Die Bundesregierung hat den Entwurf eines "Gesetzes zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz)" eingebracht.[1] Nachfolgend werden überblickartig die geplanten Neuregelungen sowie deren Konsequenzen für die Praxis dargestellt.

  • Subsidiäre Kollisionsregelung:

    Können Tarifvertragsparteien Tarifkollisionen nicht vermeiden, soll kraft Gesetzes der Grundsatz der Tarifeinheit gelten. Überschneiden sich Tarifverträge, soll innerhalb der Schnittstellen nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft anwendbar sein, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat.

  • Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip:

    Die Anzahl der durch die Gewerkschaften im Betrieb vertretenen Arbeitnehmer soll durch notarielle Erklärungen nachgewiesen werden können. Dabei wird der "Betrieb" definiert wie im BetrVG.

  • Vorgesehen ist, dass der Minderheitengewerkschaft gegenüber der verhandelnden Arbeitgeberseite ein Anhörungsrecht eingeräumt wird und die Minderheitengewerkschaft Gelegenheit haben wird, ihre Vorstellungen mündlich vorzutragen.
  • Zudem soll die Minderheitengewerkschaft ein Nachzeichnungsrecht bekommen, um ihre Verdrängung auszugleichen. Ihr soll ein Anspruch eingeräumt werden, mit dem Arbeitgeber einen Tarifvertrag abzuschließen, der inhaltlich identisch ist mit dem Tarifvertrag, den dieser mit einer konkurrierenden Gewerkschaft abgeschlossen hat.
  • Zum Arbeitskampf sieht der Gesetzentwurf keine ausdrückliche Regelung vor. Ein Arbeitskampf dürfte jedoch unverhältnismäßig und damit unzulässig sein, wenn der begehrte Tarifvertrag wegen des Grundsatzes der Tarifeinheit letztlich nicht zur Anwendung kommen kann.
 
Hinweis

Folgen des geplanten Gesetzes zur Tarifeinheit

Für die kommunalen Krankenhäuser haben die Tarifvertragsparteien in Bezug auf die Beschäftigtengruppe der Ärzte 2 konkurrierende Tarifverträge vereinbart: Die VkA hat mit ver.di den TVöD-K vereinbart, der Regelungen zur Beschäftigung von Ärzten enthält, und mit der Ärztegewerkschaft Marburger Bund den TV-Ärzte/VKA. Bisher unterliegt das Arbeitsverhältnis eines Arztes, der Mitglied im Marburger Bund ist, den Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA.

Tritt das geplante Gesetz zur Tarifeinheit in Kraft, hängt die Frage, welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis des Arztes normativ Anwendung findet, davon ab, welche Gewerkschaft im "Betrieb", d. h. im jeweiligen Krankenhaus, die meisten Mitglieder hat. Sind zahlenmäßig mehr Beschäftigte Mitglied in der Gewerkschaft ver.di, so verdrängt der TVöD-K den TV-Ärzte/VKA.

Der Gesetzentwurf zur Tarifeinheit hat in der arbeitsrechtlichen Literatur massive Kritik erfahren. Namhafte Rechtswissenschaftler haben erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geäußert.[2] Die berufsspezifischen Gewerkschaften – insbesondere der Marburger Bund, die Pilotenvereinigung Cockpit sowie die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) – haben für den Fall der Verabschiedung des Gesetzes bereits Klagen angekündigt.

 
Praxis-Tipp

Arbeitsvertragliche Vereinbarung beachten

In zahlreichen Arbeitsverträgen mit Ärzten an kommunalen Krankenhäusern ist vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA richtet. Das geplante Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit betrifft lediglich die Kollision mehrerer Tarifverträge auf der tarifvertragsrechtlichen Ebene. Neben der tarifvertraglichen Ebene ist jedoch die arbeitsvertragliche Ebene zu beachten. Enthält der Arbeitsvertrag eine Verweisung auf den TV-Ärzte/VKA, so ist eine etwaige Kollision zwischen der tarifvertraglichen Ebene (u. U. Geltung des TVöD-K) und der arbeitsvertraglichen Ebene (mit Verweis auf den TV-Ärzte/VKA) nach dem sog. Günstigkeitsprinzip zu lösen. Sind im Rahmen des vorzunehmenden Sachgruppenvergleichs die Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA für den Arzt günstiger als die Bestimmungen des TVöD-K, so geht die arbeitsvertragliche Verweisung auf den TV-Ärzte/VKA dem TVöD-K vor.

Letztlich bleibt hinsichtlich des geplanten Gesetzes zur Tarifeinheit der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens und im Falle des Inkrafttretens die Entwicklung in der Rechtsprechung abzuwarten.

[1] Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4062 v. 20.2.2015.
[2] Vgl. z. B. Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, Universität Bonn und ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, Rechtsgutachten "Gesetzlich auferlegte Tarifeinheit als Verfassungsproblem", erstellt im Auftrag der Gewerkschaft Marburger Bund, Handelsblatt v. 5.9.2014; Prof. Dr. Gregor Thüsing, Universität Bonn, Stellungnahme bei Haufe, 8.9.2014; Prof. Dr. Thomas Dieterich, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, Stellungnahme Berliner Zeitung v. 10.12.2014.

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