Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkungspflicht bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen (hier: Passbeschaffung)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG setzt voraus, dass einem zur Ausreise verpflichteten Ausländer eine – auch freiwillige – Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dauerhaft objektiv unmöglich ist oder ihm, beispielsweise mit Blick auf grundrechtliche Gewährleistungen in Art. 6 GG oder den Art. 8 EMRK, subjektiv unzumutbar ist.

2. Die den aufgrund einer von ihm geltend gemachten Passlosigkeit am Verlassen der Bundesrepublik gehinderten Ausländer treffende gesetzliche Pflicht zur “Mitwirkung” bei der Passbeschaffung nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird nicht dadurch erfüllt, dass er ausländerbehördliche Aufklärungsversuche nicht behindert und gewissermaßen “über sich ergehen lässt”. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hat der Ausländer vielmehr allgemein für den Vollzug des Ausländergesetzes notwendige Unterlagen “beizubringen”, wobei die Behörde allenfalls Hinweis- und gegebenenfalls Unterstützungspflichten treffen.

3. In Verfahren auf Erlangung eines aufenthaltsrechtlichen Titels gehört es nicht zu den Pflichten der Ausländerbehörde, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der Identität oder der Staatsangehörigkeit des Betroffenen eine zwangsweise Vorführung nach § 82 Abs. 4 AufenthG bei der Auslandsvertretung des (mutmaßlichen) Heimatstaats zu veranlassen.

4. Dem Ausländer ist es in dieser Situation auch grundsätzlich zuzumuten, staatliche Stellen im Heimatland, dort lebende Verwandte oder einen Rechtsanwalt vor Ort mit der Beschaffung notwendiger Unterlagen zum Beleg seiner Identität und Herkunft zu betrauen.

 

Normenkette

EMRK Art. 8; GG Art. 6; BGB § 1309 Abs. 1 S. 3; VwGO § 124a Abs. 2, 4 S. 4, Abs. 5 S. 2; AufenthG § 25 Abs. 5, § 48 Abs. 3 S. 1, § 50 Abs. 1-2, § 82 Abs. 1 S. 1, Abs. 4; AsylVfG § 67 Abs. 1 Nr. 6; AufenthV § 5

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Urteil vom 30.09.2009; Aktenzeichen 10 K 255/09)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30. September 2009 – 10 K 255/09 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, ein nach seinen Angaben im Januar 1982 in Karachi geborener pakistanischer Staatsangehöriger, begehrt vom Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen sowie die Ausstellung eines Reiseausweises. Er reiste im September 2003 in die Bundesrepublik ein, suchte erfolglos um die Anerkennung als Asylberechtigter nach und wird seit Abschluss dieses Verfahrens im Dezember 2005 (vgl. das seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 23.3.2004 – 5050409-461 – hinsichtlich der darin enthaltenen Verweigerung der Flüchtlingsanerkennung abweisende rechtskräftige Urteil des VG des Saarlandes vom 24.11.2005 – 6 K 17/05.A –) geduldet. Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt im Oktober 2003 hatte der Kläger erklärt, er könne keinerlei Ausweispapiere oder Belege für seine Identität vorlegen. Sein Vater A… und seine bereits 1994 verstorbene Mutter stammten beide aus dem Punjab, wo auch seine Verwandten in Sialkot und Sargodha lebten. Der Vater und ein Bruder wohnten in Karachi in der Qaba Colony.

Im Januar 2006 beantragte die damals zuständige Ausländerbehörde bei dem Generalkonsulat der Islamischen Republik Pakistan, den Kläger zu seiner Identität zu befragen und ihm Dokumente für eine Heimreise auszustellen. Im Februar 2007 wurde der Kläger erstmals förmlich über seine Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Passpapieren belehrt. Gleichzeitig wurde unter Hinweis auf eine bisherige “konsequente Weigerung” des Klägers, ein Heimreisedokument zu beantragen, sein persönliches Erscheinen zu einer Anhörung durch Vertreter des pakistanischen Generalkonsulats in Frankfurt/Main angeordnet und für den Fall der Nichtbefolgung die zwangsweise Vorführung angedroht. (vgl. den Bescheid des damals zuständigen Landesamts für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten vom 9.2.2007 – B3 – Clearingstelle – St…)

Die Vorführung erfolgte am 21.2.2007, wobei dem anwesenden Vizekonsul erneut ein ausgefüllter Antrag zur Ausstellung eines Passersatzdokuments übergeben wurde. Nach einem Aktenvermerk des begleitenden Beamten konnten bei dem Gespräch keine weiteren Erkenntnisse hinsichtlich der Herkunft des Klägers gewonnen werden. Seitens des Konsulats sei die Weiterleitung des Antrags zur Überprüfung der Daten im Heimatland zugesichert worden.

Im August 2007 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und eines Reiseausweises. Zur Begründung führte er aus, er bemühe sich seit Februar 2006 “in Kooperation mit der Behörde” vergeblich bei der pakistanischen Auslandsvertretung um die Ausstellung von Papier...

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