Rz. 31

Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 belässt jedem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Bedarfsgemeinschaft ein angemessenes Kraftfahrzeug. Das ist bereits durch die Neufassung der Regelung seit dem 1.4.2011 im Gesetz klargestellt. Zu den Kraftfahrzeugen gehört auch das Motorrad. Es trifft auch auf erwachsene erwerbsfähige Schüler zu. Regelungszweck ist die Erhaltung der Möglichkeit, im Falle einer Arbeitsvermittlung die Arbeitsstelle mit dem Pkw erreichen zu können. Dementsprechend steht nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kein angemessener Pkw als nicht zu berücksichtigendes Vermögen zu. Die Regelung setzt voraus, dass die entsprechenden Kfz bereits vorhanden sind, also nicht aufgrund des Eintritts von Hilfebedürftigkeit neu beschafft werden. Neubeschaffungen sind allerdings nicht ausgeschlossen, wenn sie, etwa wegen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, notwendig sind. Der Zufluss eines Kfz als Glücksspielgewinn stellt grundsätzlich eine Einnahme mit Geldeswert dar, die als Einkommen zu berücksichtigen ist. Ein durch späteren Verkauf des Autos erzielter Bargelderlös ist kein Einkommen i. S. v. § 11 und führt lediglich zu einer Vermögensumschichtung durch "Versilberung" eines Vermögensgegenstandes (SG Mainz, Urteil v. 6.5.2014, S 15 AS 132/11). Von nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kann die Verwertung eines Kfz zur Verminderung der Hilfebedürftigkeit erwartet werden, es sei denn, es liegen besondere Gründe wie z. B. eine Behinderung vor oder das Kfz ist aus anderen Gründen durch Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 geschützt.

 

Rz. 32

Die Frage der Angemessenheit richtet sich seit 1.1.2023 nicht mehr nach den Lebensumständen während des Leistungsbezuges, jedoch auch nicht nach der bisherigen beruflichen Tätigkeit oder der angestrebten oder in Betracht kommenden Erwerbstätigkeit. Außerdem ist der aktuelle Verkehrswert, z. B. anhand der "Schwacke-Liste", kein maßgebender Faktor mehr, ebenso nicht der Händlerverkaufspreis. Die Angemessenheit des Verkehrswertes des Kfz wird seit dem Inkrafttreten des Bürgergeld-Gesetzes am 1.1.2023 vermutet, wenn der Antragsteller dies bei Antragstellung erklärt. Damit entfällt seither der Gesetzesbegründung zufolge die regelhafte Angemessenheitsprüfung, was zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung führt. Die Vermutung der Angemessenheit kann widerlegt werden. Liegen auf Tatsachen beruhende Indizien dafür vor, dass ein Kfz des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nicht angemessen sein könnte, hat das Jobcenter auch weiterhin die erforderlichen Feststellungen zu treffen und zu entscheiden, ob die Vermutung widerlegt ist. Dabei wird sich das Jobcenter an den rechtlichen Verhältnissen in der Vergangenheit orientieren. Die Gesetzesbegründung jedenfalls enthält insoweit keine neuen Aspekte in Bezug auf die Angemessenheit.

Bei einem Verkehrswert von bis zu 5.000,00 EUR werden weitere Prüfungen des Jobcenters zur Angemessenheit generell weiterhin nicht erforderlich sein. Nach bisheriger Auffassung des BSG ist ein Pkw mit einem Verkehrswert bis zu 7.500,00 EUR als angemessenes Kraftfahrzeug anzusehen und zählt damit zum nicht zu berücksichtigenden Vermögen (BSG, Urteil v. 6.9.2007, B 14/7b AS 66/06 R). Die Wertermittlung von Autos ist dabei ein nüchterner Rechenvorgang ohne soziale Missbilligung. Ein höherer Wert des Kfz kann mit dem Freibetrag nach Abs. 2 ausgeglichen werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 16.5.2019, L 11 AS 122/19 B). Kann die Angemessenheit nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 nicht festgestellt werden, die Vermutung also nicht belegt werden, ist ergänzend Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 zu prüfen, ob eine besondere Härte einer Verwertung entgegensteht, bevor diese gefordert werden darf. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 erfasst keine Leasing-Fahrzeuge.

Die Beschränkung des nicht zu berücksichtigenden Vermögens nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 auf Pkw erwerbsfähiger Leistungsberechtigter verpflichtet zur unterschiedlichen Auslegung der Regelung je nach Erforderlichkeit des Kfz für eine Erwerbstätigkeit. Grundsätzlich geht der Gesetzgeber weiterhin davon aus, dass ein nicht zu verwertender Pkw die räumliche Mobilität des Erwerbsfähigen für eine Erwerbstätigkeit erhöht. Das BSG bestätigt in seiner Rechtsprechung die Auffassung, dass nicht die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, sondern von einem einheitlichen Grenzwert auszugehen ist (BSG, a. a. O.). Die weitere Rechtsprechung wird zeigen, ob das BSG hieran festhält. Die Angemessenheit nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 soll nach früherem Recht auch für die Frage herangezogen werden können, bis zu welcher Ausstattung bzw. Wertgrenze die Haltung eines Kfz im Rahmen des § 90 Abs. 3 SGB XII anerkennungsfähig war (OLG Hamm, Beschluss v. 11.9.2013, II-2 WF 145/13).

 

Rz. 33

Die Angemessenheit eines Kfz ist als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich weiterhin voll nachprüfbar. Ein Kfz kann entsprechend der Erklärung des Leistungsberechtigten als angemessen angesehen werden, wenn es für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit ohne Bindung an öffentliche Verke...

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