vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 2. Aufl., Köln, 1979, 332; Fasold, Der Betrieb 1961 S. 386 - DB 1961, 386-; Mathiak, Deutsches Steuerrecht 1970 S.359, 364 - DStR 1979, 359, 364-; Röhrkasten, BB 1974, 825, 831f.; Pezzer, Steuer und Wirtschaft 1975 S. 222, 229 - StuW 1975, 222, 229-; Hundertmark/Herms, BB 1976, 80; Meilicke, DB 1977, 927, 932) bemerkt der Senat, daß sich aus rechtssystematischen Gründen die Behandlung verdeckter Gewinnausschüttungen und verdeckter Einlagen nicht deckt (siehe dazu Groh, in Festschrift für Flume, Bd. 2, Köln 1978 S.71, 77f., m. w. N.).

b) Der erkennende Senat hat allerdings in dem Urteil in BFHE 101, 501 (508), BStBl II 1971, 408 offengelassen, ob eine andere Beurteilung bei Auslandsbeziehungen gerechtfertigt erscheint. Der Senat verneint die Frage (vgl. vomWallis, Steuerberater-Jahrbuch 1973/74 S. 94; EFG 1979, 201). Er sieht sich hierin bestätigt durch die inzwischen mit Wirkung vom 1. Januar 1972 eingeführte Sonderregelung für Korrekturen von Einkünften nach § 1 des Außensteuergesetzes. Auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1972 und damit für die Streitjahre bewendet es deshalb bei den dargestellten allgemeinen Grundsätzen.

c) Kommt hiernach bei der Schwestergesellschaft der Klägerin die Annahme einer verdeckten Einlage in Gestalt eines Nutzungsvorteils nicht in Betracht, so liegt bei der ausländischen Muttergesellschaft kein Zufluß vor, welcher deren Kapitalertragsteuerpflicht begründen könnte. Fehl geht die in der Revision vorgetragene Ansicht des FA, der Zufluß bei der Muttergesellschaft ergebe sich aus der Unterstellung daß die Schwestergesellschaft angemessene Zinsen gezahlt und diese im Wege der verdeckten Gewinnausschüttung (an die Muttergesellschaft und von dieser im Wege der verdeckten Einlage) zurückerhalten habe. Zu dieser Frage hat der erkennende Senat bereits dem Urteil in BFHE 101, 501 (508). BStBl II 1971, 408 Stellung genommen. Er hat dort die Annahme solcher Unterstellungen verneint. Unzutreffend ist auch die Ansicht des FA, daß durch die dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung die Frage der vGA mit derjenigen nach der Einlagefähigkeit von Wirtschaftsgütern vermengt werde. Das Gegenteil ist der Fall. Die dargelegte Ansicht des erkennenden Senats beruht vielmehr gerade auf der getrennten Behandlung dieser beiden Fragen.

3. Gegenstand des Rechtsstreits ist nur die Kapitalertragsteuerhaftung der Klägerin und nicht die Frage, ob bei der Körperschaftsteuerveranlagung der Klägerin vGA zu berücksichtigen sind. Da die Kapitalertragsteuerpflicht der ausländischen Muttergesellschaft und damit die Haftung der Klägerin für die Kapitalertragsteuer bereits aus den vorstehenden Gründen zu verneinen sind, hat der Senat auf die Frage, ob und in welchem Umfang nach den von der Klägerin vereinbarten Darlehnsbedingungen vGA an die ausländische Muttergesellschaft anzunehmen waren, nicht einzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413551

BStBl II 1981, 612

BFHE 1981, 172

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