Entscheidungsstichwort (Thema)

Verarbeitung von Beschäftigtenleistungsdaten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verarbeitung der Beschäftigtenleistungsdaten durch die Klägerin mittels der Softwareanwendungen FCLM und ADAPT genügt den Anforderungen aus Art. 88 Abs. 1 DS-GVO i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG.

Die Verarbeitung der Beschäftigtenleistungsdaten ist zum Zwecke der Steuerung der Logistikprozesse, der Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zur Erteilung objektiven Feedbacks und als Grundlage für Personalentscheidungen erforderlich und angemessen.

Die Untersagungsverfügung der Beklagten ist unverhältnismäßig. Sie ist nicht geeignet, den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten der Klägerin zu fördern, da sie der Klägerin lediglich untersagt, die Leistungsdaten der Beschäftigten nicht ununterbrochen zu erheben und auszuwerten. Die Klägerin kommt der Untersagung bereits dann nach, wenn sie die Datenverarbeitung für den Bruchteil einer Sekunde aussetzt, ohne dass sich dies faktisch zugunsten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirken würde.

Gegen die Entscheidung wurde Rechtsmittel eingelegt.

 

Normenkette

DS-GVO Art. 88 Abs. 1; BDSG § 26 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Der Teilbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2020 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Untersagung der Beklagten, aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsdaten ihrer Beschäftigten ununterbrochen zu erheben und diese zur Erstellung von Quantitätsleistungs- und Qualitätsleistungsprofilen sowie für Feedbackgespräche und Prozessanalysen zu nutzen.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung des Privatrechts. Sie betreibt in C-Stadt ein Logistikzentrum (sog. „Fulfillment Center”) zur Auslieferung von Waren, die von Kundinnen und Kunden bei dem Versandhändler „{C.}” im Internet bestellt wurden.

Die Klägerin beschäftigt am Standort C-Stadt auf einer Arbeitsfläche von 64.000 qm – abhängig von saisonalen Schwankungen – zwischen 1.700 und 2.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In dem Logistikzentrum der Klägerin werden im Durchschnitt etwa 220.000 Pakete am Tag an Kunden versandt, die einer Termingarantie unterliegen; das entspricht umgerechnet der Versendung von 153 Paketen pro Minute. Der Klägerin stehen durchschnittlich etwa vier Zeitstunden zwischen dem Auftragseingang und dem Zeitpunkt, zu dem das Paket spätestens an den Transporteur übergeben sein muss, zur Verfügung, um die gegenüber den {C.}-Kunden garantierten Liefertermine für die bestellten Waren einhalten zu können.

Das Logistikzentrum der Klägerin unterteilt sich in drei Arbeitsbereiche: den Wareneingang, die robotergesteuerte Prozessplattform und den Warenausgang. Die Arbeitsbereiche sind in verschiedene Prozesspfade untergliedert. Zu diesen Prozesspfaden zählen die Entladung, Annahme und Einlagerung von Waren sowie (auf Bestellung) die Entnahme und Verpackung von Waren in Pakete und die Sortierung dieser Pakete nach Transportdienstleistern. Die verschiedenen Prozesspfade sind über ein komplexes Fördersystem mit einer Länge von etwa 25 Kilometern verbunden, über das Transportbehälter mit Artikeln teils manuell, teils automatisiert von einem zum nächsten Prozesspfad befördert werden. Die überwiegende Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet auf den diversen Prozesspfaden im Logistikzentrum als sog. Level 1er. Die Vorgesetzten dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sog. „Team Leads”, arbeiten als Level 3er. Die Führungsspanne liegt bei bis zu 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ihnen stehen die sog. „Area Manager” vor, die für die Steuerung, Überwachung und Kontrolle der operativen Prozesse sowie für die fachliche und disziplinarische Führung der ihnen zugeordneten „Team Leads” verantwortlich sind und die als Level 4er bzw. 5er bezeichnet werden. Darüber beginnt das höhere Management („Operations Manager”, „Senior Operations Manager”, „General Manager” usw.), die teilweise den Leveln 6+ zugehören.

Bei der Verrichtung ihrer Arbeit auf den verschiedenen Prozesspfaden benutzen die dort eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klägerin (die sog. Level 1er) Handscanner, um jeden ihrer Arbeitsschritte zu dokumentieren. Beispielsweise erfassen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Wareneingang auf dem Prozesspfad Wareneinlagerung mittels des Handscanners, dass sie eine bestimmte Ware in einem bestimmten Regalfach im Warenlager eingelagert haben. Auf dem Prozesspfad Kommissionierung wird erfasst, dass eine bestimmte Ware aus einem bestimmten Regalfach im Warenlager entnommen und in eine Box auf einem...

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