Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.10.1997; Aktenzeichen VI R 23/94)

 

Tenor

Der Haftungsbescheid wird teilweise aufgehoben.

Das Finanzamt ist verpflichtet, die Haftungssumme nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

 

Tatbestand

Strittig ist im Lohnsteuer (LSt)-Haftungsverfahren für die Jahre 1985–1987, ob der Kläger (Kl.) als Arbeitgeber für LSt haftet, die auf Trinkgelder entfallen soll.

Der Kl. betreibt in … ein alteingesessenes, gutgehendes Café. Er hat einen Stamm von rd. 12 Kellnerinnen, außerdem einige Aushilfskräfte.

Als während einer LSt-Außenprüfung (Ap.) der Prüfer die Problematik der Besteuerung der Trinkgelder anschnitt, legte der Kl. Bescheinigungen seiner Kellnerinnen vor, nach denen diese bestätigten, daß sie Trinkgelder, die die monatliche Höhe von 100,– DM übersteigen, selbst beim Finanzamt (FA) versteuern müßten. Der Kl. hatte von den Trinkgeldern keine LSt einbehalten. Der Prüfer stellte sich auf den Standpunkt, daß es nicht glaubwürdig sei, daß die Kellnerinnen keine höheren Trinkgelder als in Höhe des Freibetrages von 1.200,– DM jährlich erhalten hätten. Er ging zunächst davon aus, daß die Trinkgeldsumme für den Betrieb insgesamt 5 % des Umsatzes ausmachte; der Umsatz belief sich auf knapp 900.000 DM (brutto). Die insgesamt angefallene Trinkgeldsumme verteilte er auf die einzelnen Kellnerinnen nach deren im Jahre geleisteten Arbeitsstunden. Nach Abzug des Freibetrages ergaben sich nach seiner Ansicht zu versteuernde Trinkgeldsummen zwischen 168 und 4.802,– DM je Kellnerin. Die auf die Trinkgelder entfallende Steuer berechnete er individuell nach jedem einzelnen Arbeitnehmer. Später ging er von einem Trinkgeld von nur noch 2,5 % des Umsatzes aus, verfuhr im übrigen bezüglich der Verteilung und der Steuerberechnung wie beschrieben.

Die Steuer verlangte das FA nicht von den einzelnen Arbeitnehmern, sondern mit Haftungsbescheid (vom 17.2.1988) von dem Kl. als Arbeitgeber. Der gesamte Haftungsbescheid beläuft sich über 9.992,35 DM, davon entfallen auf die Trinkgelder

1985

1986

1987

LSt

2.134,–

1.472,–

1.267,30 DM

KiSt

189,06

132,48

114,01 DM

(Bl. 128 LSt-Akte).

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung (EE) führte das FA im wesentlichen aus, die Trinkgelder gehörten, soweit sie den Freibetrag überstiegen, zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Arbeitgeber habe die darauf entfallende LSt, einzubehalten, wie aus § 38 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) folge. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, den Arbeitnehmer nach seinen Drittbezügen zu fragen und ihn zu einer Anzeige über die Höhe der zugeflossenen Trinkgelder zu veranlassen. Die Anzeige habe er als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren und den angegebenen Betrag, soweit er den Freibetrag übersteige, zusammen mit dem übrigen laufenden Arbeitslohn dem LSt-Abzug zu unterwerfen, wie aus Abschnitt 73 Abs. 4 Satz 3 und 4 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) folge.

Nach § 42 d EStG hafte der Arbeitgeber für die LSt, die er einzubehalten und abzuführen habe. Er sei neben dem Arbeitnehmer Gesamtschuldner. Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers sei ermessensfehlerfrei, denn der Arbeitgeber habe annehmen müssen, daß den Arbeitnehmern von Dritten Arbeitslohn gezahlt werde. Hier habe der Kl. davon ausgehen müssen, daß die Kellnerinnen Trinkgelder vereinnahmt hätten. Das Café … habe zu den herausragenden Cafés in der Bundesrepublik gehört, wie ein Test ergeben habe. Es stehe nach der Lebenserfahrung fest, daß die Kunden üblicherweise Trinkgelder zahlten. Es sei auch nicht ermessensfehlerhaft gewesen, den Kl. in Anspruch zu nehmen, denn schon bei der LSt-Ap. in 1982 habe man ihn auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen. Auch sei es schwierig, die einzelnen Arbeitnehmer in Anspruch zu nehmen. Insbesondere könnten sich Schwierigkeiten aus der Benennung der Schätzungsgrundlage – Umsatz des Arbeitgebers – und der Pflicht, das Steuergeheimnis zu wahren, ergeben.

Die Höhe der Trinkgelder sei zu schätzen gewesen. Da die Trinkgelder umsatzabhängig seien und ihre Höhe nur über den Arbeitgeber – die Kellnerinnen hatte das FA vergeblich um Angabe der Trinkgelder gebetenfestgestellt werden könnten, sei es ermessensgerecht gewesen, den Kl. in Anspruch zu nehmen, über den Arbeitgeber könne die Höhe des Trinkgeldes festgestellt werden, weil er seinen Betrieb am besten kenne.

Die Schätzung selbst sei nach § 162 Abgabenordnung (AO) zutreffend mit 2,5 % der Umsätze ausgefallen. Dieser Satz liege innerhalb der von den Finanzgerichten anerkannten Grenzen (vgl. Urteil des Finanzgerichts – FG – Baden-Württemberg vom 11.12.1986 X K 337/85, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1987, 409; Urteil des FG Düsseldorf vom 29.11.1988 3 K 501/87 E, EFG 1989, 272).

Mit der Klage bringt der Kl. vor, zunächst habe der Bekl. den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt. Noch im Rahmen der Schlußbesprechung vom 7.12.1987 habe man angeboten, daß das Bedienungspersonal eine eidesstattliche Versicherung gegenüber dem ...

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