Tax-Tech lockt Investoren

Klassische Steuerberater sind unter Druck: Mit cleveren digitalen Lösungen vereinfachen junge Unternehmen ehemals komplizierte Prozesse rund um Buchhaltung und Steuererklärung. „App statt Steuerberater“ ist die häufige Folge. Investoren sind begeistert, Steuerberater verlieren potenzielle Mandate.

Mit fortschreitender Zeit wird der Digitalisierungsdruck immer stärker: Die jüngere Generation der Steuerzahler ist mit Smartphone und Internet aufgewachsen und erwarten entsprechend digitale – und vor allem einfache – Prozesse auch rund um das komplexe Thema Steuern. Doch während sich viele Kanzleien nur schwer zur Digitalisierung durchringen können, werden sie von jungen Technologie-Firmen überholt, die vor Ideen und Innovationen nur so übersprudeln. Dass man die neuen Wettbewerber ernst nehmen muss, zeigt nicht nur das große Interesse der Nutzer, sondern auch das Interesse der Investoren. Zweistellige Millionen-Investments sind keine Seltenheit mehr. Im Wesentlichen lässt sich eine Investitionsbereitschaft in TechTax in den Bereichen Steuerklärung, Buchhaltung und Compliance beobachten.

Steuererklärungen – hier tummeln sich die TaxTechs

Eine durchschnittliche Steuerrückerstattung beträgt für Privatpersonen meist rund 1000 Euro, im Jahr 2017 waren es laut statistischem Bundesamt zum Beispiel 1051 Euro. Die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, die eine Steuererklärung vereinfachen, ist daher enorm. Viele TaxTech-Firmen setzen deshalb genau dort mit ihren Geschäftsmodellen an. Eines der bekanntesten und auch medial am präsentesten Anbieter ist Taxfix. Das im Jahr 2016 gegründete Unternehmen bietet eine Steuer-App, in der die Zeit für eine Steuererklärung durch ein einfaches Frage-Antwort-Verfahren auf 22 Minuten reduziert wird.

59 Millionen Euro in einem Jahr: Das Interesse der Finanzinvestoren ist groß

Die mobile Steuer-App zählt Unternehmensangaben zufolge in Deutschland Millionen von Downloads; insgesamt habe man für seine Kunden in Deutschland, Frankreich und Italien bereits eine Milliarde Euro an Steuererstattungen erreicht, verkündete das Start-up kürzlich. Das Interesse der Finanzinvestoren ist groß. In einer Series-C-Finanzierungsrunde sammelte Taxfix im Jahr 2020 insgesamt 65 Millionen US-Dollar (59 Millionen Euro) ein. Zwölf Monate zuvor hatte man bereits 30 Millionen US-Dollar (27 Millionen Euro) von Investoren eingeworben. Das Geld wurde in die weitere Entwicklung und Verbesserung der App investiert und die Anzahl der Mitarbeiter aufgestockt.

Mehr als 400.000 Kunden und eine Bewertung von 4,9 in den App Stores hat nach eigenen Angaben die Steuer-App Steuerbot. Das Besondere: Hier werden alle nötigen Angaben über einen automatisierten Chat abgefragt. Die Lösung ist mit künstlicher Intelligenz ausgestattet und soll sich im Chat wie ein realer Freund verhalten. Anhand der Antworten des Nutzers erstellt Steuerbot die vollständige Steuererklärung und kann sie elektronisch auch direkt an das Finanzamt senden. Zielgruppe sind hier Angestellte, Azubis, Studenten und Rentner. Steuerbot ist mittlerweile Teil der Haufe-Group Tochter smartsteuer. Smartsteuer ist Anbieter für Online-Steuererklärungen und hat 2010 selbst als Start-up begonnen. Der Anbieter für Online-Steuererklärungen startete als Angebot für Privatpersonen und vergleichsweise einfache Steuerfälle. Seit 2013 ermöglicht die Software auch Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen. Seit 2016 können zudem Personengesellschaften ihre gesonderte und einheitliche Feststellung und Einzelunternehmen ihre gesonderte Feststellung bei smartsteuer erstellen.

Gleich mehrere Steuerplattformen betreibt Wundertax. Die Berliner haben in jüngster Zeit rund 4,7 Millionen Dollar in zwei Finanzierungsrunden eingesammelt. Mit der Lösung des Unternehmens lässt sich die Steuererklärung online erledigen und an das Finanzamt schicken. Die digitale Steuererklärung wurde ursprünglich speziell für Studenten ohne steuerliche Vorkenntnisse konzipiert. Sie kam im Markt aber so gut an, dass das Konzept auf weitere Zielgruppen übertragen wurde. Aktuell zählen 13 Steuerplattformen zum Portfolio – unter anderem für Selbstständige, Arbeitnehmer, Polizisten und Soldaten.

Steuer-App mit Steuerberater

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt Zasta mit seiner Lösung. Hier sind die Steuerberater mit an Bord. Mehrere Geldgeber investierten in den vergangenen drei Jahren rund 3,3 Millionen Euro in diese Geschäftsidee, bei der Nutzer ihre Steuererklärung mit Hilfe der Zasta-App von einem Steuerberater erstellen lassen können – digital und direkt auf dem Smartphone. Der Nutzer registriert sich und erteilt dem vermittelten Steuerberater die Erlaubnis, Daten beim Finanzamt abzufragen. Im nächsten Schritt erhält er ein unverbindliches Angebot über die voraussichtliche Steuererstattung und die Kosten. Eine Gebühr an den Berater wird für den Kunden nur fällig, wenn er das Angebot annimmt. Die gesamte User Journey findet auf der Zasta-Plattform statt, somit ist die Nutzererfahrung einheitlich. Zu jeder Zeit wissen die Nutzer, welcher Partner-Steuerberater für sie tätig ist. Zasta wiederum erhält eine feste Gebühr von den Beratern. Nach Angaben des Unternehmens haben bereits mehr als 70.000 Nutzer mit Hilfe der digitalen Lösung über 17 Millionen Euro an Steuergeld zurückgeholt.

Buchhaltung mit viel Beschleunigungspotenzial

Auch im Buchhaltungssegment schreitet die Digitalisierung rasant voran und fördert Geschäftsmodelle zutage, die für Investoren sehr attraktiv sind. Beispielsweise sicherte sich sevDesk, Anbieter einer gleichnamigen, cloudbasierten Buchhaltungssoftware, zuletzt im Mai vergangenen Jahres neues Kapital in Höhe von mehr als 50 Millionen Euro, um sein schnelles Wachstum weiter zu beschleunigen. Die GoBd-konforme digitale Buchhaltungslösung setzt neben automatischer Belegerkennung, DATEV-Export und Elsterschnittstelle auf zahlreiche weitere Services zum Beispiel einen kostenlosen 24/7 Telefon-Support oder einen Einrichtungsservice und betreibt seine Server in Deutschland. Das Unternehmen zielt damit vor allem auf die Bedürfnisse von Kleinunternehmer und Selbständigen ab.


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Auch Neo-Banken fischen längst im beliebten Becken der Buchhaltung und Steuerberatung. So hat Kontist im Rahmen einer Series-B-Runde im März 2021 insgesamt 25 Millionen Euro erhalten, mit denen der Geschäftsbereich Steuerservice weiter ausgebaut werden soll. Unter den Kapitalgebern war auch die Freiburger Haufe Group (u.a. Herausgeber dieses Online-Magazins Taxulting), die bereits im Jahr 2018 im Rahmen einer Series-A-Investition eine Minderheitsbeteiligung erwarb. Das im Rahmen der B-Runde eingesammelte Kapital soll dabei helfen, die Serviceangebote mit Echtzeit- und KI-gestützter Steuerberechnung für Freelancer zu erweitern. Auch möchte man seine Steuerservices speziell in punkto vollautomatisierter Buchhaltung sowie die geschäftlichen und privaten Steuererklärungen durch die Kontist Steuerberatungsgesellschaft vorantreiben. Diese Leistungen werden von Kontist zusammen mit dem Geschäftskonto in einer App gebündelt.

Neues Wachstumsfeld Compliance

Und noch in einem weiteren Anwendungsfeld wird Steuerberatern gezeigt, wie Abläufe deutlich verbessert werden können: Das Hamburger Unternehmen Taxdoo bietet eine automatisierten Compliance-Plattform für den Finanzbereich und erleichtert es damit sowohl Onlinehändlern als auch ihren Steuerberatern, die internationale Umsatzsteuer und Finanzbuchhaltung abzuwickeln und entsprechende Compliance-Anforderungen zu erfüllen. Mit einer Gesamtfinanzierung von mittlerweile 74 Millionen Euro treibt Taxdoo den Ausbau seiner Lösung massiv voran. Allein in der Zeit von Dezember 2020 bis Dezember 2021 ist das Team von 45 auf mehr als 170 Mitarbeiter gewachsen. Die Hamburger Firma spricht bei ihrer Lösung bereits von einem „Financial Operating System für den E-Commerce“. Die Aussichten sind bestens: E-Commerce ist ein lukratives Wachstumssegment, gleichzeitig haben Onlinehändler mit immer komplexeren Regularien zu kämpfen, die sie oft vom Kerngeschäft abhalten. Eine Lösung, die sie durch das dynamische Regulierungsumfeld navigiert, kommt vielen Händlern wie gerufen.

What's next?

Wie die Beispiele zeigen, mischen TaxTech-Firmen den Markt der Steuerwirtschaft weiterhin kräftig auf. Während einige von Ihnen den klassischen Steuerberatern Geschäftsanteile wegnehmen, sorgen andere dafür, dass Steuerberater zusätzliche Mandate abwickeln können. Aber hier dürfte die Reise noch lange nicht beendet sein. Es gibt viele weitere Bereiche, wie die Verfahrensdokumentation, in denen das Potenzial groß ist, Prozesse digital zu strukturieren und zu vereinfachen.

Außerdem stehen neue technologische Lösungen in den Startlöchern. Marktbeobachter gehen zum Beispiel davon aus, dass die Blockchain-Technologie auch in der Steuerwelt verstärkt Einzug halten wird. Schon heute entstehen damit völlig neue Beratungsfelder für Steuerberater. Diese Technologie könnte auch die Digitalisierung der Steuerbranche auf eine neue Stufe heben, indem zum Beispiel Dokumente dauerhaft und fälschungssicher dokumentiert und gespeichert werden. Nachweise und Bescheinigungen könnten mit Hilfe der Blockchain verifiziert werden. Use-Cases sind sowohl für steuerrechtliche und zollrechtliche Aspekte als und im Bereich der Umsatzsteuer denkbar. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich TaxTech-Firmen auch diesem Zukunftsthema annehmen – wenn Steuerberater es nicht rechtzeitig selbst besetzten.

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