Rz. 39

Die Angabepflichten verlangen vom berichtspflichtigen Unternehmen eine Darstellung darüber, ob bzw. wie es im Dialog steht mit betroffenen Gemeinschaften, mit deren rechtmäßigen Vertretern oder glaubwürdigen Stellvertretern. Dies in zweifacher Hinsicht:

  • einerseits um wesentliche potenzielle und tatsächliche, positive wie negative Auswirkungen auf diese betroffenen Gemeinschaften zu identifizieren und zu bewerten,
  • andererseits um die Ansichten dieser betroffenen Gemeinschaften in den Entscheidungsprozessen im berichtspflichtigen Unternehmen zu berücksichtigen (ESRS S3.20).
 

Rz. 40

Unternehmen haben grds. darzustellen, ob bzw. inwieweit die Ansichten von betroffenen Gemeinschaften in die Steuerung der potenziellen und tatsächlichen, positiven wie negativen Auswirkungen auf diese betroffenen Gemeinschaften einfließen. Sofern relevant, sind dazu vier Aspekte abzudecken (ESRS S3.21):

  • ob der Dialog mit den betroffenen Gemeinschaften oder ihren rechtmäßigen Vertretern selbst stattfindet oder mit glaubwürdigen Stellvertretern, die Einblick in ihre Situation haben;
  • die Phase(n) des Prozesses der Sustainability Due Diligence, in der/denen dieser Dialog stattfindet, die Art des Dialogs (Partizipation, Konsultation oder Information) und die Häufigkeit des Dialogs (siehe auch ESRS S3.AR15);
  • die Funktion und die ranghöchste Stelle innerhalb des Unternehmens, die die operative Verantwortung dafür trägt, dass dieser Dialog stattfindet und dass dessen Ergebnisse in den Zugang des Unternehmens für den Stakeholder-Dialog einfließen: konkrete Angaben, die zur Beschreibung dieser Stelle gefordert bzw. empfohlen werden, finden sich in ESRS S3.AR14 und ESRS S3.AR15 aufgezählt – eine Erfüllung dieser Angabepflicht wird weiterhin gemeinsam mit der Angabepflicht ESRS 2 GOV-1 ("Die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane") vorgeschlagen, sofern dieser die entsprechenden Detailinformationen entnommen werden können;
  • ggf. die Art und Weise, wie das Unternehmen die Wirksamkeit des Dialogs mit betroffenen Gemeinschaften bewertet, sofern relevant einschl. der daraus resultierenden Vereinbarungen oder Ergebnisse; es wird empfohlen, dazu auch konkrete Beispiele aus dem Berichtszeitraum anzuführen (ESRS S3.AR16).
 

Praxis-Beispiel BASF – Human Rights Advisory Council[1]

"Zur Einbindung externer Expertise haben wir 2020 einen Human Rights Advisory Council eingerichtet. Ihm gehören unabhängige internationale Fachleute für Menschenrechte an. Der vertrauensvolle Austausch zum Thema Menschenrechte hilft uns, unterschiedliche Perspektiven besser zu verstehen und mit kritischen Situationen offener umzugehen. An den Sitzungen im Jahr 2022, die unter der Leitung unseres Chief Compliance Officers stattfanden, nahmen Vertreter der Einheiten Corporate Compliance und Corporate Strategy & Sustainability sowie nach Bedarf weitere Fachleute aus Unternehmensbereichen oder dem Einkauf teil. Der Dialog mit dem Human Rights Advisory Council wurde 2022 sowohl im Gesamtgremium als auch in Kleingruppen geführt. Der Council brachte dabei externe Sichtweisen beispielsweise zur Weiterentwicklung unserer Menschenrechtsposition, zu Sorgfaltspflichten unter herausfordernden Umständen sowie zu Grenzen der unternehmerischen Sorgfaltspflicht ein."

 

Rz. 41

Sofern einzelne betroffene Gemeinschaften in besonderem Maß vulnerabel sind gegenüber den Auswirkungen der Wirtschaftstätigkeiten des berichtspflichtigen Unternehmens, ist auf diese i. R. d. geforderten Darstellungen besonders einzugehen. Dies gilt darüber hinaus für marginalisierte betroffene Gemeinschaften (ESRS S3.22). Eine übliche Definition von Marginalisierung lautet wie folgt: "groups and communities that experience discrimination and exclusion (social, political and economic) because of unequal power relationships across economic, political, social and cultural dimensions"[2]. Weiterhin ist nach bestimmten Gruppen innerhalb von betroffenen Gemeinschaften zu differenzieren, z. B. Frauen und Mädchen. Zum Ausmaß, in dem eine solche Differenzierung erforderlich ist, bleibt der Standard vage ("where applicable"). Dieses wird sich an den angewandten Methoden und erzielten Ergebnissen der Wesentlichkeitsanalyse zu orientieren haben, in der also auf die Identifikation solcher potentiell marginalisierter betroffener Gemeinschaften besonders zu achten ist (ESRS S3.22).

 

Rz. 42

Sofern indigene Völker Teil der betroffenen Gemeinschaften eines Unternehmens sind, sind weitere Angabepflichten vorgesehen (ESRS S3.23); anzugeben ist,

  • wie die besonderen Rechte dieser indigenen Völker in ihrem Zugang für den Stakeholder-Dialog berücksichtigt und gesichert werden; dies umfasst den Aspekt der Berücksichtigung der freien, vorherigen und informierten Zustimmung von indigenen Völkern im Hinblick auf

    • ihre kulturellen, geistigen, religiösen und spirituellen Rechte,
    • Aktivitäten des Unternehmens, die Länder und Gebiete von betroffenen Völkern betreffen,
    • Rechts- oder Verwaltungsmaßnahmen, die betroffene Völker betreffen;

    die Anwendu...

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