Leitsatz (amtlich)

Haftungsvoraussetzungen für Schadenersatzansprüche bei Verletzungen in einem Fußballverbandsspiel: "Brutales Spiel" i.S.v. DFB Regel Nr. 12 und mindestens grobe Fahrlässigkeit

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 2, §§ 253, 823 Abs. 1; StGB § 223 Abs. 1; ZPO § 256

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.09.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel geändert und wie folgt neu gefasst:

1) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.500 EUR Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 21.02.2019 zu zahlen.

2) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, den dieser aus der Körperverletzung vom 21.05.2017 noch erleiden wird, sofern Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

3) Es wird weiter festgestellt, dass die vorgenannten Ansprüche des Klägers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen.

4) Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 21.02.2019 zu zahlen.

5) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

6) Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie umfassende Feststellung aufgrund einer bei einem Fußballspiel erlittenen Verletzung in Anspruch.

Am 21.05.2017 gegen 12.00 Uhr fand ein Kreisklassenpunktspiel in Y. zwischen den zweiten Mannschaften des SV X. und des SC Y. statt. Der Kläger war Spieler (Stürmer) beim SV X., der Beklagte Verteidiger beim SC Y..

In der 8. Spielminute dieses letzten, für den Saisonausgang unerheblichen Punktspiels nahm der Kläger - mit dem Rücken zum gegnerischen Tor - in Höhe des Mittelkreises einen aus der X. Spielhälfte kommenden Ball an und wollte diesen weiterspielen. Dazu kam es allerdings nicht, weil er vom Beklagten gefoult wurde. Der Kläger erlitt infolge des Foulspiels eine zweitgradig offene Unterschenkelschaftfraktur distal rechts. Der Beklagte wurde durch den Zeugen A., Schiedsrichter der Partie, mit einer roten Karte des Feldes verwiesen. Im Übrigen sind die Umstände des Fouls streitig.

Der Kläger wurde durch den Rettungsdienst sofort in die S.-Kliniken verbracht; ihm wurde ein Fixateur extern angelegt. Am 01.06.2017 wurde der offene Bruch mittels Tibiaschaftmarknagels operativ versorgt. Am 09.06.2017 wurde der Kläger entlassen. Vom 20.07.2017 bis zum 01.08.2017 befand er sich erneut in stationärer Behandlung in den S.-Kliniken, da die Fraktur nicht, wie ärztlicherseits erhofft, verheilte. Operativ wurde der Tibiamarknagel entfernt und der Bruch mit einer Osteosyntheseplatte stabilisiert, der vorhandene knöcherne Defekt mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt.

Der Kläger war bis Ende des Jahres 2017 auf die Verwendung von Unterarmgehstützen angewiesen; die Anschlussheilbehandlung (Reha, Massagen, Muskeltraining etc.) dauerte bis Juni 2018. Insgesamt war der Kläger 14 Monate krankgeschrieben. Joggen ist immer noch nicht möglich.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet. Die Verletzung - auch wenn sie beim Fußballspielen geschehen sei - müsse er nicht entschädigungslos hinnehmen. Dazu hat er behauptet, der Beklagte sei ihm mit gestreckten Beinen ("offene Sohle") und ohne jede Möglichkeit, an den Ball zu kommen, seitlich bzw. von hinten mit erheblicher Wucht gegen sein Standbein gesprungen. Nur so ließe sich die massive Fraktur erklären (Sachverständigengutachten). Er, der Kläger, habe gar keine Möglichkeit gehabt, dem Angriff des Beklagten zu entgehen. Die Verletzung habe der Beklagte jedenfalls grob fahrlässig, wenn nicht sogar bedingt vorsätzlich, verursacht. Dies rechtfertige ein Schmerzensgeld von jedenfalls 7.500 EUR.

Der Kläger hat beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das ausdrückliche Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen;

2) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm jedweden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, den er aus der Körperverletzung vom 21.05.2017 noch erleiden wird, sofern dieser nicht auf Dritte oder Sozialversicherungsträger übergegangen ist;

3) den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat bestritten, dass der Kläger den Ball bereits am Fuß gehabt habe, vielmehr sei der Ball frei gewesen. Im Kampf sei es zu einem unglücklichen Zusammenprall gekommen. Er habe weder die Grenzen des Erlaubten überschritten, noch liege seinerseits grobes Foulspiel vor.

Wegen der tatsächlichen Fest...

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