Leitsatz

Auch bei der sog. "Günstigerprüfung" nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG findet § 20 Abs. 9 EStG Anwendung; ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten kommt daher nicht in Betracht.

 

Normenkette

§ 32d Abs. 6, § 20 Abs. 9 EStG 2009

 

Sachverhalt

Eine hoch betagte alte Dame hatte mit ihrem Prozessbevollmächtigten einen Treuhandvertrag geschlossen und ihm General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Der Bevollmächtigte sollte u.a. Konten und Sparbücher verwalten und Steuererklärungen abgeben. Mit der Einkommensteuererklärung 2009 erklärte der Bevollmächtigte für die Treugeberin Einkünfte aus Kapitalvermögen von rd. 30.200 EUR und seine Treuhandvergütung von rd. 10.600 EUR als Werbungskosten. Das FA berücksichtigte hingegen nur den Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR.

Der dagegen erhobenen Sprungklage gab das FG statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012, 9 K 1637/10, Haufe-Index 3597725, EFG 2013, 1041). § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten jedenfalls dann abziehbar seien, wenn der individuelle Steuersatz bereits unter Berücksichtigung nur des Sparer-Pauschbetrags unter 25 % liege.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Die vom FG vorgenommene "verfassungskonforme" Auslegung sei weder notwendig (weil gegen die Regelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden) noch möglich. Die Auffassung des FG widerspreche sowohl dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes als auch den mit Einführung der Abgeltungsteuer vom Gesetzgeber bezweckten Zielen.

 

Hinweis

1. Nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG werden auf Antrag des Steuerpflichtigen seine Kapitaleinkünfte von der 25 %igen Abgeltungsteuer ausgenommen. Stattdessen werden die Kapitaleinkünfte den Einkünften i.S.d. § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer mit dem Regelsteuersatz unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt (Günstigerprüfung).

2. Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte ist indes auch bei der Günstigerprüfung – und damit auch im Streitfall – nach § 20 EStG vorzunehmen (vgl. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG). Damit findet auch im Falle der Günstigerprüfung die einschränkende Regelung zum Verbot des Abzugs der tätsächlich entstandenen Werbungskosten (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG) Anwendung.

3. Das Abzugsverbot für Werbungskosten hat der BFH unter drei verschiedenen Blickwinkeln verfassungsrechtlich überprüft und als verfassungsgemäß beurteilt:

a) Die Frage, ob das generelle Abzugsverbot für Werbungskosten im System der Abgeltungsteuer verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält, hatte der VIII. Senat schon mit Urteil vom 1.7.2014, VIII  R 53/12 (BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975) bejaht.

b) Ein Gleichheitsverstoß liegt auch nicht vor, wenn man diejenigen Steuerpflichtigen, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, mit denjenigen vergleicht, für die nach § 32d Abs. 6 EStG aufgrund der Günstigerprüfung der niedrigere Regelsteuersatz zum Tragen kommt. Denn letztere werden durch das Abzugsverbot für die tatsächlich entstandenen Werbungskosten gegenüber den vom Abgeltungsteuersatz Betroffenen insoweit nicht schlechter gestellt.

c) Ein weiteres Vergleichspaar bilden die Steuerpflichtigen, die im Wege der Günstigerprüfung ihren niedrigeren individuellen Steuersatz zugrunde legen können, aber vom Werbungskostenabzugsverbot betroffen bleiben, im Vergleich zu denjenigen, die vom Gesetz aus anderen Gründen aus der Abgeltungsteuer ausgenommen werden (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 EStG), dabei aber ihre vollen Werbungskosten abziehen dürfen (§ 32d Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Regelung stellt sich auch insoweit als verfassungsgemäß dar. Steuerpflichtige werden im Rahmen der Günstigerprüfung im Hinblick auf den Umfang abziehbarer Werbungskosten im Ergebnis schlechter gestellt als die Bezieher tariflich besteuerter Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn ihnen höhere tatsächliche Werbungskosten als der anzuwendende Sparer-Pauschbetrag entstanden sind.

Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt.

aa) Mit den vorstehend genannten Ausnahmen vom Abgeltungsteuersatz will der Gesetzgeber"Mitnahmeeffekte" bzw. eine Überbesteuerung vermeiden. Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ist indes keine nach der Intention des Gesetzes zwingende sachlichen Ausnahme von der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes, sondern ist als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger liegt als 25 %, eine weitere Begünstigung erfahren. Diese soll aber nicht dazu führen, dass die derart Begünstigten vollumfänglich aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden.

bb) Eine weitere Rechtfertigung liegt im Vereinfachungs‐ und Pauschalierungszweck des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG, der für den typischen Fall des Kleinanlegers über den Abzug des Sparerpauschbetrags auch im Fall der Günstigerprüfung zu einer realitätsgerechten Berücksichtigung der Aufwendungen führt.

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