Für den Zugang eines Schriftstücks gelten die bürgerlich-rechtlichen Regelungen über den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen entsprechend. Danach ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem die zuständige Finanzbehörde zu den behördenüblichen Zeiten die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt des Schriftstücks erhalten konnte. Dieser Grundsatz hat aber nur für den Sonderfall Relevanz, bei dem es auf den genauen Zeitpunkt des Zugangs ankommt.[1]

Ansonsten ist es für den Zugang und damit auch für die Wahrung einer Frist ausreichend, wenn die Willenserklärung (z. B. der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) vor 24:00 Uhr des betreffenden Tags in den Machtbereich des zuständigen Finanzamts gelangt. Dies kann auch außerhalb der Dienstzeiten geschehen, z. B. durch Einwurf in den Briefkasten[2] oder durch Nutzung sicherer elektronischer Übermittlungsmöglichkeiten, insbesondere über "Mein ELSTER" oder das auf den Internetseiten der Finanzämter eingerichtete "Kontaktformular".

1.4.1 Eingänge im Hausbriefkasten

Beim Einwurf in den Hausbriefkasten des Finanzamts (oder Finanzgerichts) ist die Frist gewahrt, wenn das Schriftstück sich um 24.00 Uhr des letzten Tages der Frist im Hausbriefkasten befindet. Ob dies geschehen ist, ist nur bei einem sog. Nachtbriefkasten feststellbar. Nachtbriefkästen gibt es jedoch allenfalls bei den Gerichten, nicht aber bei den Finanzämtern. Dort gilt Folgendes: Bei der Leerung des Hausbriefkastens am Morgen eines Arbeitstages erhalten alle darin befindlichen Schriftstücke, die also seit der letzten Leerung am Vortag bis zu diesem Morgen in den Briefkasten gelangt sind, den Eingangsstempel des vorhergehenden Arbeitstages, an dem der Hausbriefkasten letztmals geleert worden ist.

 
Praxis-Beispiel

Posteingang am Montag bei fehlendem Nachtbriefkasten

Der Hausbriefkasten des Finanzamts ist zuletzt am Freitag um 16 Uhr geleert worden. Schriftstücke, die am folgenden Montag dem Hausbriefkasten entnommen werden, erhalten den Eingangsstempel des vorausgegangenen Freitags.

1.4.2 Eingänge im Post(schließ)fach

Schriftstücke, die in das Postfach des Finanzamts eingelegt werden, sind dem Finanzamt nicht schon mit dem Einsortieren in das Postfach, sondern erst mit der Abholung der Sendung durch einen Amtsträger zugegangen.[1] In der Praxis ist gewährleistet, dass das Postfach des Finanzamts täglich geleert wird. Oft werden Schriftstücke aus dem Postfach aber nicht mehr abgeholt, sondern vom Postdienstleister beim Finanzamt eingeliefert. Diese Schriftstücke werden dann auf den Vortag zurückdatiert.

1.4.3 Fristberechnung bei Telefax

Die Fristwahrung durch Übermittlung eines Schriftsatzes mit Telefax ist bei allen Fristen möglich, auch beim Finanzgericht, z. B. bei Erhebung einer Klage. Die Frist ist gewahrt, wenn das Telefax vor 24.00 Uhr des letzten Tages der Frist vollständig beim Finanzamt bzw. Gericht durch das Empfangsgerät aufgenommen worden ist. Geht die letzte Seite mit der Unterschrift erst nach 24.00 Uhr beim Empfangsgerät ein, ist die Frist nicht gewahrt.[1]

1.4.4 Beweis des rechtzeitigen Zugangs

Der Steuerpflichtige hat die objektive Beweislast dafür, dass das Schriftstück fristwahrend beim Finanzamt bzw. Gericht zugegangen ist. Einen besonderen Beweiswert hat der Eingangsstempel des Finanzamts und des Gerichts. Es handelt sich bei ihm um eine öffentliche Urkunde i. S. d. § 418 Abs. 1 ZPO, deren Richtigkeit nur mit dem vollen Gegenbeweis widerlegt werden kann.[1]

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