Leitsatz

Bezieht der Unternehmer für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte individuell insbesondere durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, ist der Unternehmer aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.

 

Normenkette

§ 15 UStG, Art. 168 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin beabsichtigte aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten, in erheblichem Umfang Kosten einzusparen, insbesondere den Personalaufwand zu reduzieren. Ihre Mitarbeiter waren allerdings zu einem großen Teil aufgrund von Tarifverträgen, die betriebsbedingte Kündigungen ausschlossen, oder aufgrund sonstiger Regelungen unkündbar und unbefristet beschäftigt. Der beabsichtigte Personalabbau konnte daher nur auf freiwilliger Basis mit Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter zur Aufhebung ihrer Arbeits- oder Dienstverträge erfolgen.

Die Klägerin beauftragte sog. Outplacement-Unternehmen, die sie bei der Erreichung ihrer Personalabbauziele unterstützten. Diese Unternehmen sollten Mitarbeiter individuell betreuen, fachlich beraten und organisatorisch bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz unterstützen, damit diese freiwillig ihre bisherigen Beschäftigungsverhältnisse aufgaben. Dies umfasste eine Basisberatung, eine Standortanalyse des Mitarbeiters, eine Perspektiv- und Motivationsberatung, Vermittlungstätigkeiten zur Begründung eines neuen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, ein sog. ganzheitliches Placement mit Finanzberatung sowie ein sog. Newplacement mit Beratungsprogramm. Die Kosten trugen die Klägerin und ihre Organgesellschaften. Aus den Leistungen der Outplacement-Unternehmen machte die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend.

Das FA erkannte den Vorsteuerabzug nur insoweit an, als er auf die allgemeine Beratung und auf sog. Erfolgspauschalen entfiel. Demgegenüber versagte es den Vorsteuerabzug aus den personenbezogenen Beratungsleistungen, da die von der Klägerin bezogenen Leistungen durch die individuelle Beratung speziell auf die künftige berufliche Entwicklung der Beschäftigten, die individuell mental gestärkt werden sollten, zugeschnitten gewesen seien. Es habe keine Stundenbegrenzung bestanden. Die Beschäftigten seien einmal wöchentlich persönlich und telefonisch kontaktiert worden. Es sei eine psychologische Betreuung und Hilfestellung geleistet worden, die das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis beendet werden sollte, stärken sollte, um das Trennungstrauma zu verarbeiten. Die Mitarbeiter seien zielorientiert gefördert worden, damit sie sich in Rollenspielen Bewerbungstechniken aneigneten. Es seien individuelle Bewerbungsmappen entwickelt und gestaltet worden. Die Betreuung habe auch die Arbeitsplatzsuche umfasst. Das FA änderte die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden USt-Festsetzungen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG statt (FG Köln, Urteil vom 25.8.2020, 8 K 2707/17).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Hinweis

1. Für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG kommt es bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 168 MwStSystRL auf einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung an. Dieser Zusammenhang kann zu einzelnen Ausgangsumsätzen oder aber zur wirtschaftlichen Gesamttätigkeit bestehen. Letzteres begründet z.B. den Vorsteuerabzug aus Gemeinkosten.

2. Im Rahmen einer letztlich wertenden Betrachtungsweise stellt die Rechtsprechung zur Feststellung des maßgeblichen Zusammenhangs auf den sog. ausschließlichen Entstehungsgrund ab. Dies ist auch zur Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, ob der Unternehmer Leistungen aufgrund seines eigenen Interesses oder aufgrund eines vorrangigen Interesses seines Personals bezieht.

3. Auf dieser Grundlage geht der BFH davon aus, dass ein Unternehmer, der Leistungen von sog. Outplacement-Beratern bezieht, um sich von Personal zu trennen, das bei ihm unkündbar beschäftigt ist, zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Der BFH begründet dies damit, dass das unternehmerische Interesse am Personalabbau den Vorteil überwiegt, der sich für die unkündbar Beschäftigten aus der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ergab. Er geht dabei davon aus, dass den Beschäftigten ein von ihnen nicht gewünschter Vorteil aus unternehmerischen Gründen aufgedrängt wurde. Es sei nicht feststellbar, dass die Beschäftigten von sich aus Arbeitsverhältnisse neu begründen wollten.

Zudem habe sich der ausschließliche Entstehungsgrund aus dem unternehmerischen Ziel des Personalabbaus, nicht aber aus einem Zuwendungswillen gegenüber den Beschäftigten ergeben. Bestätigt wurde dies dadurch, dass der Unternehmer entschied, welche Beschäftigten welche Qualifizierungsleistungen in Anspruch nehmen konnten, und die Leistungen damit nicht allen Beschäftigten off...

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