Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorruhestandsgelder als Teil der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes; keine begünstigte Besteuerung bei Zahlungserstreckung über mehr als einen Veranlagungszeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

Vorruhestandsgelder, die aufgrund eines Manteltarifvertrages vereinbart werden, sind Teil der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Erstreckt sich die Zahlung der Vorruhestandsgelder über mehr als einen Veranlagungszeitraum, ist mangels Zusammenballung eine begünstigte Besteuerung der Gesamtentschädigung zu versagen.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, § 3 Nr. 9

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 22.07.2003; Aktenzeichen 2 K 1081/99 E; EFG 2003, 1593)

 

Tatbestand

I. Die am 6. April 1937 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war seit 1972 bei einer Versicherung beschäftigt. Diese hatte im Rahmen betrieblicher Altersvorsorge für die Klägerin Kapitallebensversicherungen abgeschlossen, für die der ermäßigte Versicherungstarif nur für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gelten sollte.

Am 25. September 1991 beschlossen die Tarifvertragsparteien ein Vorruhestandsabkommen für die Arbeitnehmer der Versicherungswirtschaft, die unter den Geltungsbereich von Teil II des Manteltarifvertrags für das private Versicherungsgewerbe fallen. Mit dem Tarifvertrag wollten die Tarifvertragsparteien einen Beitrag zur Entspannung der von hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Arbeitsmarktlage leisten. Danach hatte ein Arbeitnehmer, der das 58. Lebensjahr vollendet und seit mindestens zehn Jahren dem Unternehmen angehört hatte, ab dem 1. April 1992 Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag, wenn er höchstens drei Jahre vor der Vollendung des 65. Lebensjahres oder dem erstmals möglichen Bezug von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung stand. Weitere Voraussetzung war, dass das Arbeitsverhältnis durch eine schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zum Zweck der Inanspruchnahme von Vorruhestandsgeld beendet wurde. Zusätzlich empfahl der Arbeitgeberverband seinen Mitgliedern, ihre Versorgungsregelungen mit dem Ziel zu überprüfen, Bestimmungen, die die Inanspruchnahme des Vorruhestandes erschwerten, im wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu ändern.

Im Hinblick auf die Zusatzempfehlung beschloss der Vorstand der Arbeitgeberin der Klägerin im November 1991, den in den Vorruhestand tretenden Mitarbeitern als Ausgleich für beitragsfrei gestellte Lebensversicherungen die Hälfte des Differenzbetrages zwischen dem jeweiligen Rückkaufswert und der erreichten Versicherungssumme auszubezahlen.

Am 5. Oktober 1995 schlossen die Klägerin und ihre Arbeitgeberin eine Vorruhestandsvereinbarung. Danach sollte das Arbeitsverhältnis zum 30. April 1996 beendet werden und die Klägerin von Mai 1996 bis April 1997 ein monatliches Vorruhestandsgeld in Höhe von 80 % des zuletzt bezogenen monatlichen Bruttogehalts sowie einen Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag erhalten. Die für die Klägerin abgeschlossenen Lebensversicherungen sollten ab 1. Mai 1996 beitragsfrei gestellt werden.

Mit ihrem Eintritt in den Vorruhestand erhielt die Klägerin einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 27 500 DM, da die Versicherungssumme der für sie abgeschlossenen Lebensversicherungen 124 000 DM und deren Rückkaufswert 68 947,90 DM betrugen. Die Vorruhestandsleistungen beliefen sich im Streitjahr 1996 auf insgesamt 32 744,80 DM (4 093,10 DM monatlich); darin enthalten waren Zuschüsse zur Krankenversicherung von insgesamt 390,72 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) rechnete bei der Einkommensteuerveranlagung 1996 die Ausgleichszahlung von 27 500 DM dem Arbeitslohn für die Monate Januar bis April (20 285,36 DM) hinzu. Eine begünstigte Besteuerung der Ausgleichszahlung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lehnte das FA mit der Begründung ab, dass ein Teil der Abfindung ―die monatlichen Vorruhestandszahlungen― über mehrere Kalenderjahre gezahlt worden sei, es somit an der erforderlichen Zusammenballung fehle. Das Vorruhestandsgeld beließ es gemäß § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei. Mit Bescheid vom 9. Mai 1997 setzte das FA die Einkommensteuer auf 8 255 DM fest und wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur zu einem geringen Teil statt (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2003, 1593). Der Arbeitslohn betrage nicht 47 785 DM, sondern lediglich 44 530 DM. Die Klägerin habe im Jahr 1996 Einnahmen i.S. von § 19 EStG in Höhe von insgesamt 80 530 DM (20 285,36 DM Lohn für Januar bis April; 32 744,80 DM Vorruhestandsgelder für Mai bis Dezember; 27 500 DM Ausgleichsbetrag) erzielt, von denen die Ausgleichszahlung in Höhe von 27 500 DM und ein Teilbetrag der Vorruhestandsgelder in Höhe von 8 500 DM steuerfrei zu belassen seien. Ein Wahlrecht, welche Teilbeträge steuerfrei zu belassen seien, bestehe nicht. Der Restbetrag der Vorruhestandsgelder von 24 244,80 DM sei nicht nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern, da monatliche Vorruhestandszahlungen nicht die Voraussetzungen einer Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfüllten.

Dagegen richtet sich die Revision, zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen vorbringt: Im vorliegenden Fall gehe es nicht um ein Wahlrecht der Klägerin auf eine Verteilung des steuerfreien Betrags nach § 3 Nr. 9 EStG, sondern um die Anwendung der für sie günstigsten Besteuerung ―also um das Günstigkeitsprinzip innerhalb eines Veranlagungsjahres. Wende man dieses an, seien zwar sowohl die Vorruhestandsleistungen als auch die einmalige Entschädigungsleistung nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei. Im Hinblick darauf, dass aber nur die einmalige Entschädigungsleistung (Ausgleichszahlung) nach §§ 34, 24 EStG ermäßigt zu besteuern sei, müsse der Freibetrag zunächst durch die Vorruhestandsleistungen ausgeschöpft werden.

Unter dem 4. November 2003 erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1996, in dem es dem finanzgerichtlichen Urteil Rechnung trug.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 4. November 2003 dahin gehend abzuändern, dass auf die Ausgleichszahlung in Höhe von 27 500 DM der ermäßigte Steuersatz nach §§ 34, 24 EStG angewendet wird und die Vorruhestandsleistungen nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei bleiben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist mit der Maßgabe unbegründet, dass die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (§ 127 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und die Klage abzuweisen ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Der Klägerin ist von ihrer Arbeitgeberin für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Gesamtentschädigung in Höhe von 76 617,20 DM zugesagt worden, die sich aus der Ausgleichszahlung (27 500 DM) und den Vorruhestandsgeldern von Mai 1996 bis April 1997 (12 x 4 093,10 DM = 49 117,20 DM) zusammensetzt. Von dieser Entschädigung ist der Klägerin im Streitjahr 1996 ein Betrag von 60 244,80 DM (Ausgleichszahlung zuzüglich Vorruhestandsgelder für Mai bis Dezember 1996) zugeflossen, der mangels zusammengeballtem Zufluss der Gesamtentschädigung nicht die Voraussetzungen für eine nach §§ 34, 24 EStG begünstigte Besteuerung erfüllt. Nach § 3 Nr. 9 EStG bleibt von diesem Betrag ein Teilbetrag von 36 000 DM steuerfrei. Die Entscheidung des FG erweist sich damit im Ergebnis als zutreffend.

1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses sind, sind keine Ersatzleistungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Mithin muss für die Annahme einer Entschädigung in diesem Sinne die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen; es reicht nicht aus, wenn die bisherige vertragliche Basis bestehen geblieben ist und sich nur Zahlungsmodalitäten geändert haben (ständige höchstrichter-liche Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 14. Mai 2003 XI R 16/02, BFHE 202, 486, BStBl II 2003, 881). Für die Frage, ab wann vertragliche Ansprüche nicht mehr auf der alten Rechtsgrundlage entstehen können, ist dabei von dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Dienstverhältnis wirksam beendet haben (BFH-Urteil vom 15. Oktober 2003 XI R 17/02, BFHE 203, 490, BStBl II 2004, 264, m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich sowohl bei der Ausgleichszahlung als auch bei den Vorruhestandsgeldern um Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.

Die Klägerin und ihre Arbeitgeberin haben in der Vorruhestandsvereinbarung vom 5. Oktober 1995 das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 30. April 1996 beendet. Gleichzeitig sind sie überein gekommen, dass die Klägerin mit dem Eintritt in den sog. Vorruhestand einen Ausgleichsbetrag für beitragsfrei gestellte Lebensversicherungen in Höhe von 27 500 DM erhält (§ 4 der Vorruhestandsvereinbarung) sowie ab 1. Mai 1996 monatliche Vorruhestandsgelder in Höhe von 80 % des zuletzt bezogenen Bruttogehalts (§ 2 der Vorruhestandsvereinbarung). Über Zahlungen von Lohnansprüchen, die der Klägerin bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zustanden (Erfüllungsleistungen), ist keine Vereinbarung getroffen worden.

Im Streitfall stimmen deshalb die Beteiligten zu Recht darin überein, dass die Ausgleichszahlung als Ersatz für entgehende Einnahmen und damit als Entschädigung gezahlt worden ist. Entgegen der Auffassung der Beteiligten und des FG gilt das jedoch auch für die Zahlung der monatlichen Vorruhestandsgelder.

Das FG ist in seiner Entscheidung ―der früheren Rechtsprechung des BFH folgend― davon ausgegangen, dass die Vorruhestandsgelder keine Entschädigung, sondern Erfüllungsleistungen darstellen, weil deren Zahlung auf einer tarifvertraglichen Regelung für das private Versicherungsgewerbe zurückzuführen und damit als Bestandteil des Arbeitsvertrages der branchenzugehörigen Klägerin anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. Oktober 2001 XI R 7/01, BFH/NV 2002, 337). Diese Rechtsprechung, die von der Annahme ausging, dass eine Zahlung dann nicht auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage beruht, wenn sie bereits im Arbeitsvertrag für den Fall der Entlassung vereinbart worden ist, hat der erkennende Senat mit Urteil vom 10. September 2003 XI R 9/02 (BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349) ausdrücklich aufgegeben. Wie der Senat in diesem Urteil dargelegt hat, beruht eine Zahlung auch dann ―verglichen mit dem bisherigen Anspruch auf Erfüllung von Gehaltsforderungen― auf einem neuen Rechtsgrund und stellt damit eine Ersatzleistung dar, wenn sie bereits im Arbeitsvertrag oder wie im vorliegenden Fall in einem Tarifvertrag für den Fall der betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird. Danach sind auch die Vorruhestandsgelder, die die Klägerin von Mai 1996 bis einschließlich April 1997 bezogen hat, Teil der Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.

2. Werden in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mehrere in sachlicher und/oder zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Entschädigungsleistungen zugesagt, sind diese nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich einheitlich zu beurteilen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 12/00, BFH/NV 2003, 1630, m.w.N.). Entsprechend diesem Grundsatz der Einheitlichkeit einer Entschädigung ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Klägerin für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Gesamtentschädigung in Höhe von 76 617,20 DM erhalten hat, die sich aus der einmaligen Ausgleichszahlung (27 500 DM) und der Summe der monatlichen Vorruhestandsgelder (49 117,20 DM) zusammensetzt.

Diese Gesamtentschädigung hat die Klägerin teilweise im Streitjahr, teilweise aber auch im darauf folgenden Jahr 1997 erhalten. Da die Entschädigung somit nicht zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen ist, liegen die Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht vor (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1630).

3. Eine Ausnahme von dem Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der Entschädigung hat der Senat in solchen Fällen zugelassen, in denen neben der Hauptentschädigungsleistung in einem späteren Veranlagungszeitraum aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. August 2001 XI R 22/00, BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180). Der Senat kann offen lassen, ob im vorliegenden Fall die Zahlung des Ausgleichsbetrags als soziale Zusatzleistung zu den Vorruhestandsgeldern (deren Summe mehr als das Doppelte des Ausgleichsbetrags ausmacht) angesehen werden kann. Gleiches gilt für die Annahme, die monatlichen Zuschüsse der Arbeitgeberin zum Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin, die nach den Feststellungen des FG insgesamt 390,92 DM betragen haben, seien als Entschädigungszusatzleistungen anzusehen. An dem Ergebnis einer Besteuerung der im Streitjahr bezogenen Entschädigungsleistungen mit dem regulären Einkommensteuertarif würde sich in beiden Fällen damit nichts ändern. Denn die Annahme einer Entschädigungszusatzleistung könnte allenfalls zur Folge haben, dass wegen dieser Leistung eine begünstigte Besteuerung der Hauptentschädigungsleistung nicht versagt werden dürfte (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2002 XI R 16/01, BFHE 198, 484, BStBl II 2004, 1379). Im Streitfall sind aber die Vorruhestandsgelder, die dann als Hauptentschädigungsleistung anzusehen wären, bereits deshalb nicht steuerbegünstigt, weil die Vorruhestandsgelder selbst in zwei aufeinander folgenden Veranlagungszeiträumen zugeflossen sind.

4. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass von dem der Klägerin im Streitjahr zugeflossenen Teil der Gesamtentschädigung ein Betrag in Höhe von 36 000 DM steuerfrei zu belassen ist.

Gemäß § 3 Nr. 9 EStG sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu den dort bezeichneten Höchstbeträgen steuerfrei.

"Abfindungen" im Sinne dieser Vorschrift sind alle Zuwendungen, die ein Arbeitnehmer anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses zum Ausgleich von Nachteilen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes erhält (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 1980 VI R 165/77, BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205). Im Streitfall setzt sich danach die Abfindung aus der Ausgleichszahlung und den Vorruhestandsgeldern zusammen.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Auflösung des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber "veranlasst", wenn dieser die entscheidenden Ursachen für die Auflösung des Verhältnisses gesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. März 2002 XI R 51/00, BFHE 198, 468, BStBl II 2002, 516). Das ist hier der Fall, weil die Initiative für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin eindeutig von deren Arbeitgeberin ausging. Diese wollte nämlich ―dem Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe entsprechend― mit dem Vorruhestandsabkommen einen Beitrag zur Entspannung der von hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Arbeitsmarktlage leisten und den Bestand an älteren Mitarbeitern verringern, ohne diese kündigen zu müssen. Dem steht nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis letztlich einvernehmlich durch die Vereinbarung vom 5. Oktober 1995 zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin aufgelöst worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 129, 479, BStBl II 1980, 205).

Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses bereits das 55. Lebensjahr vollendet und das Dienstverhältnis mehr als 20 Jahre bestanden hatte, steht ihr ein steuerfreier Betrag von 36 000 DM zu (§ 3 Nr. 9 Satz 2 EStG).

5. Die vom FG erörterte Frage, ob der Klägerin ein Wahlrecht zusteht, auf welche Teilbeträge der Abfindung der Steuerfreibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG angewendet werden soll, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich und muss deshalb offen bleiben. Da ―anders als vom FG angenommen― sowohl die Ausgleichszahlung als auch die Vorruhestandsgelder als Teile einer einheitlich zu betrachtenden Entschädigung mangels zusammengeballtem Zufluss nicht ermäßigt zu besteuern sind, macht es keinen Unterschied, auf welchen Teil der Entschädigung (Abfindung) der Freibetrag entfällt.

6. Danach sind die von der Klägerin für den Verlust ihres Arbeitsplatzes im Streitjahr 1996 bezogenen Zahlungen von insgesamt 60 244,80 DM in Höhe von 36 000 DM steuerfrei zu belassen. In Höhe von 24 244 DM gehören sie zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und sind der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betragen ―wie vom FG angenommen― insgesamt 44 530 DM.

Das FA hat während des Revisionsverfahrens den Einkommensteuerbescheid 1996 entsprechend geändert. Gemäß § 68 FGO ist der geänderte Bescheid vom 4. November 2003 zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Mit der Änderung des Verfahrensgegenstandes ist die Vorentscheidung gegenstandslos geworden und damit aufzuheben (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1994 XI R 84/92, BFH/NV 1995, 665).

Einer Zurückverweisung an das FG bedarf es nicht, da die Sache spruchreif ist. Denn durch die Änderung des angefochtenen Bescheids sind die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs unberührt geblieben (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 II R 164/85, BFHE 154, 13, BStBl II 1988, 995). Die Klage war daher abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1243079

BFH/NV 2004, 1705

BStBl II 2004, 1055

BFHE 2005, 544

BFHE 206, 544

BB 2004, 2397

BB 2004, 2450

DB 2004, 2348

DStR 2004, 1916

DStRE 2004, 1383

DStZ 2004, 774

HFR 2004, 1195

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