Leitsatz (amtlich)
Ein teils zu Wohnzwecken und teils zu anderen Zwekken bestimmtes Gebäude ist i. S. von § 7 b EStG fertiggestellt, wenn der mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dienende Teil bezugsfertig erstellt ist.
Normenkette
EStG 1960 § 7b Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob es für die Inanspruchnahme der erhöhten AfA nach § 7 b EStG bei einem gemischtgenutzten Gebäude auf den Zeitpunkt der Erstellung des gesamten Gebäudes ankommt.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete ein Gebäude, in dem sich ein Hotel, 90 Appartementwohnungen und zwei größere Mietwohnungen befinden. Im Erdgeschoß sind die Restaurationsräume, im 1. Obergeschoß nur Hotelzimmer, im 2. Obergeschoß je zur Hälfte Hotelzimmer und Wohnungen und in den übrigen fünf Etagen die weiteren Appartements und zwei größere Wohnungen untergebracht.
Die Wohnungen und Hotelzimmer wurden 1964 bezugsfertig; die Wohnungen waren Ende 1964 bezogen, die Hotelzimmer blieben einstweilen ungenutzt. Die Restaurationsräume im Erdgeschoß befanden sich Ende 1964 noch im Rohbau; sie wurden erst 1965 fertiggestellt.
Der Kläger beanspruchte für 1964 die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG für die bis dahin angefallenen Herstellungskosten. Außerdem wollte er von den Anschaffungskosten für 65 Herd-Spülbeckenkombinationen und eine Musterküche AfA von 10 v. H. vornehmen.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) versagte bei der Einkommensteuerveranlagung für 1964 die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG. Zugelassen wurden AfA nach § 7 EStG von den Herstellungskosten des bis 1964 bezogenen Wohnteils und AfA von 10 v. H. von den Anschaffungskosten für die Herd-Spülbeckenkombinationen und die Musterküche.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage im wesentlichen statt und führte dazu aus:
Dem Kläger stehe die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG zu, da das von ihm errichtete Gebäude zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken diene und in 1964 fertiggestellt worden sei. Für die Fertigstellung i. S. von § 7 b EStG komme es darauf an, daß ein Gebäude bezugsfertig und nach der Verkehrsauffassung bewohnbar ist. Fertiggestellt sei ein teilweise anderen als Wohnzwecken dienendes Gebäude auch dann, wenn das Gebäude in der vorgesehenen Weise bewohnt werde und der nicht zu Wohnzwecken bestimmte Teil noch nicht hergestellt sei, ohne daß hierdurch die Bewohner spürbar in ihrem Mietgenuß beeinträchtigt werden. Das sei hier der Fall. Die Mieter der Appartementwohnungen seien durch die noch auszuführenden Bauarbeiten nicht behindert worden. Die Wohnungen seien bereits 1964 durch ein eigenes Treppenhaus und einen Aufzug erreichbar gewesen.
Die erhöhte AfA nach § 7 b EStG sei nicht nur von den Herstellungskosten des Gebäudes, sondern auch von den Kosten für die Musterküche und die Herd-Spülkombinationen vorzunehmen. Bei Appartementwohnungen gehörten vom Vermieter eingebaute Herd- und Spülvorrichtungen und eine Einbauküche nicht zum Hausrat; diese Gegenstände dienten der Herstellung des Gebäudes.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 7 b EStG und bringt dazu vor:
Das FG habe den Begriff der Fertigstellung i. S. der genannten Vorschrift verkannt, wenn es bei einem gemischtgenutzten Gebäude allein auf die Bewohnbarkeit abstelle. Bei einem solchen Gebäude könne es nur auf die Fertigstellung des ganzen Gebäudes ankommen, da sonst Teilherstellungskosten in gesetzlich unzulässiger Weise begünstigt würden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Vorentscheidung ist nicht zu beanstanden, wenn sie angenommen hat, daß der Kläger das Gebäude 1964 fertiggestellt hat.
a) Das FG ist von einer rechtlich zutreffenden Auslegung des Begriffes Fertigstellung i. S. von § 7 b Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung - EStG 1960 - ausgegangen. Der weder im EStG noch in der EStDV näher erläuterte Begriff ist von der Rechtsprechung des BFH dahin ausgelegt worden, daß unter Fertigstellung die Bezugsfertigkeit in dem Sinne zu verstehen ist, daß das Gebäude nach Abschluß der wesentlichen Bauarbeiten bewohnbar ist (vgl. Urteile vom 8. April 1954 IV 393/53 U. BFHE 58, 692, BStBl III 1954, 175, und vom 8. Februar 1957 VI 132/55 U. BFHE 64, 352, BStBl III 1957, 133; vgl. zur Bezugsfertigkeit auch die neuere Entscheidung des III. Senats vom 26. Juni 1970 III R 56/69, BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769). In seinem Urteil vom 29. Oktober 1974 VIII R 139/70 (BFHE 114, 83, BStBl II 1975, 144) hat der Senat ausgeführt, daß sich an dieser Auslegung auch nichts durch das Urteil des BFH vom 13. Oktober 1961 VI 207/60 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 7 b, Rechtsspruch 58) geändert hat.
Entgegen der Auffassung des FA ist der Begriff der Fertigstellung bei Gebäuden, die zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dienen, nicht anders auszulegen als bei Gebäuden, die ganz zu Wohnzwecken benutzt werden. Der mögliche Wortsinn der Vorschrift erlaubt und ihr Zweck gebietet es, auch Gebäude, die in gesetzlich zulässigem Umfange anderen als Wohnzwecken dienen, als fertiggestellt anzusehen, wenn der zum Wohnen bestimmte Teil bewohnbar ist. § 7 b EStG bezweckt die Entlastung des Wohnungsmarktes durch Schaffung von Wohnraum. Dieser Zweck wird erreicht, wenn ein Gebäude in dem gesetzlichen Mindestumfange so erstellt ist, daß dieser Teil bezugsfertig - d. h. das Beziehen der Wohnung oder der Wohnungen muß zumutbar sein - und damit bewohnbar ist.
Diese Auslegung führt auch nicht, wie das FA meint, zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Begünstigung von Teilherstellungskosten. Mit der Neufassung des § 7 b Abs. 5 EStG 1960 wurde es zugelassen, daß nachträgliche Herstellungskosten vom Jahr ihrer Entstehung an so berücksichtigt werden können, als wären sie im Jahr der Fertigstellung entstanden. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung ist es möglich, ein Wohngebäude auch dann schon als i. S. von § 7 b Abs. 1 EStG fertiggestellt anzusehen, wenn das Gebäude noch nicht vollständig hergestellt ist und noch weitere Herstellungskosten anfallen.
b) Wenn das FG in Anwendung der vorerwähnten Grundsätze zu dem Ergebnis gelangt ist, daß das Haus des Klägers bereits 1964 fertiggestellt war, da es in dem dafür vorgesehenen Umfange ohne Behinderung durch die erst später abgeschlossenen Bauarbeiten für die Bewohner bewohnbar war, dann handelt es sich dabei um eine mögliche - insoweit auch vom FA nicht angegriffene - Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Die Vorentscheidung ist im Ergebnis aufrechtzuerhalten, wenn sie von den Anschaffungskosten für die Herd-Spülbeckenkombinationen sowie für die Einbauküche AfA zugelassen hat.
Es begegnet allerdings Bedenken, daß das FG die Aufwendungen für diese Gegenstände uneingeschränkt den Herstellungskosten des Gebäudes zugerechnet und demzufolge auch erhöhte AfA zugelassen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu die Urteile vom 11. Dezember 1973 VIII R 171/71, BFHE 112, 241, BStBl II 1974, 474, VIII R 174/71, BFHE 113, 10, BStBl II 1974, 631) gehören zumindest die Kosten für eine Kücheneinrichtung nicht zu den nach § 7 b EStG abschreibungsfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Die Frage der zutreffenden AfA für diese Gegenstände braucht indessen hier nicht abschließend entschieden zu werden. Da im Streitfall die Einrichtungsgegenstände ebenso wie die Wohnungen Mietzwecken dienen, kann von deren Anschaffungskosten die normale AfA nach § 7 EStG vorgenommen werden (vgl. Urteil des Senats vom 2. April 1974 VIII R 96/69, BFHE 112, 251, BStBl II 1974, 479). Nachdem das FA bereits AfA in Höhe von 10 v. H. der Aufwendungen zugelassen hat, kann es bei dem vom FG berücksichtigten AfA-Satz, der geringer ist, verbleiben. Ob höhere AfA gerechtfertigt wären, kann der Senat nicht entscheiden, da der Kläger keine Revision eingelegt hat.
Fundstellen
BStBl II 1975, 659 |
BFHE 1975, 449 |