Neben der Zahlungsunfähigkeit löst die Überschuldung die Insolvenzantragspflicht aus. Es reicht, wenn einer der beiden Gründe vorliegt.

Der Gesetzgeber hat in § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO die Überschuldung jetzt in der aktuellen Fassung wie folgt definiert: Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Damit ist die Überschuldung in 2 Stufen zu prüfen. Die GmbH ist damit im ersten Schritt überschuldet, wenn das Vermögen der GmbH die Schulden nicht mehr deckt (erste Stufe). Liegt eine Überschuldung vor, kann gleichwohl die Insolvenzreife entfallen, wenn die Fortführung in den nächsten 12 Monaten überwiegend wahrscheinlich ist (zweite Stufe). In der ersten Stufe ist ein Überschuldungsstatus aufzustellen. Hierbei sind nicht die Buchwerte, sondern die Verkehrswerte entscheidend. Stille Reserven, die sich im Betriebsvermögen befinden, werden berücksichtigt. So können sich vor allem im Anlagevermögen stille Reserven befinden. Dazu gehören z. B. Maschinen, deren Buchwerte nur noch jeweils einen EUR betragen, deren tatsächliche Werte jedoch deutlich höher sind. Ebenso kann ein Betriebsgrundstück, auf dem sich die Produktionsanlagen befinden, deutlich werthaltiger sein, als dies der Buchwert in der Bilanz ausweist. Denkbar ist z. B., dass eine Unternehmensbeteiligung deutlich mehr wert ist, als dies in der Bilanz ausgewiesen ist oder die Gesellschaft über Rechte an einer Software verfügt, deren Wert sich nicht aus der Bilanz ergibt, weil diese von der GmbH selbst entwickelt wurde. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, ständig die finanzielle Entwicklung der Gesellschaft im Auge zu behalten. Bei der Aufstellung der Überschuldungsbilanz werden für die einzelnen Gegenstände Zerschlagungswerte angesetzt, es sei denn, die Fortführung ist überwiegend wahrscheinlich, wobei der Geschäftsführer eine entsprechende Fortführungsprognose aufstellen muss. Diese muss mit einem ausgereiften Sanierungskonzept verbunden sein. Dazu hat der BGH mit Urteil v. 26.1.2017, IX ZR 285/14 entschieden (Leitsatz):

"Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird."

Sofern der Geschäftsführer bereits aufgrund der Zerschlagungswerte zu dem Ergebnis kommt, dass keine Überschuldung besteht, liegt Insolvenzreife nicht vor. Ergibt sich hingegen eine Überschuldung, muss der Geschäftsführer prüfen, ob eine Fortführung überwiegend wahrscheinlich ist und ein Sanierungskonzept aufstellen. Dann darf der Geschäftsbetrieb fortgesetzt werden, auch wenn sich selbst nach Fortführungswerten noch eine Überschuldung ergibt. Die Gerichtspraxis stellt aber sehr hohe Anforderungen an das Sanierungskonzept.

 
Praxis-Beispiel

Catering nach der Pandemie

Eine Catering-GmbH muss wegen einer Pandemie ihren Geschäftsbetrieb einstellen, da von den Kunden alle Veranstaltungen abgesagt werden. Alle Mitarbeiter werden auf 100 % Kurzarbeit gesetzt. Durch einen KfW-Kredit über 500.000 EUR kann die GmbH zusammen mit dem Kurzarbeitergeld voraussichtlich ein Jahr lang alle fälligen Verbindlichkeiten begleichen. Die Gesellschaft wäre damit nicht zahlungsunfähig. Sie ist jedoch "rechnerisch" überschuldet, sobald die Verbindlichkeiten (dies ist hier nur der Bankkredit) größer sind als die Aktiva (Anlage- und Umlaufvermögen). Sind die Auftragsbücher aber für die Zeit nach der Pandemie gut gefüllt bzw. gibt es zumindest Optionen und konkrete Anfragen und ist die Annahme gut begründet, dass danach der Betrieb wieder mit Gewinn arbeiten kann, wodurch die Überschuldung ggf. über einen längeren Zeitraum beseitigt werden kann, ist die Gesellschaft nicht überschuldet. Der Geschäftsführer sollte das Sanierungskonzept detailliert dokumentieren und insbesondere die Auftragslage belegen können.

Kann eine positive Fortbestehensprognose gestellt werden, liegen ferner ein Sanierungswille und ein schlüssiges Sanierungskonzept vor, entfällt bei Überschuldung – nicht jedoch bei Zahlungsunfähigkeit – die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Anforderungen an ein schlüssiges Sanierungskonzept sind jedoch sehr hoch. Es genügt keinesfalls, dass die Gesellschafter grundsätzlich weitermachen möchten und davon ausgehen, dass über entsprechende Aufträge schon die hierfür notwendigen Mittel hereinkommen werden. Erforderlich ist ein Sanierungskonzept und eine Liquiditätsbetrachtung, welche auf verlässlicher Grundlage erstellt werden. Der BGH hat dies mit Urteil v. 9.10.2006, II ZR 303/05, wie folgt formuliert:

"Aus dem Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO folgt außerdem zweifelsfrei, dass eine günstige Fortführungsprognose sowohl den Fortführungswillen des Schuldners bzw. se...

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