Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterhaftung bei falscher Beratung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Schadensberechnung bei Haftung des Steuerberaters wegen der Aufdeckung stiller Reserven durch Verkauf von Gewerbeerwartungsland (Abgrenzung zu BGH WM 2004, 475 = BFH/NV Beilage 2004, 171).

 

Normenkette

BGB § 249; EStG §§ 13, 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 06.10.2000; Aktenzeichen 10 U 1348/00)

LG Mainz (Urteil vom 15.07.1999; Aktenzeichen 1 O 307/96)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 6.10.2000 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von 132.519,59 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mainz v. 15.7.1999 zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb führen, hatten in ihrem Betriebsvermögen u.a. drei Weinberggrundstücke, deren Buchwert in den Bilanzen mit 42.882 DM (7 DM/m2) angesetzt war. Im Mai 1999 bekundete ein Investor Interesse an den Grundstücken zu einem Kaufpreis von 70 DM/m2. Daraufhin ließen sich die Kläger von dem Beklagten, der sie fortlaufend steuerlich betreute, beraten, ob ein Verkauf der Grundstücke ohne anfallende Steuerschuld möglich sei. Dies wurde bejaht. Daraufhin veräußerten die Kläger die Grundstücke mit Kaufvertrag v. 25.7.1991 an den Investor zu einem Quadratmeterpreis von 70 DM/m2. Später stellte das Finanzamt eine Steuerschuld von 132.519,59 DM aus land- und forstwirtschaftlichem Gewinn fest. Es hatte den erzielten Kaufpreis als Entnahmewert für das Betriebsvermögen zu Grunde gelegt und den nach Abzug des Buchwertes verbleibenden Betrag als steuerpflichtigen Entnahmegewinn erfasst.

Die Kläger, die vortragen, sie hätten die Grundstücke auf keinen Fall verkauft, wenn sie von dem Anfall der Steuerschuld gewusst hätten, haben auf Ersatz der vom Finanzamt veranlagten Einkommensteuer sowie verschiedener Folgekosten (Aussetzungszinsen: 20.465,50 DM; Gerichtskosten FG: 2.657 DM) i.H.v. insgesamt 155.642,09 DM geklagt. Das LG hat die Klage, soweit damit Schadensersatz wegen der festgesetzten Steuer verlangt wird, abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger und die Anschlussberufung des Beklagten hat das OLG den Beklagten wegen des Steuerschadens und der Gerichtskosten zur Zahlung von insgesamt 135.176,79 DM nebst Zinsen verurteilt und den Anspruch auf die Aussetzungszinsen abgewiesen.

Mit der Revision begehrt der Beklagte, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat überwiegend Erfolg.

I.

1. Zur Schadensposition des steuerpflichtigen Entnahmegewinns hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Beklagte mit seiner Beratung, die Veräußerung der drei Grundstücke führe zu keiner steuerlichen Belastung, seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt habe. Hierdurch sei dem Kläger auch ein Schaden i.H.v. 132.519,59 DM entstanden. Das LG habe zu Unrecht auf einen Grundstückswert von lediglich 9 DM/m2 abgestellt. Bei sachgerechter steuerlicher Aufklärung hätten die Kläger die drei Grundstücke nicht aus dem Betriebsvermögen entnommen. Da der Verkehrswert der Grundstücke zum Zeitpunkt der steuerlichen Beratung im Mai/Juli 1991 in einem Sachverständigengutachten per 30.6.1991 mit 70 DM/m2 richtig ermittelt worden sei, hätte das LG von diesem Wert ausgehen müssen. Dann wäre der in den drei Grundstücken enthaltene damalige Verkaufswert von 70 DM/m2 (= 428.820 DM) ohne die Veräußerung uneingeschränkt erhalten geblieben. Auf Grund der fehlerhaften steuerlichen Aufklärung und der darauf beruhenden Veräußerung sei den Klägern nur ein um die Steuer verminderter Barbetrag als Vermögen verblieben, so dass die Kläger statt 428.820 DM nur noch 296.341 DM hätten. Die Differenz - die festgesetzte Steuerschuld i.H.v. 132.519,59 DM - sei der den Klägern zu ersetzende Schaden.

2. Bei der Schadensposition Gerichtskosten ist das Berufungsgericht dem LG gefolgt und hat diese als ersatzfähigen Folgeschaden der fehlerhaften steuerlichen Beratung angesehen. Die Klage vor dem FG Rheinland-Pfalz sei unbegründet gewesen, und der Beklagte habe die Kläger damals nicht über die fehlende Erfolgsaussicht der von ihm vertretenen Klage aufgeklärt.

II.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Der Beklagte hat seine vertragliche Pflicht verletzt, indem seine Mitarbeiterin den Klägern die unrichtige Auskunft erteilt hat, der Verkauf der drei Grundstücke sei steuerlich unschädlich. Diese Pflichtverletzung ist ursächlich für den Entschluss der Kläger geworden, die Grundstücke am 25.7.1991 zu veräußern.

Dies wird in der Revisionsinstanz nicht in Frage gestellt und lässt auch keine Rechtsfehler erkennen.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Verschulden des Beklagten bejaht. Das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beklagten spricht zunächst für sein Verschulden (BGH v. 11.5.1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386 [399] = BRAK 1995, 218 = MDR 1995, 1070; Urt. v. 20.6.1996 - IX ZR 106/95, BRAK 1997, 180 = MDR 1997, 100 = WM 1996, 1832 [1835]). Dies kann die Revision nicht mit dem Hinweis ausräumen, der Beklagte habe in der ersten Jahreshälfte 1991 nicht vorhersehen können, dass sich die Grundstücke der Kläger ab den Jahren 1991 bis 1994 in Bauerwartungsland verwandeln würden. Dem Beklagten wird nicht vorgeworfen, er habe die Wertentwicklung der betreffenden Grundstücke falsch eingeschätzt. Vielmehr wird ihm angelastet, eine unrichtige Auskunft zur möglichen Steuerschädlichkeit des Verkaufs der drei Grundstücke gegeben zu haben.

3. Unrichtig ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, den Klägern sei ein Schaden durch die Versteuerung des (nach Abzug der Buchwerte verbleibenden) Gewinns mit darauf entfallender Einkommensteuer, Kirchensteuer und einem Solidaritätszuschlag i.H.v. zusammen 132.519,59 DM entstanden.

a) Der rechtliche Berater, der seinem Auftraggeber wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat diesen durch die Schadensersatzleistung so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des rechtlichen Beraters stünde (BGH, Urt. v. 20.10.1994 - IX ZR 116/93, BRAK 1995, 130 = NJW 1995, 449 [451]; st.Rspr.). Danach muss die tatsächliche Vermögenslage derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des rechtlichen Beraters ergeben hätte. Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (BGH, Urt. v. 30.5.2000 - IX ZR 121/99, MDR 2000, 1400 = NJW 2000, 2669 [2670], insoweit in BGHZ 144, 343 nicht abgedr.).

b) Es ist demnach zu fragen, ob der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens der Kläger geringer ist, als er es ohne den Verkauf der Grundstücke gewesen wäre. Diese Frage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft beurteilt.

Allerdings hat der Senat einen Schaden in Höhe der angefallenen Einkommensteuer bei einem Mandanten des Steuerberaters bejaht, der infolge fehlerhafter Beratung den Gewerbebetrieb aufgegeben hatte mit der Folge der Aufdeckung stiller Reserven (BGH, Urt. v. 23.10.2003 - IX ZR 249/02, BGHReport 2004, 231 = MDR 2004, 276 = WM 2004, 475). Jenes Urteil beruhte jedoch entscheidend darauf, dass der Mandant durch die Aufgabe des Gewerbebetriebs keinen Vorteil erlangt hatte, der ihm nicht zugeflossen wäre, wenn er von einem entsprechenden Entschluss abgesehen hätte (BGH, Urt. v. 23.10.2003 - IX ZR 249/02, BGHReport 2004, 231 = MDR 2004, 276 = WM 2004, 477). Dies ist im Streitfall anders.

Ohne den Fehler des Beklagten hätten die Kläger zwar keine Steuern bezahlen müssen, aber auch keinen Veräußerungsgewinn erzielt. Beim Vermögensvergleich muss gegenübergestellt werden der Veräußerungsgewinn abzgl. Steuern einerseits und der Verkehrswert der Weinberge ohne Veräußerung andererseits. Der von einer gewerblichen Nutzungserweiterung geprägte Verkehrswert, von dem das Berufungsgericht ohne Veräußerung ausgegangen ist (70 DM/m2 = 428.820 DM), ergibt sich jedoch nicht auf Grund einer rechtlich gesicherten Bodennutzung. Dafür, dass bei weinbaulicher Nutzung der Wert der Grundstücke den nunmehr erzielten Kaufpreis abzgl. der Steuerlast überstiege, ist nichts ersichtlich. Der realisierte Verkehrswert als Gewerbeerwartungsland ließ sich jedoch nur bei einer Veräußerung erzielen. Da diese zwangsläufig die Steuerlast auslöste, stellt die festgesetzte Steuerschuld im Gesamtvermögensvergleich keinen Schaden dar. Die Auffassung des Berufungsgerichts hat zur Folge, dass die Kläger so gestellt werden, als hätten sie durch Entnahme der Weinberg-Grundstücke die stillen Reserven steuerfrei realisieren können. Ein solches Ergebnis war, von hier nicht vorgetragenen Ausnahmen abgesehen, nicht erreichbar.

4. Ohne Erfolg bleibt die Revision bezüglich der Schadensposition Gerichtskosten. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem LG den Prozesskostenschaden der Kläger im Verfahren vor dem FG Rheinland-Pfalz als ersatzfähigen Schaden anerkannt. Diese rechtliche Beurteilung, zu der die Revision keine Ausführungen gemacht hat, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

III.

Das angefochtene Urteil ist demnach teilweise aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.), kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

 

Fundstellen

BFH/NV Beilage 2005, 283

DB 2005, 1329

DStRE 2005, 548

DStZ 2005, 428

NWB 2005, 1742

BGHR 2005, 784

WM 2005, 999

MDR 2005, 866

GuT 2005, 73

BFH/NV-Beilage 2005, 283

SJ 2005, 40

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