1 Leitsatz

Bei einer Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs muss die Absicht zur Selbstnutzung in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung stehen. Eine reine sog. Vorratskündigung ist unzulässig. Eine nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht.

2 Normenkette

BGB §§ 546, 573 Abs. 2 Nr. 2

3 Das Problem

Der Vermieter kann eine Wohnung wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Räume für sich oder seine Familien- oder Haushaltsangehörigen benötigt (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Ausreichend ist, wenn die Gründe für den Eigenbedarf spätestens bei Beendigung des Mietverhältnisses mit einiger Sicherheit vorliegen. Ein Vorliegen bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung kann nicht gefordert werden (so bereits bei BayObLG, RE v. 2.3.1982).

Dagegen ist eine sog. Vorratskündigung, mit der nicht ein mit einiger Sicherheit eintretender, sondern nur ein wahrscheinlicher künftiger Eigenbedarf geltend gemacht wird, unzulässig (z. B. Kündigung, weil die Vergrößerung der Familie "geplant" ist oder die Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Eigenbedarfsperson befürchtet wird, ohne dass dafür konkrete Anhaltspunkte vorliegen).

4 Die Entscheidung

In dem vom LG München I entschiedenen Fall kündigte der Vermieter mit Schreiben vom 25.1.2021 das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für die Tochter zum 31.1.2022, obwohl die Tochter in die Wohnung nach eigener Darstellung frühestens zum 1.10.2022 einziehen wollte. Zur Begründung der frühen Kündigung führte der Vermieter aus, es sei absehbar, dass der Mieter seiner Pflicht zur Räumung und Herausgabe vertragswidrig nicht (rechtzeitig) nachkommen werde.

Das Landgericht wies darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung jedenfalls feststehen muss, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist der Eigennutzungswunsch mit einiger Sicherheit eingetreten ist. Auch wenn man dabei nicht fordern will, dass der beabsichtigte Nutzungswunsch des Vermieters sich zeitlich unmittelbar an das Ende der Kündigungsfrist anschließt, stellt eine Kündigung jedenfalls dann eine unzulässige Vorratskündigung dar, wenn sie für einen Zeitpunkt erklärt wird, zu dem der Nutzungswunsch des Vermieters schon nach eigenem Sachvortrag ganz offensichtlich noch nicht besteht.

Dem Kündigungsschreiben vom 25.1.2021 kann auch nicht entnommen werden, dass der Vermieter die Wohnung zu einem früheren Zeitpunkt benötigt hätte, etwa um vor Überlassung der Wohnung an die Tochter Renovierungsarbeiten durchführen zu lassen. So wäre grundsätzlich insbesondere dann keine Vorratskündigung anzunehmen, wenn der Vermieter vor dem Bezug der Wohnung noch Sanierungs-, Umbau- oder Renovierungsarbeiten durchzuführen beabsichtigen würde. Es käme dabei in rechtlicher Hinsicht regelmäßig auch nicht darauf an, ob sich die Arbeiten über einen (wesentlich) längeren als den üblichen Zeitraum erstrecken. Eine solche Absicht muss allerdings klar im Kündigungsschreiben zum Ausdruck gebracht werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Auch das Argument, es sei absehbar gewesen, dass der Mieter die streitgegenständliche Wohnung nicht räumen werde, ließ das Gericht nicht gelten. Ein Mieter ist im Falle einer wirksamen Kündigung verpflichtet, das Mietobjekt nach Ablauf der Kündigungsfrist zu räumen und an die Vermieter herauszugeben; anderenfalls entstehen Schadensersatzansprüche sowie ein Anspruch auf Zahlung einer – regelmäßig erhöhten – Nutzungsentschädigung (nach § 546a Abs. 1 BGB). Eine Vorratskündigung kann auch nicht mit dem Argument begründet werden, der Mieter werde sich (voraussichtlich) vertragswidrig verhalten und seiner Räumungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachkommen. Vielmehr verhält sich ein Vermieter selbst vertragswidrig, wenn er bereits zu einem Wirkungszeitpunkt kündigt, zu dem augenscheinlich die Wohnung noch nicht benötigt wird.

Nach alledem hat das LG München I die Kündigung des Vermieters für unwirksam erklärt und die Räumungsklage abgewiesen.

5 Entscheidung

LG München I, Urteil v. 15.3.2023, 14 S 14047/22

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