Rz. 64

Bei Bezug einer Folgerente wirkt die Fortgeltung des bisherigen Zugangsfaktors auf die Folgerente unabhängig davon, wann die Folgerente in Anspruch genommen wird. § 77 Abs. 3 Satz 3 macht deutlich, dass § 77 Abs. 3 Satz 1 nicht nur Fallgestaltungen eines nahtlosen Überganges von der einen in die andere Rente erfassen soll (so ausdrücklich, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 15.12.2010, L 2 KN 40/10, Rz. 22 ff.; nachfolgend bestätigend; vorrangig mit Hinweis auf das Verhältnis von § 77 Abs. 3 Satz 1 zur Bestandsschutzregelung des § 88, vgl. BSG, Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R; vgl. sogleich auch unter Rz. 66 – Besitzschutz). Sofern die ältere Rechtsprechung (so insbesondere noch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.8.2005, L 1 RA 243/03, gegen das sich das LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 15.12.2010, L 2 KN 40/10, ausdrücklich gewandt hatte) noch forderte, dass zwischen der Vorrente und der Folgerente Nahtlosigkeit bestehen muss (zum Begriff vgl. weiter oben in der Kommentierung), so ist diese Rechtsauffassung mit der Entscheidung des BSG (Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R) überholt. Diese Auffassung war jedoch auch von Anfang an abzulehnen, sie steht im diametralen Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers (vgl. hierzu noch einmal instruktiv LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 15.12.2010, L 2 KN 40/10, Rz. 22).

2.3.3.1 Funktion

 

Rz. 65

Satz 1 hat damit Erhaltungsfunktion eines einmal festgesetzten Zugangsfaktors (so ausdrücklich auch die gesetzgeberischen Erwägungen, vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 172; zur Zielsetzung instruktiv auch BSG, Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, Rz. 24, 25 f.). Damit sollte die Perpetuierung des reduzierten Zugangsfaktors sichergestellt werden. Eine Kürzung des Zugangsfaktors wegen vorzeitigem Rentenbezug sollte grundsätzlich auch bei Bezug einer oder mehrerer aufeinanderfolgender Renten wirksam bleiben. Der Gesetzgeber beabsichtigte daher eine Dauerwirkung des Zugangsfaktors, da es sich bei Folgerenten um eigenständige Leistungsansprüche mit eigenen, ggf. neu zu ermittelnden Berechnungsfaktoren handelt (hierauf verwies das BSG bereits im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 1; BSG, Beschluss v. 29.1.2008, B 5a/5 R 32/07 R, Rz. 24).Letztlich verleiht § 73 Abs. 3 Satz 1 damit dem schon in § 63 Abs. 5 niedergelegten Grundsatz auch bei Folgerenten Ausdruck, dass mit einem einmal festgesetzten Zugangsfaktor auch bei Folgerenten Vor- und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer ausgeglichen werden sollen. Der betroffene Versicherte soll keinen finanziellen Vorteil aus einem vorzeitigen Rentenbezug gegenüber anderen Versicherten ziehen, die eine Rente gerade nicht vorzeitig oder zumindest zu einem späteren vorzeitigen Zeitpunkt in Anspruch nehmen (vgl. weitergehend auch Begründung zum Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drs. 11/4124 S. 144 zu VII. Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit; BSG, Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, Rz. 25).

2.3.3.2 Besitzschutz

 

Rz. 66

Es ist die Besitzschutzregel des § 88 Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen, wonach grundsätzlich bei Folgerenten die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte aus einer früheren Rente – und damit ggf. ein günstigerer Zugangsfaktor – bei einer Folgerente erhalten bleiben, wenn nach § 88 Abs. 1 Satz 2 (für Hinterbliebenenrenten § 88 Abs. 2) zwischen der früheren Rente und der Folgerente eine Unterbrechung von nicht mehr als 24 Kalendermonaten liegt. Der Zeitraum von 24 Monaten stellt insoweit auch eine äußere Grenze von § 73 Abs. 3 Satz 1 dar. Jedenfalls dann, wenn zwischen dem Auslaufen einer Rente (hier wegen Berufsunfähigkeit nach altem Recht mit dem Zugangsfaktor 1,0) und dem Beginn einer vorzeitigen Altersrente (mit Abschlägen) mehr als 24 Monate liegen, ist der frühere Zugangsfaktor nicht (mehr) bestandsgeschützt (BSG, Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R). § 77 Abs. 3 Satz 1 hat dabei auch eine bestandsschützende Wirkung i. S. d. Perpetuierung des ungekürzten Zugangsfaktors für persönliche Entgeltpunkte, die allerdings zeitlich nur beschränkt gilt (BSG, Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, Rz. 27). Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 77 Abs. 3 Satz 1 eine solche zeitliche Beschränkung nicht entnehmen. Diese stünde jedoch gerade im Gegensatz zu der Regelung in § 88 Abs. 1, der ausdrücklich die Voraussetzungen regelt, in welchem Umfang persönliche Entgeltpunkte aus einer früheren Rente bei einer späteren Rente noch zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil v. 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, Rz. 28).

2.3.3.3 Sonderfall Rentenregress

 

Rz. 67

Bei einem sog. Rentenregress scheidet jedoch die Anwendung des § 73 Abs. 3 Satz 1 aus. Wenn dem Rentenversicherungsträger die von einem Versicherten vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente vollständig erstattet wird, ist der Versicherte bei der Berechnung einer darauffolgenden (Regel-)Altersrente so zu stellen, als hätte er die Entgeltpunkte, die der früheren Rente zugrunde lagen, nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen (BSG, Urteil v. 13.12.2017, B 13 R 13/17 R; mit Anm. von Lang, jurisPR-VerkR 6/2018, Anm. 1, mit Anm. von Mey, NZS 2018, 657, mi...

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