Rz. 6

Gegenstand des anhängigen Strafverfahrens (s. Rz. 5) muss eine Steuerhinterziehung i. S. v. § 370 AO sein. Hierbei ist es unerheblich, ob nur der Tatbestand der "einfachen" Steuerhinterziehung[1] erfüllt ist oder eine "schwere" Steuerhinterziehung[2] vorgeworfen wird.

Steuerhinterziehung i. d. S. ist auch die Hinterziehung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben[3], sodass auch deren gewerbsmäßige, gewaltsame oder bandenmäßige Hinterziehung nach § 373 AO einzubeziehen ist. Die Verwirklichung des Straftatbestands des § 373 AO ist insoweit lediglich eine Form einer "schweren" Steuerhinterziehung.[4]

 

Rz. 6a

Ist dagegen eine andere Steuerstraftat i. S. v. § 369 Abs. 1 AO Gegenstand des Strafverfahrens, so kann dieses nicht nach § 396 AO ausgesetzt werden. Eine analoge Anwendung ist ausgeschlossen.[5] Dies gilt insbesondere für die Begünstigung einer Steuerhinterziehung[6] und die Steuerhehlerei nach § 374 AO[7] und gilt auch für die gewerbs- und bandenmäßige Schädigung des USt-Aufkommens nach § 26c UStG, da diese Straftat im Erhebungsbereich des Besteuerungsverfahrens[8] nicht an den Taterfolg der Steuerhinterziehung (s. Rz. 10) anknüpft.[9] Nur eine Verfahrensaussetzung nach den allgemeinen Bestimmungen der StPO (s. Rz. 3) ist zulässig.[10]

 

Rz. 6b

§ 396 AO ist entsprechend anwendbar bei Strafverfahren wegen allgemeiner Straftaten, soweit kraft Gesetzes die §§ 385ff. AO für anwendbar erklärt werden.[11]

 

Rz. 6c

Streitig ist, ob das Ruhen der Verjährung sich auf die gesamte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne – insbesondere auch auf allgemeine Straftaten, die mit der Steuerhinterziehung in Tateinheit stehen[12] – erstreckt.[13]

 

Rz. 7

Nach der Formulierung des § 396 AO kommt eine Aussetzung auch nur in Betracht, wenn der Tatvorwurf eine vollendete Steuerhinterziehung ist. Die vorab zu entscheidende steuerliche Frage ist das Bestehen des Steueranspruchs, die Steuerverkürzung oder die unberechtigte Erlangung des Steuervorteils (s. Rz. 10), also des strafrechtlichen Taterfolgs.[14] § 396 AO erstreckt sich aber auch auf Strafverfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung[15] und Strafverfahren gegen Teilnehmer.[16] Dies ist praktikabel, da es ansonsten in der Praxis zu Konstellationen kommen könnte, in denen das Verfahren gegen den Haupttäter ausgesetzt wird, hins. des Teilnehmers aber zu ermitteln wäre, bzw. dass das Verfahren hins. vollendeter Zeiträume gem. § 396 AO ausgesetzt werden könnte, hins. anderer Zeiträume, in denen bei ansonsten gleicher Sachlage nur ein Versuch der Steuerhinterziehung gegeben ist, aber weiter ermittelt werden müsste.

[4] Nikolaus, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 373 AO Rz. 2; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 11; Pflaum, in MüKoStPO, 1. Aufl. 2018, § 396 AO Rz. 7.
[5] S. Rz. 4; Gehm, NZWiSt 2012, 244, 245 m. w. N.; a. A. Baumann, BB 1976, 755.
[7] Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 12; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 396 AO Rz. 25.
[10] Baumann, BB 1976, 755.
[11] Klaproth, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 385 AO Rz. 4; wegen des Bußgeldverfahrens bei leichtfertiger Steuerverkürzung s. § 410 Abs. 1 Nr. 5 AO.
[12] § 264 StPO; s. a. Rz. 31.
[13] Dafür: Pflaum, in MüKoStPO, 1. Aufl. 2018, § 396 AO Rz. 29 m. w. N.; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 59 m. w. N.; dagegen: Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 396 AO Rz. 29.4-30 m. w. N.; vgl. auch Baumann, BB 1976, 753, 757; Brenner, BB 1980, 1321, 1322.
[16] §§ 26, 27 StGB; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 12.

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