Rz. 22

Der an Abs. 1 angefügte Satz 2 besagt, dass der Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gilt. Hiermit soll klargestellt werden (dazu die Gesetzesbegründung bei Rz. 24), dass der vom Beschäftigten zu tragende und vom Arbeitgeber einbehaltene Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag dem Vermögen des Beschäftigten zugehörig ist.

 

Rz. 23

Der Begriff Beschäftigung ist in § 7 legal definiert (vgl. auch Rz 14). Hinsichtlich der Begrifflichkeit "Gesamtsozialversicherungsbeitrag" und der anteiligen Leistungspflicht ist auf die Kommentierung zu § 28d zu verweisen. Die Vorschrift des § 28e Abs. 1 Satz 2 ordnet die Zahlung des Beitrags dem Vermögen des Beschäftigten zu. Unerheblich ist, ob dies rechtlich auch zutrifft. Der Gesetzgeber behilft sich mit einer Fiktion ("gilt"), also einer bewussten Gleichsetzung unterschiedlicher Tatbestände dergestalt, dass etwas angenommen wird, was tatsächlich nicht ist (hierzu BGH, Urteil v. 5.11.2009, IX ZR 233/08). Hiernach kommt es nicht darauf an, ob die Zahlung aus dem Vermögen des Beschäftigten stammt. Das kann realiter so sein, muss es aber nicht. Wird die Zahlung nicht aus seinem Vermögen erbracht, dann ist das nicht rechtserheblich, weil der Gesetzgeber den Sachverhalt fiktiv so ordnet, als stammte sie aus seinem Vermögen. Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlt der Arbeitgeber. Eingeschlossen ist der vom Beschäftigten zu tragende Teil. Das führt in der Insolvenz des Arbeitgebers zu rechtlichen Kollisionslagen (vgl. hierzu Rz. 24 ff.).

 

Rz. 24

Die Vorschrift des § 28e Abs. 1 hat eine Schutzfunktion insbesondere auch in Fällen der Insolvenz des Arbeitgebers. Satz 2 hat der Gesetzgeber mit Art. 1 Nr. 17 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch v. 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024) in die Vorschrift eingefügt. Die Gesetzesbegründung äußert sich hierzu ausführlich (BT-Drs. 16/6540 S. 24). Die Regelung stelle klar, dass der vom Beschäftigten zu tragende und vom Arbeitgeber einbehaltene Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag dem Vermögen des Beschäftigten zugehöre. Der Beschäftigte habe Anspruch auf das Bruttoentgelt; der Abzug und die Abführung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen berührten nur die Frage, wie der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28e Abs. 1) gegenüber dem Arbeitnehmer erfülle. Insoweit nehme der Arbeitgeber eine Aufgabe der Sozialversicherungsträger (Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags) wahr. Es liege nahe, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag direkt an der Quelle, also bei der zur Lohn- und Gehaltszahlung verpflichteten Stelle, dem Arbeitgeber, abziehen zu lassen und nicht das Bruttoentgelt auszuzahlen und dann den Beschäftigten selbst zur Beitragszahlung zu verpflichten. Insoweit sei zugleich sichergestellt, dass der Beschäftigte Teile des Entgeltes in der sozialversicherungsrechtlich vorgeschriebenen Weise verwende. Die Zahlungspflicht des Arbeitgebers mit entsprechenden Verrechnungsregelungen diene aus sozialversicherungsrechtlichen und technischen Gründen dem Schutze des Versicherten und ändere nichts daran, dass der Anteil des Beschäftigten aus dessen Verdienst und damit Vermögen stamme und ihm allein zugutekommen solle. Im Übrigen umfasse das Arbeitsentgelt nach § 14 den Bruttobetrag (Ausnahme § 14 Abs. 2). Da der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen grundsätzlich nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend zu machenden Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag habe (§ 28e Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28g), schulde der Arbeitgeber dem Beschäftigten auch diesen (also im Bruttolohn enthaltenen) Anteil.

 

Rz. 25

Die Gesetzesbegründung ist rechtlich fehlerhaft. Entgegen der zitierten Begründung hat der Gesetzgeber nichts klargestellt. Vielmehr hat er eine Anfechtung hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile gegenüber den Sozialkassen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers, die zuvor gegeben war, ausschließen wollen (vgl. BGH, Urteil v. 8.12.2005, IX ZR 182/01). Zutreffend verweist der BGH darauf, das sich der Rechtsänderungswille nicht zuletzt aus dem gewählten gesetzestechnischen Mittel einer Fiktion ("gilt") ergibt; methodologisch bedeute eine solche Fiktion, dass eine bestimmte Rechtsfolge, die nicht bereits aufgrund der objektiven Gegebenheiten eintrete, sonst bedürfte es der Fiktion nicht, kraft gesetzlicher Anordnung eintreten solle (so BGH, Beschluss v. 27.8.2008, IX ZR 210/07). Ob der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 das Ziel, eine Gläubigerbenachteiligung hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils in der Insolvenz des Arbeitgebers künftig auszuschließen, erreicht habe, sei allerdings zu bezweifeln (BGH, a. a. O.).

 

Rz. 26

Diese Zweifel hat der BGH schließlich ausgeräumt und dies eingehend begründet (hierzu BGH, Urteil v. 5.11.2009, IX ZR 233/08). Der BGH befasst sich ausführlich mit dem rechtstechnischen Instrument der Fik...

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