Entscheidungsstichwort (Thema)

Amt im abstrakt-funktionalen Sinne. Amt im statusrechtlichen Sinne. amtsangemessene Tätigkeit. amtsgemäßer Aufgabenbereich. Arbeitsanweisung. amtsfremde Tätigkeit. Aufgabenbereich. Aufgabenzuweisung. Ausbildung. DB Regio AG. Deutsches Eisenbahnvermögen. Dienstposten. gleichwertige Tätigkeit. Grobreinigung. Laufbahn. Lokomotivführer. Privatisierung der Eisenbahn. Statusamt. unterwertige Tätigkeit. Wahrung der Rechtsstellung. Weisungsrecht. Wertigkeit des Amtes. Zugführer

 

Leitsatz (amtlich)

Beamtete Lokomotivführer sind nicht verpflichtet, in den Bahnzügen während der fahrplanbedingten Stehzeiten Grobreinigungen durchzuführen.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 5, Art. 143a Abs. 1 S. 3; BBesG § 18; BBG §§ 4, 15; ENeuOG Art. 1 §§ 11, 12 Abs. 2, Art. 2 § 12 Abs. 4; BLV §§ 19, 35 Abs. 2; ELV 1994 § 1; ELV 2004 § 10 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Beschluss vom 01.10.2003; Aktenzeichen 1 UE 2127/03)

VG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.10.2002; Aktenzeichen 9 E 2444/02 (V))

 

Tenor

Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2003 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Bundesbeamte der Besoldungsgruppen A 9 (Kläger zu 1 – 5) bzw. A 8 (Kläger zu 6) im Dienste des Bundeseisenbahnvermögens und der für den Nahverkehr zuständigen Beigeladenen zur Dienstleistung zugewiesen. Sie üben ihren Dienst als Lokomotivführer in S-Bahnen des Nahverkehrs des Rhein-Main-Verkehrsverbundes auf den Linien S8 und S9 aus.

Unter dem 15. August 2001 erließ die Beigeladene eine “Qualitätsmanagement-Arbeitsanweisung Grobreinigung der Fahrgasträume in den Zügen der S-Bahnstrecken S8 und S9”. Die Anweisung lautet auszugsweise:

Mit dieser Qualitätsmanagement-Arbeitsanweisung (QMA) wird das Ziel verfolgt, unseren Kunden saubere und aufgeräumte Nahverkehrszüge anzubieten. …

Grobreinigung: Einsammeln von groben Abfällen (Presseerzeugnisse, Dosen, Flaschen, Verpackungsmaterial etc.) und Leeren von augenscheinlich vollen Aschenbechern und Abfallbehältern in einen Müllsack durch Umklappen der Behälter.

Führen Sie die Grobreinigung nach der Weisung beim Führerraumwechsel im Wendebahnhof durch.

Im Schrank 3 der Führerstände sind Müllsäcke zum Einsammeln der Abfälle bevorratet.

Benutzen Sie bei der Grobreinigung die Einweghandschuhe (persönlich zugeteilt).

Deponieren Sie den gefüllten Müllsack im dafür vorgesehenen Müllbehälter auf dem Bahnsteig.

Verschließen Sie Bereiche mit unzumutbarer Grobverschmutzung (Erbrochenes, Fäkalien usw.), die Sie selbst nicht beseitigen können, und melden diese an den S-Bahn-Dispo bei der TP über Zugfunk …

Ist eine Verspätung der Folgeleistung durch die Grobreinigung absehbar, so ist diese verkürzt bzw. nicht durchzuführen.

Fühlt sich ein Fahrgast durch die Grobreinigung belästigt, so ist sie an diesem Sitzplatz zu unterlassen.

Gegen diese Anweisung haben die Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat sie abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Nichtvollzug der Arbeitsanweisung zu gewährleisten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Arbeitsanweisung sei rechtswidrig. Die Kläger könnten nicht verpflichtet werden, gegen ihren Willen Grobreinigungsarbeiten in den von ihnen geführten S-Bahnzügen auszuführen. Zwar müsse ein Beamter Änderungen seines dienstlichen Aufgabenbereichs hinnehmen, jedoch nur nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinne. Ihm dürfe deshalb ohne sein Einverständnis – von eng begrenzten Ausnahmen wie Not- oder Katastrophenfällen abgesehen – grundsätzlich keine Tätigkeit zugewiesen werden, die, gemessen an seinem statusrechtlichen Amt, seiner Laufbahn und seiner Ausbildung, unterwertig sei. Soweit überhaupt zulässig, müsse die Übertragung unterwertiger Tätigkeit zeitlich begrenzt und erforderlich sein, um eine andernfalls zu befürchtende Störung der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung zu verhindern. Die Grobreinigung der S-Bahnzüge sei mit den das abstrakt funktionelle Amt eines Lokomotivführers prägenden Aufgaben weder unmittelbar noch mittelbar eng verbunden. Sie sei vielmehr amtsfremd und habe mit dem, was das Amt eines Lokomotivführers kennzeichne, nichts zu tun. Die Reinigungsarbeiten seien den Klägern auch nicht lediglich vorübergehend zur Abwendung einer Notlage, sondern dauernd übertragen; für sie könne anderweitig Vorsorge getroffen werden. Dies gelte auch dann, wenn die Arbeiten nur selten erledigt werden müssten und jeweils nicht mehr als 20 bis 25 Minuten in Anspruch nähmen.

Mit ihren Revisionen rügen die Beklagte und die Beigeladene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragen,

den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2003 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Oktober 2002 zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revisionen zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Auffassung der Revisionsführer.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revisionen sind unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts verletzt kein Bundesrecht.

1. Neben der Revision der Beklagten ist auch die Revision der erst durch den Zulassungsbeschluss des Senats vom 10. März 2004 – BVerwG 2 B 66.03 – beigeladenen DB Regio AG zulässig, weil sie durch die Entscheidung des Berufungsgerichts materiell beschwert ist. Die Berufungsentscheidung verpflichtet zwar nur die Beklagte, “den Nichtvollzug der Qualitätsmanagement-Arbeitsanweisung der DB Regio AG vom 15. August 2001 hinsichtlich der Grobreinigungsarbeiten der Fahrgasträume … zu gewährleisten”. Sie betrifft damit jedoch unmittelbar eine von der Beigeladenen erlassene Arbeitsanweisung und greift damit in ihr Direktionsrecht ein.

2. Die Arbeitsanweisung ist materiell rechtswidrig. Sie greift in unzulässiger Weise in die Rechtsstellung der Kläger ein, die die Beklagte und die Beigeladene gemäß Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG und Art. 2 § 12 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378 – ENeuOG) zu wahren haben.

a) Mit der genannten Bestimmung des Grundgesetzes ist eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen worden, Beamte bei einem privatrechtlich verfassten Unternehmen zu beschäftigen. Ungeachtet ihrer Zuweisung zur Beigeladenen sind die Kläger Beamte der Beklagten geblieben; ihr Status ist unverändert (vgl. Urteile vom 11. Februar 1999 – BVerwG 2 C 28.98 – BVerwGE 108, 274 ≪276≫ und vom 27. Februar 2003 – BVerwG 2 C 3.02 – Buchholz 11 Art. 143a GG Nr. 4). Die Beigeladene ist als Tochterunternehmen der Beklagten jedoch befugt, das dienstrechtliche Weisungsrecht gegenüber den Klägern im eigenen Namen auszuüben. Die Kläger haben ihre beamtenrechtlich geschuldete Dienstleistungspflicht der Beigeladenen gegenüber zu erfüllen und unterliegen deren dienstlichen Weisungen (Art. 2 § 12 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 23 ENeuOG).

b) Zutreffend ist das Berufungsgericht in materiellrechtlicher Hinsicht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgegangen, dass der Beamte einen Anspruch auf Übertragung eines seinem Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne entsprechenden Amtes im konkret-funktionellen Sinne, d.h. eines “amtsgemäßen” Aufgabenbereichs hat (vgl. Urteile vom 11. Juli 1975 – BVerwG 6 C 44.72 – BVerwGE 49, 64 ≪67 f.≫ = Buchholz 230 § 130 BRRG Nr. 1, vom 22. Mai 1980 – BVerwG 2 C 30.78 – BVerwGE 60, 144 ≪150≫ = Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 20, vom 24. Januar 1991 – BVerwG 2 C 16.88 – BVerwGE 87, 310 ≪315≫ = Buchholz 237.7 § 28 NWLBG Nr. 8, vom 28. November 1991 – BVerwG 2 C 41.89 – BVerwGE 89, 199 ≪200≫ = Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 34 und vom 27. Februar 1992 – BVerwG 2 C 45.89 – Buchholz 237.8 § 56 RhPLBG Nr. 1).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Grundsatz im Bereich der Eisenbahnverwaltung zu den verfassungsrechtlich geschützten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) gehört. Bereits nach § 20 Abs. 2 der Personalordnung, die 1930 auf der Grundlage des § 19 des Reichsbahngesetzes von 1924 in der damals geltenden Fassung erlassen worden war, blieb die Befugnis der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft unberührt, “den Beamten aus wirtschaftlichen Gründen auf einem anderen Dienstposten von geringerer Bewertung unter Belassung seiner Dienstbezeichnung und seines Diensteinkommens zu verwenden”, wobei “diese Verwendung … in der Regel nicht dauernd sein” durfte (vgl. Urteil vom 12. Juni 1979 – BVerwG 2 C 14.78 – ZBR 1979, 306). Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG gehört jedenfalls nicht das Recht des Beamten auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkret-funktionellen Amtes. Der Beamte muss vielmehr eine Änderung seines dienstlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinne hinnehmen (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 – BVerwG 2 C 30.78 – a.a.O. m.w.N.; Urteil vom 23. September 2004 – BVerwG 2 C 27.03 – IÖD 2005, 57; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen).

c) Der Inhalt des dem Beamten durch Ernennung übertragenen statusrechtlichen Amtes und damit die Antwort auf die Frage, welche Tätigkeit amtsangemessen ist, ergibt sich zum einen aus § 18 BBesG. Diese Vorschrift besagt, dass die Funktionen der Beamten nach den mit ihnen verbundenen Anforderungen sachgerecht zu bewerten und Ämtern zuzuordnen und dass die Ämter nach ihrer Wertigkeit unter Berücksichtigung der gemeinsamen Belange aller Dienstherren den Besoldungsgruppen zuzuordnen sind. Zum anderen ergibt er sich aus den einschlägigen Fachgesetzen, den Laufbahnordnungen sowie ergänzend aus dem Haushaltsrecht durch die Einrichtung von Planstellen (Urteil vom 28. November 1991 – BVerwG 2 C 41.89 – a.a.O.). Auch traditionelle Leitbilder können zur inhaltlichen Konkretisierung beitragen. Die rechtliche Bewertung der Dienstposten, d.h. ihre Zuordnung zu statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe, liegt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und des Haushaltsrechts in der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn (stRspr; vgl. z.B. Urteil vom 28. November 1991 – BVerwG 2 C 7.89 – Buchholz 237.7 § 28 NWLBG Nr. 9 ≪S. 11≫ mit zahlreichen Nachweisen; Urteil vom 23. Mai 2002 – BVerwG 2 A 5.01 – Buchholz 240 § 18 BBesG Nr. 27). Mit dem statusrechtlichen Amt und dessen Zuordnung zu einer bestimmten Besoldungsgruppe in Relation zu anderen Ämtern sowie der laufbahnrechtlichen Einordnung werden abstrakt Inhalt, Bedeutung, Umfang und Verantwortung und damit die Wertigkeit des Amtes zum Ausdruck gebracht (Urteil vom 1. Juni 1995 – BVerwG 2 C 20.94 – BVerwGE 98, 334 ≪338≫ m.w.N.).

Im Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Arbeitsanweisung galt für die Kläger die Verordnung über die Laufbahnen der Beamten beim Bundeseisenbahnvermögen vom 2. Februar 1994 (BGBl I S. 193). § 1 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 dieser Verordnung verwies auf die Vorschriften der Bundeslaufbahnverordnung in der Fassung der Verordnung vom 12. Mai 1993 (BGBl I S. 701), soweit sich aus der Verordnung selbst nichts anderes ergab. Für die Laufbahn der Lokomotivführer enthielt die Verordnung keine abweichenden Vorschriften. Demgemäß galt für die Kläger § 19 BLV, der die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen des mittleren Dienstes beschreibt, dem die Kläger angehören; dies galt gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 BLV auch, soweit Laufbahnen besonderer Fachrichtungen eingerichtet waren. Die Einstellungsvoraussetzungen nach § 19 BLV umfassen keine Tätigkeiten oder Fähigkeiten, die ohne Vorkenntnisse ausgeübt werden können.

An die Stelle der genannten Laufbahnverordnung ist mit Wirkung vom 10. November 2004 die Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten beim Bundeseisenbahnvermögen vom 28. Oktober 2004 (BGBl I S. 2703) getreten. Sie bestimmt in § 10 Abs. 3 Satz 1, dass die Beamtinnen und Beamten der Laufbahn der Lokomotivführer und Lokomotivführerinnen in der Regel folgende Funktionen wahrnehmen:

1. Führen von Triebfahrzeugen im Zugfahr- und Rangierdienst, Lokrangierdienst,

2. Steuerung des Einsatzes der Triebfahrzeuge und des Lokpersonals und

3. Abnahme-, Versuchs- und Ausbildungsdienst.

Nach Satz 2 können nach entsprechender Verwendungsfortbildung auch andere Funktionen übertragen werden, soweit diese im Funktionszusammenhang stehen oder sonst dem mittleren Dienst zugeordnet werden können.

Die Eisenbahn-Laufbahnverordnung 2004 ist auf die Kläger anwendbar. Sie stellt inhaltlich gegenüber der bisher geltenden Verordnung keine Neuregelung dar, sondern fasst deskriptiv zusammen, was schon bisher geltendes Recht war. Sie enthält eine Funktionsbeschreibung, die der herkömmlichen Verwendung in Ämtern entspricht, die den Lokomotivführern vorbehalten sind.

Die Eisenbahn-Laufbahnverordnungen sind in beiden Fassungen mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie beruhen auf Art. 1 § 7 Abs. 4 Nr. 1 (und Abs. 5) ENeuOG. Nach dieser Bestimmung ist das Bundesministerium für Verkehr ermächtigt, im Einvernehmen mit anderen Ministerien nach Maßgabe des § 15 BBG die Laufbahnen beim Bundeseisenbahnvermögen selbständig zu gestalten und Ausnahmeregelungen zu treffen sowie für die zugewiesenen Beamten besondere Arbeitszeitvorschriften zu erlassen und dabei von § 72 BBG abweichende Regelungen über die Vergütung von Mehrarbeit und über die Verpflichtung des Beamten zu treffen, über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun.

Fachgesetzlich hat der Bundesgesetzgeber in Art. 1 § 11 ENeuOG bestimmt, dass ein Beamter vorübergehend auf einem anderen Dienstposten von geringerer Bewertung unter Belassung seiner Amtsbezeichnung und seiner Dienstbezüge verwendet werden kann, wenn dienstliche Gründe beim Bundeseisenbahnvermögen oder dienstliche oder betriebliche Gründe bei einer Gesellschaft, der der Beamte zugewiesen ist, es erfordern. Nach Satz 2 der Vorschrift sind dienstliche Gründe solche, die sich aus Änderungen der Organisation des Bundeseisenbahnvermögens oder der Gesellschaft ergeben.

d) Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass den als Zugführer eingesetzten Klägern die Grobreinigung der von ihnen geführten Züge nicht als ständige Tätigkeit übertragen werden kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Grobreinigung nur einen kleinen Teil der Dienstzeit in Anspruch nimmt; der hierauf bezogenen Aufklärungsrüge der Beklagten ist deshalb nicht nachzugehen. Derartige quantitative Erwägungen greifen nur Platz, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die mit den amtsgemäßen Aufgaben unmittelbar oder doch sehr eng verbunden sind (vgl. Urteil vom 29. April 1982 – BVerwG 2 C 26.80 – BVerwGE 65, 253 ≪257≫). Nur soweit eine derartige Verbindung besteht, ist der Beamte verpflichtet, in geringem Umfange auch solche Tätigkeiten auszuüben, die der Wertigkeit seines Amtes nicht entsprechen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Tätigkeit im umgangssprachlichen Sinne als “unterwertig” anzusehen ist; es kommt vielmehr darauf an, ob sie generell einer niedriger bewerteten Laufbahn oder Laufbahngruppe zugeordnet werden kann. Die Grobreinigung der Züge steht mit der eigentlichen Funktion des Lokomotivführers in keinem unmittelbaren oder doch sehr engen Zusammenhang. Sie ist vielmehr von seinen in § 10 Abs. 3 der Eisenbahn-Laufbahnverordnung 2004 beschriebenen Aufgaben und Funktionen abtrennbar. Der erforderliche unmittelbare oder doch sehr enge Bezug zur Hauptfunktion wird auch nicht dadurch hergestellt, dass die von der Beigeladenen betriebenen S-Bahnen im Nahverkehr nur mit den Lokomotivführern besetzt sind und dass es kaufmännisch sinnvoll sein mag, diese während der betriebstechnisch unvermeidbaren Stehzeiten der Züge nicht unbeschäftigt zu lassen.

3. Etwas anderes ergibt sich nicht aus Art. 1 § 12 Abs. 2 ENeuOG. Nach dieser Bestimmung findet § 18 BBesG mit der Maßgabe Anwendung, dass gleichwertige Tätigkeiten bei der Deutschen Bahn AG als amtsgemäße Funktionen gelten. Die Vorschrift zieht die Konsequenz aus der Tatsache, dass die der Beklagten und ihren Tochtergesellschaften, darunter der Beigeladenen, zugewiesenen Beamten nach der Privatisierung der Eisenbahn nicht länger hoheitliche oder staatswichtige Aufgaben im Sinne des § 4 BBG wahrnehmen und dass deshalb ihre Tätigkeit auch nicht mehr als Funktion eines übertragenen Amtes gewertet werden kann. Die in § 18 BBesG verwendeten Begriffe der Ämter und ihrer Wertigkeit bedürfen daher für den Bereich der privatisierten Bahn einer Anpassung an die Gegebenheiten eines nicht mehr hoheitlichen Dienstes. Art. 1 § 12 Abs. 2 ENeuOG leistet diese Aufgabe, indem er fingiert, dass eine Tätigkeit bei der Deutschen Bahn AG, die mit einer Tätigkeit gleichwertig ist, die ein Beamter bisher hoheitlich erfüllt hat, zugleich als amtsgemäße Funktion gilt. Die Gleichwertigkeit der nicht mehr hoheitlichen Tätigkeit ergibt sich also aus einem Funktionsvergleich mit der ehemals hoheitlichen Tätigkeit. Ergibt dieser Vergleich, dass die Funktionen nicht gleichwertig sind, so steht zugleich fest, dass die dem zugewiesenen Beamten übertragene Tätigkeit nicht als amtsgemäße Funktion im Sinne des § 18 BBesG gilt.

Zu Unrecht leitet die Beigeladene aus dieser Bestimmung die Befugnis ab, die Tätigkeit eines zugewiesenen Beamten inhaltlich umzugestalten oder durch “funktionsfremde” Elemente anzureichern, soweit dies nicht durch Art. 1 § 11 ENeuOG ausdrücklich zugelassen ist. Diese Bestimmung setzt jedoch einer solchen Neubestimmung enge Grenzen, indem sie die Zuweisung einer Tätigkeit von geringerer Bewertung zeitlich begrenzt und von dienstlichen Gründen abhängig macht, die sich aus der Änderung der Organisation des Bundeseisenbahnvermögens oder der Gesellschaft ergeben. Zu einer hiervon abweichenden Bestimmung des bisherigen Amtsinhalts wären Beklagte und Beigeladene schon deshalb nicht befugt, weil sie verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich verpflichtet sind, die Rechtsstellung der zugewiesenen Beamten zu wahren (Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG; Art. 2 § 12 Abs. 4 Satz 1 ENeuOG). Diese Bestimmungen hindern die Beklagte und die Beigeladene zwar nicht daran, die Aufgabenzuweisung nach Maßgabe des Art. 1 § 11 ENeuOG vorübergehend zu modifizieren, wohl aber daran, derartige Veränderungen mit Dauerwirkung anzuordnen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.

 

Unterschriften

Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer

 

Fundstellen

BVerwGE 2006, 107

ZBR 2005, 344

ZTR 2005, 503

DÖD 2005, 94

DÖD 2006, 58

AUR 2005, 468

DVBl. 2005, 1136

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