1 Leitsatz
Die beharrliche Verweigerung der Wohnungsbesichtigung – trotz einer bereits erfolgten Titulierung der Verpflichtung zur Duldung der Wohnungsbesichtigung – stellt einen wichtigen Grund zur Kündigung dar.
2 Normenkette
§§ 546 Abs. 1, 985 BGB
3 Das Problem
Für den Mieter von Wohnraum besteht nach der Rechtsprechung des BGH eine vertragliche (Neben-)Pflicht, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn hierfür ein konkreter sachlicher Grund vorliegt z.B. Feststellung von Mängeln. Diese Pflicht des Mieters kann sich aus einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung ergeben (z.B. Besichtigungsrecht "aus besonderem Anlass") oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB; BGH, Urteil v. 26.4.2023, VIII ZR 420/21).
Die Verweigerung des Zutritts berechtigt den Vermieter grundsätzlich nicht zur sofortigen Kündigung des Mietverhältnisses. Anders ist die Rechtslage, wenn die Verweigerung des Zutritts zu einer Gefährdung der Mietsache oder der Mitbewohner führen kann, z.B. dem Vermieter oder dessen Beauftragten der Zutritt wegen Überprüfung und Wartung von Rauchwarnmeldern verweigert wird. Dies stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, die den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt (LG Konstanz, Urteil v. 8.12.2017, A 11 S 83/17).
Wurde der Mieter jedoch wegen der unberechtigten Verweigerung des Zutritts bereits abgemahnt und verweigert er daraufhin dennoch den Zutritt an einem weiteren ihm mitgeteilten und zumutbaren Termin, kann der Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt sein (LG Berlin, Urteil v. 18.4.2011, 67 S 502/10). Die Verweigerung der Wohnungsbesichtigung trotz Abmahnung stellt einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar (LG München I, Urteil v. 26.8.2021, 474 C 4123/21).
4 Die Entscheidung
Dies gilt nach einem neuen Urteil des AG München erst recht, wenn der Anspruch des Vermieters auf Besichtigung vom Gericht bereits tituliert, d.h. einer Klage des Vermieters auf Besichtigung stattgegeben wurde; es sei denn, der Mieter kann darlegen und beweisen, dass er aus gesundheitlichen Gründen keine Wohnungsbesichtigung dulden konnte.
In dem vom AG München entschiedenen Fall verlangte die Vermieterin mehrfach vergeblich Zutritt zur streitgegenständlichen Wohnung mit der Begründung, dass von den Mitbewohnern Beschwerden über üblen Geruch und übermäßigen Müll vorlägen. In einem Verfahren vor dem AG München wurde die Mieterin bereits durch rechtskräftiges Endurteil zur Zutrittsgewährung und Duldung der Wohnungsbesichtigung verurteilt. Trotzdem weigerte sich die Mieterin beharrlich, der Vermieterin den gerichtlich titulierten Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Daraufhin kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
Das AG München verurteilte die Mieterin zur Räumung und Herausgabe der Wohnung, da sie nicht darlegen und beweisen konnte, dass und weshalb sie aus gesundheitlichen Gründen keine Wohnungsbesichtigung dulden konnte. Das LG München I hat die Berufung der Mieterin zurückgewiesen (14 S 13112/22).
5 Entscheidung
AG München, Urteil v. 4.10.2022, 420 C 5421/22