Rz. 12

Das MuSchG steht im Kontext weiterer, grundsätzlich für das Arbeitsverhältnis geltenden Schutzvorschriften. Bei der Beurteilung der Unzulässigkeit von bestimmten Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen sind daher gegebenenfalls auch mutterschutzrechtliche Regelungen in weiteren arbeitsschutzrechtlichen Regelwerken zu berücksichtigen. So enthalten bspw. die Strahlenschutz- oder Röntgenverordnung besondere Vorschriften zum Schutz der schwangeren und stillenden Frauen. Diese Regelungen sind als Konkretisierungen des mutterschutzrechtlich abgesteckten Regelungsrahmens zu verstehen. Sie werden nicht nochmals im MuSchG geregelt, weil ihre Anwendbarkeit durch das MuSchG nicht berührt wird. In der BioStoffV und der GefStoffV finden sich hingegen keine separaten Vorschriften für Stillende und damit Konkretisierungen zum Mutterschutz. Gleichwohl gelten auch die dort aufgestellten allgemeinen (für Frauen wie Männer) Schutzvorschriften und Grenzwerte. Selbstverständlich sind auch alle anderen Schutznormen des Arbeitssicherheitsgesetzes und der Arbeitsschutzverordnung einzuhalten.

 

Rz. 13

In § 12 Abs. 1 verwendet der Gesetzgeber den Begriff des Inkontaktkommens. Inkontaktkommen ist dabei jede Form des Kontaktes, etwa durch Berühren, durch Einatmen oder durch andere konkrete Form der Einwirkungsmöglichkeit des Stoffes durch Aufnahme in die biologische Umgebung des Körpers. Daher ist vorrangig in den Gefährdungsbeurteilungen zu prüfen, ob die Stillende mit solchen Stoffen in Kontakt kommen kann – beabsichtigt (als Teil der geschuldeten Arbeitsleistung) oder auch unbeabsichtigt (im Rahmen etwaiger Störungen oder indirekter Kontakte). Stets sind bei der Gefährdungsbeurteilung auch Arbeitsbedingungen und Schadfaktoren zu berücksichtigen, denen die Frau nur möglicherweise ausgesetzt ist.

Dies gilt vorrangig bei sog. Verdachtsstoffen, also Stoffen, die im Verdacht stehen, Gesundheitsbeeinträchtigungen auszulösen. Gerade die Klassifizierung als Verdachtsstoff legt nahe, dass nicht unbedingt eine sofortige, direkte Gefährdung durch den Stoff gegeben ist, sondern sich diese aus einem weiteren Kontext ergeben kann.

 

Umfassende Prüfung der Gefährdung

Es genügt nicht, die Berührung eines gefährlichen Stoffes als notwendiger Arbeitsschritt im Rahmen der geschuldeten Tätigkeit durch das Tragen von Handschuhen zu verhindern. Es muss auch geprüft werden, ob durch Einatmen oder mögliche Beschädigungen an der Schutzeinrichtung eine Gefährdung gegeben ist. Dabei sind alle Arbeitsschritte zu betrachten, also auch vor- und nachgelagerte Tätigkeiten, wie etwa das Abstellen oder das Lagern und das Holen von Gegenständen und Stoffen.

 

Rz. 14

Wer Gefahrstoffe vorhält, transportiert oder verarbeitet muss sich an die "Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)" halten. Sie geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung, wieder. Grundlage ist eine Beurteilung der mit den Tätigkeiten verbundenen inhalativen (durch Einatmen), dermalen (durch Hautkontakt) und physikalisch-chemischen Gefährdungen (Brand- und Explosionsgefahren) und sonstigen durch Gefahrstoffe bedingten Gefährdungen. Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen wurde und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Die TRGS werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gegeben. Die TRGS konkretisieren im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen der GefStoffV. Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind.

 

Rz. 15

Bei der Auslegung der im MuSchG verwendeten Begriffe sind die spezifischen Begriffsbestimmungen des Arbeitsschutzrechts ergänzend zu berücksichtigen, wie etwa die für Gefahrstoffe (§ 2 Abs. 1 GefStoffV) oder Biostoffe (§ 2 Abs. 1 BioStoffV). In die BioStoffV ist das Infektionsrisiko durch ansteckende Übertragung aufgenommen worden.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass für den Begriff der Tätigkeit im Arbeitsschutzrecht bereichsbezogene Besonderheiten bestehen (vgl. etwa § 2 Abs. 5 GefStoffV, § 2 Abs. 7 und 8 BioStoffV). Niemand darf eine Anlage in Betrieb nehmen, Arbeitsplätze einrichten und unterhalten und gefährliche Stoffe verarbeiten, ohne die Vorschriften des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit zu beachten. Das MuSchG spezifiziert die Gefahrenlage für Stillende in § 12 und enthält als sehr technisch formulierte Vorschrift eine "Litanei der Gefahrstoffe".

 

Rz. 16

Verweise auf die Vorgaben der Berufsgenossenschaften sind von großer praktischer Hilfe, um bei neu aufkommenden Themen die möglichen Gefährdungen zu erkennen und durch Regularien zu entschärfen. Auch weitere Ermächtigungen an die Bundesregierung, mit Vero...

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