BMF, 27.02.2024, III C 2 - S 7282/19/10001 :002

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Die Regelungen in § 14c UStG zum unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis basieren unionsrechtlich auf Art. 203 MwStSystRL. Dieser unterscheidet, anders als die Regelungen in § 14c UStG, nicht zwischen verschiedenen Fallkonstellationen, sondern bestimmt, dass die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.

 

I. Rechtsprechung zum Steuerausweis an Endverbraucher

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Der BFH hat mit Urteil vom 13. Dezember 2018 – V R 4/18 (BStBl II 2024 S. xxx) entschieden, dass die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auch bei einer Rechnungserteilung an einen Nichtunternehmer entstehe.

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Demgegenüber hat der EuGH mit Urteil vom 8. Dezember 2022, C-378/21, Finanzamt Österreich, entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Dienstleistung erbracht und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht nach Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG schuldet, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG ist in einem solchen Fall nicht anwendbar.

 

II. Anwendung der Rechtsprechung

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Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt nach den vorgenannten Urteilen Folgendes:

 

1. Anwendung im Hinblick auf den Rechnungsaussteller – Auswirkungen auf Fälle des unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweises

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Wenn ein Unternehmer eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) tatsächlich ausgeführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher (siehe Rn. 9) gestellt hat, entsteht keine Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Dies gilt entsprechend auch für einen unberechtigten Steuerausweis durch Kleinunternehmer nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG. Der Wortlaut des UStG ist insoweit unionsrechtskonform einschränkend auszulegen. Das BFH-Urteil V R 4/18 ist durch das EuGH-Urteil C-378/21 überholt und insoweit nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden.

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Hingegen sind die Grundsätze des EuGH-Urteils C-378/21 auf die übrigen von § 14c Abs. 2 UStG erfassten Fälle nicht anzuwenden, da unter diesen Umständen schon die grundlegenden Voraussetzungen des Urteilssachverhalts – tatsächliche Leistungserbringung durch einen Unternehmer (Steuerpflichtigen nach der MwStSystRL), vgl. auch Rn. 17 der Urteilsgründe – nicht vorliegen. Daher entsteht unter den übrigen Voraussetzungen insbesondere bei einem unberechtigten Steuerausweis durch einen Unternehmer außerhalb seines unternehmerischen Bereichs, durch einen Nichtunternehmer oder in Fällen ohne eine Leistungserbringung immer eine Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG.

 

2. Anwendung im Hinblick auf den Rechnungsempfänger – Rechnungserteilung an Endverbraucher

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Liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils C-378/21 hinsichtlich des Rechnungsausstellers nach Rn. 5 vor, ist zusätzlich zu prüfen, ob auch hinsichtlich des Rechnungsempfängers die Voraussetzungen vorliegen.

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Der EuGH hat seine Entscheidung in dem Urteil C-378/21 ausdrücklich unter der Prämisse getroffen, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens vorlag, da die Kunden in dem Urteilssachverhalt ausschließlich Endverbraucher waren, die hinsichtlich der ihnen in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren (Rn. 18 des Urteils). Entsprechend ist der EuGH auch unter Rn. 21 und 23 des Urteils von einer Gefährdung des Steueraufkommens ausgegangen, wenn der Adressat der Rechnung sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann bzw. könnte.

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Unter „Endverbraucher“ in diesem Sinne fallen Nichtunternehmer und Unternehmer, die nicht als solche handeln (insbesondere Unternehmer bei Leistungsbezug für ihren privaten Bereich oder für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit i. e. S., vgl. auch Abschnitt 2.3 Abs. 1a UStAE).

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Das EuGH-Urteil C-378/21 kann daher nicht auf Fälle übertragen werden, in denen die fragliche Rechnung an einen Unternehmer für dessen unternehmerischen Bereich erteilt worden ist. Dabei ist es für die Entstehung der Steuerschuld nach § 14c UStG nicht ausschlaggebend, ob und ggf. inwieweit tatsächlich ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist. Daher entsteht die Steuer nach § 14c UStG auch dann, wenn die Rechnung z. B. an einen Kleinunternehmer, einen pauschalierenden Land- und Forstwirt oder einen Unternehmer mit Ausgangsumsätzen, die den Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausschließen, erteilt worden ist. Denn auch in diesen Fällen kann ein Vorsteuerabzug – z. B. durch eine spätere Option zur Steuerpflicht, über eine spätere Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG oder auch unrechtmäßig – nicht ausgeschlossen werden.

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Die Tatsache, dass ein falscher (unrichtiger oder unberechtigter) Steuerausweis vorliegt, ist durch die...

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