Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 18 O 109/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14.09.2020 - 18 O 109/19 - abgeändert und, wie folgt, neugefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus dem Vertrag ... für den Zeitraum vom 01.08.2017 bis zum 31.12.2018 15.300 Euro zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.04.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus dem Vertrag ... für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 30.04.2019 3.654 Euro zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.04.2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus dem Vertrag ... ab dem 01.05.2019 monatlich - im Voraus - 914 Euro zu zahlen, wobei sich dieser Betrag jeweils zum 01.01. eines jeden folgenden Kalenderjahres um jeweils 1,5 Prozent (unter Beachtung der Rundungsregelung in Nr. 10.2 der "Allgemeine[n] Bedingungen für die Existenzschutzversicherung [AB ESV 2016]") erhöht, dies längstens für die Dauer der Einstufung in die Pflegestufe I, II oder III nach SGB XI (Stand Juli 2015) bzw. in den Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 nach SGB XI (Stand Januar 2017) betreffend die versicherte Person, ..., geboren am ..., und längstens bis zum Erreichen von dessen 67. Lebensjahres.

4. Es wird festgestellt, dass der Vertrag Nr. ... weder durch die Anfechtung der Beklagten vom 21.06.2018 noch durch deren Rücktrittserklärung vom gleichen Tag und auch nicht durch deren weitere Anfechtungserklärung vom 17.12.2018 beendet worden ist, sondern unverändert zu den versicherungsvertraglichen Bedingungen fortbesteht.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Streitwert: 66.954 Euro.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Leistungen aus einer zugunsten seines am ... geborenen Sohns als versicherter Person bei der Beklagten genommenen Kinder-Existenzschutzversicherung.

Für den Versicherungsvertrag wurde am 16.08.2016 der Versicherungsschein ausgestellt, als Versicherungsbeginn ist der 13.07.2016, 12 Uhr, festgelegt. Im Antrag vom 12.07.2016 ist die Frage, ob seit der Geburt stationäre Behandlungen stattgefunden hätten, mit "Nein" beantwortet.

Nach Ziff. 5 der Allgemeinen Bedingungen für die Existenzschutzversicherung (AB ESV 2016) erbringt die Beklagte Versicherungsleistungen nach Ziff. 1.2,

"wenn die versicherte Person auf Grund eines Unfalles oder wegen einer während der Vertragslaufzeit diagnostizierten Krankheit eine Einstufung der Pflegestufe I, II oder III nach SGB XI erhält (Stand: Juli 2015)".

Unter Ziff. 9 AB ESV 2016 sind Fälle aufgeführt, in denen der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Dazu ist in Ziff. 9.1 AB ESV 2016 geregelt:

"Für Krankheiten, die zur Erbringung von Leistungen aus dem Organkonzept (Ziffer 3), aufgrund des Verlusts von Grundfähigkeiten (Ziffer 4) oder wegen Pflegebedürftigkeit (Ziffer 5) führen, besteht eine Wartefrist. Die Wartefrist beträgt sechs Monate und beginnt ab dem im Versicherungsschein dokumentierten Vertragsbeginn. ... Das bedeutet: Liegt der Zeitpunkt des ersten Auftretens oder der Diagnosestellung dieser Krankheiten innerhalb der Wartefrist, sind diese Krankheiten und die daraus resultierenden Krankheitsfolgen, auch wenn sie nach Ablauf der Wartefrist entstehen, nicht mitversichert."

Das Kind des Klägers war bei Antragstellung 9 Monate alt. Sein Körpergewicht war von Geburt an deutlich unterdurchschnittlich. Es befand sich vom 14. bis zum 17.12.2015 stationär in einem Klinikum, wohin es mit Verdacht auf eine Sepsis stationär eingewiesen worden war. Dieser Verdacht bestätigte sich nicht, sondern es stellte sich ein Virusinfekt (Parovirus B 19 - Erreger der Ringelröteln) heraus (vgl. dazu den Entlassbericht vom 17.12.2015 - Anlage E 3). Vom 13. bis zum 17.01.2017 wurde das Kind erneut stationär in dasselbe Klinikum eingewiesen (vgl. dazu den Entlassbericht vom 03.02.2017 - Anlage K 5). Später wurde bei ihm eine Mukoviszidose mit Lungen- und Darmmanifestation diagnostiziert (vgl. dazu den Arztbrief über eine ambulante Vorstellung am 10.05.2017 - Anlage K 3). Seit dem 01.08.2017 ist das Kind wegen der Erkrankung an Mukoviszidose laut einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 19.10.2017 in den Pflegegrad 2 eingestuft.

Der Kläger hat am 05.01.2018 die Zahlung von Versicherungsleistungen beantragt. Mit Schreiben vom 21.06.2018 (Anlage E 1) erklärte die Beklagte die Anfechtung des Vertrages, hilfsweise den Rücktritt, dies mit der Begründung, dass der Versicherungsnehmer...

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