Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur steuerlichen Berücksichtigung von in einem EU-Mitgliedstaat gezahlten Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben im Inland

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Abzug luxemburgischer Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben steht bei europarechtlich orientiertem Verständnis die gesetzliche (Neu-)Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1c) EStG nicht entgegen.

 

Normenkette

DBA LUX 2012 Art. 14 Abs. 1; EStG § 10 Abs. 1 Nrn. 3, 3a, Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.11.2021; Aktenzeichen X R 13/20)

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von in Luxemburg gezahlten Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben im Inland.

Der im Inland wohnende Kläger erzielte im Streitjahr 2017 Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit bei der S SA, Luxemburg iHv 338.685,40 €. Den Angaben des Klägers in seiner Einkommensteuererklärung folgend beließ der Beklagte im Einkommensteuerbescheid vom 25. Februar 2019 entsprechend der Aufteilung der Tätigkeit des Klägers in bzw. außerhalb von Luxemburg einen Anteil von 196/216 dieses Arbeitslohnes (= 307.325 €; 90,74%) steuerfrei und unterwarf diesen Anteil dem Progressionsvorbehalt, den verbleibenden Anteil von 20/216 (= 31.359 €; 9,26%) behandelte er als im Inland steuerpflichtig.

Von den vom Kläger ausweislich der Jahreslohnsteuerbescheinigung und eines Lohnzettels für Dezember 2017 insgesamt gezahlten luxemburgischen Sozialversicherungsbeiträgen berücksichtigte der Beklagte im angefochtenen Bescheid die auf den im Inland steuerpflichtigen Anteil entfallenden Beiträge anteilig mit 9,26% als Sonderausgaben. Für vom Kläger gezahlte luxemburgische Pflegeversicherungsbeiträge iHv insgesamt 4.615,64 € gewährte der Beklagte dabei einen Sonderausgabenabzug iHv 422 €.

Den hiergegen im Hinblick auf die nur anteilige Berücksichtigung der Pflegeversicherungsbeiträge erhobenen Einspruch begründete der Kläger damit, dass Pflegeversicherungsbeiträge in Luxemburg nicht abzugsfähig seien, sodass gemäß EuGH-Urteil vom 22.06.2017, BMF-Schreiben vom 11.12.2017 IV C 3 - S 2221/14/10005 und§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ein ungekürzter Sonderausgabenabzug zu gewähren sei.

Mit Entscheidung vom 01. Juli 2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der teilweise Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für die streitgegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge, hier die Pflegeversicherungsbeiträge, nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F. sei nicht unionrechtswidrig.

Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG sei nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F., dass sie nicht in "unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang" mit steuerfreien Einnahmen stünden. Mit Urteil vom 22.06.2017 habe der EuGH in der Rechtssache C 20/16 "Bechtel" entschieden, dass in bestimmten Fällen die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV einer Regelung wie der des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG entgegenstehe, nach der Altersvorsorgeaufwendungen und Krankenversicherungsbeiträge von in einem EU-Mitgliedstaat tätigen, aber in Deutschland wohnenden Arbeitnehmern, deren Arbeitslohn nach einem DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt sei, vom Sonderausgabenabzug ausgenommen seien, während für vergleichbare Beiträge eines in Deutschland tätigen Arbeitnehmers zur deutschen Sozialversicherung dieser Abzug gestattet werde. Der Tenor des EuGH-Urteils sei auf eine Tätigkeit für die öffentliche Verwaltung beschränkt. Die Urteilsbegründung mache aber deutlich, dass die rechtliche Natur des Beschäftigungsverhältnisses nicht entscheidend sei (Rn. 33 des Urteils). Nach dem EuGH könne das hier einschlägige Sonderausgabenabzugsverbot für Vorsorgeaufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem anderen Mitgliedstaat erzielten und nachDBA in Deutschland steuerfreien Einnahmen stünden, den betreffenden Steuerpflichtigen davon abhalten, seine Arbeitnehmerfreizügigkeit wahrzunehmen. Grundsätzlich sei es Sache des Wohnsitzstaates, familien- und personenbezogene Abzüge zu gewähren, es sei denn, dieser Staat sei im Vertragswege von seiner Verpflichtung zur vollständigen Berücksichtigung der persönlichen und familiären Situation befreit oder er stelle fest, dass ein oder mehrere Beschäftigungsstaaten, auch außerhalb irgendeiner Übereinkunft, mit von ihnen besteuerten Einnahmen im Zusammenhang stehende Vergütungen bezogen auf die persönliche und familiäre Situation gewähren würden (Rn. 71 des Urteils).

Der Tenor des EuGH-Urteils sei auf den Sonderausgabenabzug von Altersvorsorgeaufwendungen und Krankenversicherungsbeiträgen beschränkt. Aus der Urteilsbegründung werde jedoch deutlich, dass im Hinblick auf die übrigen Vorsorgeaufwendungen, sofern sie grundsätzlich vom Abzugsverbot erfasst seien, nichts anderes gelten könne. Aufgrund der unmittelbaren Wirkung von Art. 45 AEUV seien die Grundsätze des EuGH-Urteils sofort umzusetzen gewesen. Entsprechend sei die steuerliche Behandlung von Vorsorgeauf...

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